Von Holger Luhmann
Klopp findet die richtigen Krieger
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Dass es eine haarige Angelegenheit werden würde gegen 1899 Hoffenheim, schien schon vor dem Spiel klar.
Trainer Jürgen Klopp hatte seinen Friseur aufgesucht, Pierre-Emerick Aubameyang seinen sonst so kunstvoll stilisierten Bart abrasiert.
Das Signal, das Borussia Dortmund aussendete, war klar: In der Krise ist kein Platz für Schnörkel.
BVB nimmt den Abstiegskampf an
Mit dieser Einstellung trat die Mannschaft beim 1:0 schließlich auch auf dem Platz auf.
Eingeschworen von Kapitän Sebastian Kehl, dessen Kabinenpredigt nach eigener Aussage die Kontrolle auf Jugendfreiheit nicht bestanden hätte.
Der BVB hat mit allen Facetten bewiesen, dass er den Abstiegskampf in der Bundesliga angenommen hat.
"Erschöpft und erleichtert"
Das trifft auch auf Klopp zu.
"Erschöpft und erleichtert" sei er, gab er nach dem Spiel zu Protokoll.
Diese Worte geben das Innenleben des ohnehin emotionalen Trainers nur bruchstückhaft wider.
Klopp macht den Knecht Ruprecht
Offener trat diese Lava, die sich in den vergangenen schweren Wochen in Klopp aufgestaut hat, nach dem 1:0 durch Ilkay Gündogan in der 17. Minute zu Tage.
Klopp drehte an der Außenlinie ab, rannte los, sprang hoch, stieß die rechte Faust in die Luft. Sein Gebiss verschoben, als sei sein Kieferorthopäde einst ein betrügerischer Fuscher gewesen.
In diesem Moment hätte sich kein Nikolaus einen furchteinflößenderen Knecht Ruprecht wünschen können.
Richtige personelle Entscheidungen
Zuvor hatte Klopp aber ganz sachlich die richtigen Entscheidungen getroffen.
In der schwersten Zeit seiner Dortmunder Ära wollte er elf robuste Kämpfer um sich scharen. Er hat sie augenscheinlich gefunden.
Klopp opferte Weltmeister Roman Weidenfeller im Tor, um auf "die Frische und den Spaß" von Mitch Langerak zu setzen.
Er konnte erstmals nach 72 Pflichtspielen wieder die Vierer-Abwehrkette aus dem Finale in der Champions League von Wembley aufbieten. Die Rückkehr der lange verletzten Mats Hummels und Marcel Schmelzer tat den Dortmundern spürbar gut.
So klang Gündogans Siegtreffer bei SPORT1.fm:
Klopp beorderte Gündogan in die offensive Schaltzentrale im Mittelfeld. Gündogan, der nach langer Leidenszeit noch längst nicht wieder bei seinem vollen Leistungsvermögen ist, dankte es mit einer starken Vorstellung und seinem ersten Kopfballtor für Dortmund.
Und ganz vorne im Sturmzentrum gab Adrian Ramos einen Lewandowski-Klon, so gut es in seiner Macht stand.
Dortmund verdient sich das Glück
Zudem hatte das Glück seit langer Zeit mal wieder einen schwarz-gelben Anstrich.
Unmittelbar nach der Pause rettete Hummels nach einem direkten Freistoß von Pirmin Schwegler per Kopf vor dem möglichen Einschlag in den Winkel.
Fünf Minuten vor dem Ende blieb der Elfmeterpfiff nach einer Aktion von Neven Subotic gegen Tarik Elyounoussi aus.
Allerdings war dem BVB zuvor auch das 2:0 durch Aubameyang wegen einer falschen Abseitsentscheidung nicht anerkannt worden.
Hummels warnt: "Keine Erlösung"
In der Bewertung des Erfolges waren sich alle Dortmunder einig.
"Das war noch keine Erlösung?, mahnte Kapitän Hummels.
"Wir sind der verdiente Sieger, mehr ist aber auch nicht passiert", betonte Klopp und forderte: "Jetzt müssen wir so weiter machen."
Richtungsweisende Spiele
Schon am Dienstag steht das letzte Gruppenspiel in Europas Königsklasse gegen den RSC Anderlecht an. Ein Remis würde wohl zum Gruppensieg reichen.
Es folgen in der Bundesliga die Begegnungen in Berlin, gegen Wolfsburg und in Bremen.
In diesen letzten Wochen des Jahres wird sich zeigen, ob sich die Borussia wieder nach oben orientieren kann.
Kein Platz für Einzelschicksale
Noch offen ließ Klopp, wem er in dieser richtungsweisenden Zeit sein Vertrauen im Tor schenken wird.
"Mein Bauch versagt gerade. Er ist groß und leer", sagte Klopp.
Es ist gut möglich, dass Weidenfeller zunächst mit einem Platz auf der Bank vorlieb nehmen muss.
Für sportliche Einzelschicksale ist in dieser Phase beim BVB kein Platz.