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Lucien Favre: Ein Querkopf, auch beim Rücktritt

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Lucien Favre: Ein Querkopf, auch beim Rücktritt

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Der Eigenwillige

Lucien Favre hinterlässt mit seinem Rücktritt einen Verein im Schockzustand. Sein unrühmlicher Abgang ist ebenso unlogisch wie nachvollziehbar.
Borussia Moenchengladbach v Hamburger SV  - Bundesliga
Borussia Moenchengladbach v Hamburger SV - Bundesliga
© Getty Images

Nein, akute Anzeichen gab es eigentlich keine.

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Lucien Favre hatte die Niederlage von Borussia Mönchengladbach beim 1. FC Köln analysiert wie so viele zuvor auch. Sachlich und kühl, für eine Derbypleite nüchtern auf den Punkt gebracht. Der Schweizer wirkte weder angeschlagen noch zeigte er sich nach der sechsten Pflichtspiel-Niederlage in Folge übermäßig ratlos oder emotional, geschweige denn amtsmüde.

Ein Rücktritt? Dazu bei einem Klub, der ihm in der größten Krise unter seine bislang ausnahmslos erfolgreichen Ägide bedingungslos den Rücken stärkte? Eigentlich undenkbar. Eigentlich.

Nur auf den ersten Blick überraschend

Denn wenn man Favre in seinen etwas mehr als viereinhalb Jahren bei Borussia Mönchengladbach erlebt hat, ist diese vermeintliche Kurzschlussreaktion knapp 24 Stunden später nur auf den ersten Blick überraschend. Auch wenn der 57-Jährige nur ganz selten Einblicke in den Menschen hinter dem Trainer Favre zugelassen hat.

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Favre ist unbestritten ein Fußball-Professor, Fußball-Verrückter, Fußball-Fachmann. Der Schweizer, grau-meliert und mit einem spitzbübischen Lächeln, ist ehrgeizig, dabei aber auch immer Realist. Manchmal ein bisschen zu sehr. Ein typischer Kopfmensch. (Reaktionen auf Favres Rücktritt)

Akribisch und perfektionistisch

Er sucht mit einer beeindruckenden Akribie dauerhaft nach der Perfektion des Spiels, wohl wissend, diese nicht finden zu können. Genauso akribisch und besessen verfolgt er seine Philosophie, von der er nie abweicht.

Ein Perfektionist eben.

Immer wieder Zweifel

Und nicht untypisch für einen Perfektionisten stellt Favre seine eigenen Entscheidungen gerne in Zweifel, wägt wieder und wieder ab, hadert. Zuletzt war das auch nach einer Pressekonferenz zu erleben, nach der Favre auch für die TV-Mikros klar vernehmbar von einem Mitarbeiter der Pressestelle wissen wollte, ob er denn "gut" gesprochen habe.

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Er ist ein Perfektionist mit zwei Seiten. Viel Genie, aber auch ein bisschen Wahnsinn.

Da ist der Mensch Favre, von dem rund um den Verein praktisch alle schwärmen, wie höflich er im Umgang ist. Der sich nach anfänglichen Missverständnissen durch sprachliche Barrieren mit der Zeit ein wenig geöffnet, verändert, auch als Mensch weiterentwickelt hat. Auch wenn ihn das unrühmliche Ende seiner Trainerzeit in Berlin 2009 mit einer eigenmächtig einberufenen Pressekonferenz geprägt hat.

Doch da gibt es auch den Trainer Favre. Der die Spieler besser machte, dem Verein die erfolgreichsten Jahre seit Jahrzehnten bescherte. Dem die berechtigten Lobhudeleien für seine Arbeit und die Liebesbekundungen der Fans immer unangenehm waren. Der sich ungern in seinem Erfolg sonnte, war der auch noch so nachhaltig und beeindruckend.

Dickkopf mit Hang zum Pessimismus

Favre ist ein Trainer, an dem man sich reiben kann und auch muss, der als kauzig gilt, bisweilen schwierig im Umgang, eigen und eigenwillig ist. Mit seiner zaudernden und stets zweifelnden Art auch Manager Max Eberl schon oft auf die Palme brachte. Ein Dickkopf, mit einem Hang zum Pessimismus.

Eben ganz anders als viele anderen in dem Geschäft. Einer, der keine Durchhalteparolen schwingt, aber auch keine emotionalen Brandreden hält. Favre ist ein Trainer, der punktgenau analysiert und seine Schlüsse zieht.

Es ist allerdings ein offenes Geheimnis, dass der Schweizer während seiner Ära in Gladbach schon mehrmals mit einem Rücktritt kokettiert hat. (Social Media Echo zu Favres Rücktritt)

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Auch dieses Mal überzeugen?

"Wir haben gehofft, dass wir ihn auch dieses Mal überzeugen können, bei uns und mit uns weiterzumachen", wurde Präsident Rolf Königs in der Pressemitteilung zitiert. Ein Satz, der tief blicken lässt. Der zeigt, dass der Schweizer schon öfter die Brocken hinschmeißen wollte.

Die Art und Weise seines eigenmächtigen Abgangs mag für viele nun nicht logisch sein. Egoistisch und feige, unrühmlich. Eine Flucht im ersten Moment, in dem es mal nicht läuft. Nicht zu unrecht. Über die genauen Gründe kann derzeit auch nur spekuliert werden.

Wollte er einer für ihn entwürdigenden Entlassung wie damals in Berlin zuvorkommen? Hatte er die ständigen Abgänge seiner Leistungsträger satt? Sah er deshalb keine Basis mehr für eine sportliche Weiterentwicklung? Fühlte er sich ausgebrannt?

Nicht der perfekte Trainer

"Ich habe nicht mehr das Gefühl, der perfekte Trainer für Borussia Mönchengladbach zu sein", teilte Favre nur mit.

Doch vom Mythos Borussia Mönchengladbach und einer Entscheidung für Borussia und die Zukunft zu sprechen, dabei aber gleichzeitig am Verein vorbei und gegen den ausdrücklichen Willen der Verantwortlichen zu handeln und den Klub unmittelbar vor vier Spielen in den kommenden zwei Wochen vor ein mittelschweres Problem zu stellen und die Krise so zu verschärfen, ist ein Widerspruch in sich.

Für Favre ist es aber offenbar konsequent. Genie und Wahnsinn eben.