Es war der legendäre italienische Sommer 1990, den Rockröhre Gianni Nannini in ihrem unvergessenen WM-Hit "Un estate italiana" besang.
"Jeder war fokussiert auf den Titel"
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Lothar Matthäus war in der Form seines Lebens und führte das DFB-Team zum dritten WM-Titel nach 1954 und 1974.
Nach dem 1:0-Sieg im Finale gegen Argentinien am 8. Juli lagen sich die Deutschen zu Hause in den Armen und machten die Nacht zum Tage.
Es war auch der Titel einer wiedervereinten Nation, West und Ost feierten den Coup nach dem Fall der Mauer im Jahr zuvor gemeinsam.
Die deutsche Mannschaft war damals die stärkste des Turniers. Fünf Spieler waren in der zu dieser Zeit besten Liga der Welt, der italienischen Serie A beschäftigt. Neben Matthäus trugen auch Andreas Brehme und Jürgen Klinsmann das Trikot von Inter Mailand. Rudi Völler und Thomas Berthold spielten für den AS Rom.
Nun jährt sich der Titelgewinn von 1990 zum 25. Mal. Anlässlich des Jubiläums blickt SPORT1-Experte Thomas Berthold im Interview nochmal zurück.
SPORT1: Herr Berthold, heute jährt sich der WM-Titel vom 1990 zum 25. Mal. Wie und wo feiern Sie mit Ihren Teamkollegen von damals?
Berthold: Wir treffen uns am Ort des damaligen letzten Trainingslagers am Kalterer See. 16, 17 Spieler haben zugesagt.
SPORT1: Schon während dieses Trainingslagers soll das Team ja vom Titelgewinn überzeugt gewesen sein...
Berthold: Das war definitiv bei uns allen so. Wir waren 1990 Topfavorit, die Mannschaft hatte eine enorme Qualität.
SPORT1: Nennen Sie uns doch drei Gründe, warum es damals mit dem Titel geklappt hat.
Berthold: Erstens: Jeder Spieler war fokussiert auf den Titel. Zweitens: wir waren auf den Punkt fit. Wir haben vor der WM viel regenerativ gearbeitet. Das war gerade für uns Italien-Profis nach einer langen Saison wichtig. Aber zum Auftakt waren wir topfit. Das ist das Entscheidende bei einem solchen Turnier. Drittens: Wir hatten während des Turniers eine sehr schöne Unterkunft am Comer See, das spielt eine wichtige Rolle, dass man sich von Anfang an wohlfühlt.
SPORT1: Wie groß war der Anteil von Teamchef Franz Beckenbauer am Titelgewinn?
Berthold: Das ist natürlich immer schwer zu sagen. Aber der Trainer spielt eine ganz wichtige Rolle bei einem solchen Turnier. Er muss dafür sorgen, dass er über vier Wochen die Spannung aufrecht erhält. Diejenigen, die hinten dran stehen, muss er auch bei Laune halten. Denn wenn einer aus der Stammelf verletzt ausfällt oder gesperrt ist, dann muss ein anderer in die Bresche springen. Das ist Franz Beckenbauer gelungen.
SPORT1: Wie haben Sie sich zwischen den Spielen bei Laune gehalten? Die Playstation gab es ja damals noch nicht…
Berthold: Das ist richtig (lacht). Wir waren zum Beispiel beim Wasserskifahren. Die drei aus Mailand sind ab und zu zu sich nach Hause gefahren. Da bin ich dann am Nachmittag auch mal mit zum Lothar (Matthäus, Anm. d. Red.) oder zum Andy (Brehme, Anm. d. Red.).
SPORT1: Es jährt sich noch etwas anderes am 8. Juli. Das deutsche 7:1 gegen Brasilien im Halbfinale der WM 2014. War das das beste deutsche Länderspiel aller Zeiten?
Berthold: Es hat vor allem gezeigt, wie viele Probleme der brasilianische Fußball eigentlich hat. Wenn du als Gastgeber der WM im Halbfinale sieben Stück kriegst…
SPORT1: Also kam der hohe Sieg vor allem durch die Schwäche der Brasilianer zustande?
Berthold: Die waren ja so schwach, so desolat, da hatten wir 1990 andere Kaliber als Gegner, die Holländer als amtierender Europameister im Achtelfinale mit drei Spielern vom Europacup-Champion AC Mailand, auch die Engländer im Halbfinale waren bärenstark.