Sie trugen gemeinsam das blaue Dress der italienischen Nationalmannschaft und das schwarzrote Trikot des AC Milan: Aldo Serena und Carlo Ancelotti.
Serena: Ancelotti flexibler als Pep
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Serena arbeitete nach seiner Karriere als TV-Kommentator, Ancelotti wurde indes zum erfolgreichsten Trainer in der Champions-League-Historie. Nun heuert er im Sommer beim FC Bayern an.
Im SPORT1-Interview spricht Weggefährte Serena über Ancelottis Entwicklung und über dessen besondere Arbeitsweise als Trainer, dem die Stars vertrauen.
SPORT1: Herr Serena, Sie haben unter anderem 1990 zusammen mit Carlo Ancelotti in der italienischen Nationalmannschaft gespielt. Was für ein Typ war er damals?
Aldo Serena: Er war ein sehr starker Mittelfeldspieler mit einem harten Schuss. Wir standen in der Squadra Azzurra zusammen auf dem Platz und als ich zu Milan kam, hat er dort das letzte Jahr seiner Karriere verbracht. Er hat sich von Arrigo Sacchi beeinflussen lassen, als Trainer ist er aber ganz anders. Selbst unter Druck gelingt es ihm mal einen Witz zu machen und heiter zu bleiben und dem Klub und Team Gelassenheit zu geben. Er ist ein sehr ausgeglichener Typ.
SPORT1: Hätten Sie damals gedacht, dass aus ihm ein großer Trainer wird?
Serena: Ehrlich gesagt hätte ich sogar darauf gewettet (lacht).
SPORT1: Und glauben Sie, dass er der Richtige für den FC Bayern ist?
Serena: Ja, er hatte jetzt eine Pause von einem Jahr. Carlo hat dreimal die Champions League geholt, er ist ein Trainer für eine große Mannschaft und er weiß, wie man mit Stars umgeht. Er versteht es, das Gute seiner Vorgänger beizubehalten, nicht alles wegzuwerfen, um seine eigene Idee durchzusetzen.
SPORT1: Sie sprechen es an, Ancelotti gilt als beliebt bei den Spielern. Wie arbeitet er?
Serena: Nach einem didaktischen und strengen Trainer wie Pep Guardiola wird Ancelotti jetzt bei Bayern gut passen. Er ist ein umgänglicher Coach, einer, der bei den Spielern vermitteln kann, viel mit ihnen spricht. Was die Taktik anbetrifft, ist er auch nicht so unnachgiebig wie Guardiola, sondern aus meiner Sicht flexibler. Guardiola oder Louis van Gaal haben eine Idee vom Spiel im Kopf. Dafür wollen sie genau die Spieler, nicht unbedingt Champions, sondern Spieler, die ihnen folgen und eben bestimmte Dinge können. Ancelotti gefällt es dagegen mit Stars zu arbeiten, er gibt ihnen Freiheit und versucht Druck wegzuhalten. Sein Spiel findet er über die Qualitäten seiner Stars.
SPORT1: Kann man sogar sagen, er sieht den Fußball weniger verbissen und etwas leichter als Guardiola?
Serena: Nein, das würde ich nicht sagen. Fußball ist seine Passion, er macht das auf einem sehr hohen Niveau sehr gut, aber er ist eben flexibel, was seine Spielphilosophie anbetrifft. Er ist ein Trainer, dem die Psychologie sehr wichtig ist.
SPORT1: Was hat Ihren früheren Mitspieler aus Ihrer Sicht in seiner Trainerkarriere besonders beeinflusst?
Serena: Die Niederlage mit Milan im Champions-League-Finale gegen Liverpool 2005 war sicher die größte Enttäuschung für ihn. Das tut weh, drei Tore in einer Halbzeit zu bekommen, wenn man zur Pause 3:0 führt. Doch er ist daran gewachsen. Er ist ein Trainer, der nie aufgibt. Auch harte Niederlagen hinterlassen bei ihm keine Spuren, er verarbeitet das gut.
SPORT1: Er spricht kein Deutsch. Wie hoch schätzen Sie diese Hürde ein?
Serena: So wie Trapattoni wird es ihm nicht gehen (schmunzelt). Und auch nicht wie Nevio Scala in seiner Zeit bei Borussia Dortmund. Dabei hat Scala sogar eine deutsche Frau und hätte Gelegenheit gehabt zu üben. Ancelotti hatte damals keine Fremdsprachen gesprochen als Spieler, doch dann ging er nach Frankreich und hat Französisch gelernt, in Spanien bei Real dann Spanisch. Jetzt hat er sechs Monate Zeit, um Deutsch zu lernen. Das ist schon mal eine Basis. Für ihn ist die Sprache sehr wichtig, er ist ein Trainer, der auch über die Psychologie geht, nicht nur über das Training.
SPORT1: Passt denn die deutsche Kultur zu ihm?
Serena: Ach, er hat sich in Frankreich, England und Spanien angepasst. Das wird ihm auch beim FC Bayern gelingen, denn der FC Bayern ist ein gut geführter Klub in einem guten Umfeld. Das Publikum verlangt aber viel: Es will nicht durch die Meisterschale, sondern das Triple. Vielleicht ergeht es Ancelotti wie Guardiola nach Heynckes: Er muss das Team nach dem Triple weiterführen, das wäre ziemlich schwierig.