Was Joachim Löw vor dem WM-Qualifikationsspiel in Aserbaidschan machte, hatte mit flüstern wenig zu tun. Einen Spielerflüsterer darf man den Bundestrainer dennoch getrost nennen.
Schürrles Ego-Boost als Trumpf im Derby?
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Denn Andre Schürrle, dem er vor der Partie öffentlich Torgefährlichkeit, Dynamik und Fitness bescheinigte, zeigte beim Sieg gegen den krassen Außenseiter genau diese Attribute.
Zwei Tore schoss der Angreifer - eines davon mit einer Erbarmungslosigkeit, die man zuletzt selten beim 26-Jährigen gesehen hat. Das 2:1 durch Thomas Müller legte er nach eigener Balleroberung mit einem Steilpass vor.
Die beste Leistung auf dem Platz war ein Dank an Löw. Er fühle sich "pudelwohl" bei der DFB-Elf. Auch, weil ihm der Bundestrainer "öffentlich das Vertrauen" schenke.
Andere Vorzeichen in Dortmund
Den Glauben an seine Fähigkeiten vermisste Schürrle zuletzt bei der alltäglichen Arbeit im Klub. "Wenn man wenig spielt, fehlt etwas das Vertrauen", sagte der schnelle Flügelspieler über seine Situation bei Borussia Dortmund.
Unter Thomas Tuchel sitzt der 30-Millionen-Zugang häufig auf der Bank. Die Nationalmannschaft als Therapie? Nicht für Schürrle.
"Mir sind keine Steine vom Herzen gefallen", sagte er und versicherte den Glauben an die eigenen Fähigkeiten, allerdings werde seine Situation beim BVB "ein bisschen zu negativ" gesehen. Deutliche Kritik nach dem Ego-Boost gegen Aserbaidschan.
In Dortmund nimmt man die Aussagen gelassen hin. "Wir haben in der Offensive einen sehr großen Konkurrenzkampf", wird BVB-Sportdirektor Michael Zorc bei Reviersport zitiert.
Die Zahlen im Dortmund-Trikot sprechen nicht gerade für Schürrle. In 13 Pflichtspielen in 2017 spielte er lediglich viermal von Beginn an, insgesamt kommt er im BVB-Dress bisher auf fünf Tore und vier Assists in 25 Pflichtspielen.
Konkurrenz beim BVB enorm
Für Schürrle sind die Konkurrenten zurzeit zu stark. Pierre-Emerick Aubameyang ist unantastbar, Ousmane Dembele zeigt mit 19 Jahren häufiger Überraschungsmomente als Schwankungen und auch nach dem Muskelfaserriss von Marco Reus fand Tuchel Christian Pulisic offenbar passender für sein System.
"Mit Aubameyang, Pulisic, Reus und Dembele haben wir aktuell insgesamt fünf Top-Spieler für drei Positionen", stellte auch BVB-Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke in der Bild klar, "da war es für Andre zuletzt nicht immer einfach".
Der harte Konkurrenzkampf eines Champions-League-Teilnehmers eben, den Watzke sogar über den beim Nationalteam stellt.
"Grundsätzlich ist es einfacher, Einsatzzeiten bei der Nationalelf als etwa bei Bayern oder Dortmund zu bekommen", meinte der BVB-Boss, der sich zugleich sicher ist, dass sich Schürrles Situation beim BVB "auch mal wieder ändern" wird.
Darauf setzt auch Sportdirektor Zorc: "Wir haben ihn ja nicht nur für ein halbes Jahr verpflichtet und hoffen, dass ihm die Tore weiteres Selbstvertrauen geben, damit er auch bei uns weiter angreift."
Revierderby steht bevor
Das will Schürrle selbstredend machen. "Ich werde in Dortmund weiterhin alles geben, wenn ich die Chance bekomme", sagte er. Bis dahin bleibt vorerst die Joker-Rolle. Auch im nächsten Bundesliga-Spiel? Dann geht es zum FC Schalke 04. Revierderby.
"Es ist mein erstes Derby auf Schalke. Da ist immer Brisanz drin, da freue ich mich drauf", sagte Schürrle nach dem Länderspiel. Als Schalke zu Besuch war in Dortmund, spielte er elf Minuten.
Vielleicht belohnt Tuchel Schürrle nach seinem Auftritt im DFB-Dress mit mehr Minuten und dem nötigen Vertrauen - und Schürrle seinen Trainer im Gegenzug mit besonders wichtigen Derbytoren.
Bei Löw hat das ja schon einmal vorzüglich funktioniert.