Dietmar Beiersdorfer wollte am Montag eigentlich voller Euphorie den großen Hoffnungsträger des Hamburger SV präsentieren. Jemand, der sofort einen "Schub auslöst", wie es der Vorstandsvorsitzende formulierte. Doch der neue Mann selbst gab sich lieber erst einmal zurückhaltend.
Wie Gisdol den HSV flottmachen will
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"Der HSV ist ein Brett. Ein wahnsinnig geiler Klub."
Das war schon die einzig richtig starke Aussage von Markus Gisdol bei seiner Vorstellung. Ansonsten hielt sich der Nachfolger von Bruno Labbadia auffällig zurück. Das gilt auch für seine persönliche Planung. Gisdol unterschrieb zunächst nur einen Vertrag bis zum Saisonende.
Er wolle sich "erst einmal ein Bild machen", erklärte er diese Entscheidung. Gisdol hat viel zu tun beim in dieser Saison immer noch sieglosen HSV. Der neue Mann am Ruder muss sich gleich um drei Baustellen auf einmal kümmern.
Spielerische Defizite abstellen
Gisdol kann allerdings nicht sofort loslegen mit dem in unter ihm bei der TSG Hoffenheim zelebrierten Offensivfußball. Aggressives Pressing und schnelles Umschaltspiel - dafür ist die Mannschaft personell einfach zu schwach besetzt. Im Kader des HSV stehen nur drei nominelle Stürmer: Bobby Wood, Luca Waldschmidt und Pierre-Michel Lasogga.
Damit lässt sich die offensive Spielweise Gisdols, der in Hoffenheim oft mit drei Angreifern agieren ließ, nicht umsetzen. Zumal Lasogga Fitnessdefizite aufweist. Zudem fehlt dem HSV ein zweiter starker Sechser, der als Abfangjäger fungieren und zugleich blitzschnell den Gegenangriff initiieren kann. Diese Anforderung erfüllt höchstens Albin Ekdal.
Gleiches gilt für die Torhüterposition. Auch wenn Rene Adler gegen den FC Bayern seine glänzenden Fähigkeiten auf der Linie herausragend unter Beweis stellte, ist er kein Torwart moderner Prägung. Ein schnelles Spiel von hinten raus ist aufgrund seiner limitierten fußballerischen Fähigkeiten nicht möglich. Die Innenverteidiger Johan Djourou und Cleber weisen ebenfalls technische Defizite auf.
Gisdol muss also zunächst Kompromisse eingehen, was sein taktisches Konzept angeht. So erklären sich auch seine vorsichtigen Aussagen auf der Pressekonferenz. "Ich kann keine sofortigen Ergebnisse versprechen", sagte der 47-Jährige. Seine Idee vom Fußball lässt sich wohl erst in der Rückrunde – nach weiteren Verstärkungen in der Winterpause – realisieren.
Zuvor gilt für Gisdol die Politik der kleinen Schritte: "Wir werden Stück für Stück versuchen, unsere Idee vom Fußball umzusetzen."
Positive Stimmung erzeugen
Gisdol geht es zunächst ohnehin gar nicht so sehr um sportliche Ziele. Er halte nichts davon, "große Versprechungen und Sprüche zu machen". Er will erst einmal einen Stimmungsumschwung schaffen. "Wir müssen es schaffen, etwas Leichtigkeit in die Köpfe reinzubekommen und den Spielern die Last, den Rucksack abnehmen."
Auffällig war, wie Gisdol im ersten Training am Montagnachmittag mit den Spielern scherzte und so zum Beispiel das kroatische Toptalent Alen Halilovic zum Lachen brachte. Der 20-Jährige war im Sommer für 5,5 Millionen Euro vom FC Barcelona gekommen, spielte aber unter Gisdols Vorgänger Bruno Labbadia nur ganze 62 Minuten in der Bundesliga.
Mit dem unruhigen Umfeld zurechtkommen
Gisdol weiß, was auf ihn beim HSV zukommt. Wie in Hoffenheim gibt es auch in Hamburg mit Klaus-Michael Kühne einen mächtigen Investor, von dem der Verein ein Stück weit abhängig ist. Darüber hinaus wollen viele Leute im sportlichen Bereich mitreden - von Spielerberatern bis hin zu Funktionären.
"Jeder Verein hat sein eigenes Innenleben. Diesen Dingen fügt man sich als Trainer", sagte Gisdol dazu pragmatisch. Mit anderen Worten: Er will sich zunächst auf seinen Job konzentrieren, mit erfolgreicher Arbeit das turbulente Hamburger Umfeld beruhigen und die Mannschaft in ruhigeres Fahrwasser führen.