Martin Schmidt ist einer, der aufdreht, wenn er an der Seitenlinie steht.
Neustart mit einem Extremtypen
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Der neue Trainer des FSV Mainz 05 gestikuliert, dirigiert, korrigiert - und auch gerne laut wird.
Man kann deshalb erahnen, wie schwer es ihm in den vergangenen Tagen gefallen sein muss, den Mund zu halten.
Doch er hatte vor seinem Bundesliga-Debüt am Samstag im Rhein-Main-Derby gegen Eintracht Frankfurt (ab 15 Uhr LIVE im Sportradio auf SPORT1.fm und im LIVETICKER) keine andere Wahl: Eine Stimmbandentzündung und die Einnahme von Antibiotika zwangen den Schweizer zur Ruhe.
Ein unglückliches Timing, denn eigentlich sollen die Ansprachen des ehemaligen Mainzer U-23-Coaches den abstiegsgefährdeten FSV nach zuletzt nur einem Sieg in 13 Spielen neu erwecken.
Extremskifahrer, DTM-Mechaniker, Unternehmer
"Diese besondere Emotionalität, die ihn auszeichnet, ist natürlich auch das, von dem wir uns erhoffen, dass es auf die Mannschaft überspringt", sagte FSV-Präsident Harald Strutz bei Sky. Einen Tag vor dem Spiel präsentierte sich der fast genesene Schmidt dann schon wieder angriffslustig.
"Wir müssen Leidenschaft und Begeisterung entfachen. Wenn das gelingt, werden wir die Leute erreichen. Fans und Spieler brauchen sich gegenseitig", meinte der 47-Jährige, dessen Lebenslauf für Leidenschaft bürgt.
Schmidt zog sich als Spieler sieben Kreuzbandrisse zu, fuhr Extremski, arbeitete als Automechaniker in der DTM, machte sich selbstständig als Tuning- und Textil-Unternehmer.
Seine Fußballkompetenz hat an der Vielfalt seiner Interessen offenbar nicht gelitten. Einen "sehr feinen Kerl mit extrem hohem Fachwissen" nannte ihn Vor-Vorgänger Thomas Tuchel, der sich 2010 für Schmidts Verpflichtung als Reserve-Coach starkmachte.
Bei der Mission Klassenerhalt setzt Schmidt auf die einst typische Spielphilosophie des FSV mit "Balleroberung und Emotionalität". Man wolle "dem Gegner wehtun und Vollgas geben. Dafür stehe ich."
Auch Bremen ein Vorbild
Als Vorbild dient den Mainzern nicht nur die eigene Geschichte der selbstgemachten Erfolgstrainer Tuchel und Jürgen Klopp.
Auch das Beispiel Werder Bremen und Viktor Skripnik spornt an.
"Die machen das überragend im Moment", lobte FSV-Manager Christian Heidel den Tabellen-Achten: "Die Mannschaft ist kaum verändert, aber es ist ein Ruck durch sie gegangen."
Keine Jubelstürme bei der Eintracht
Denselben Wunsch hat er für sein Team. Und dieselbe Befürchtung hat die Eintracht, die vor dem Derby sechs Punkte mehr auf dem Konto hat als der Rivale.
"Sie werden nun aggressiver spielen, denn nach einem Trainerwechsel will sich jeder neu beweisen", sagte Frankfurts Torjäger Alexander Meier.
Frankfurts Trainer Thomas Schaaf dagegen begegnet dieser Furcht vor dem Schmidt-Effekt mit der ihm eigenen Nüchternheit: "Die Spieler müssen ja immer Gas geben. Es wird ja auch die gleiche Mainzer Mannschaft auf dem Platz stehen."
Die gleiche Mannschaft - mit einer womöglich neuen Leidenschaft.