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Italien-Coach Antonio Conte: Der fluchende Sektenführer

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Italien-Coach Antonio Conte: Der fluchende Sektenführer

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Verhasst in der eigenen Heimatstadt

Überall wo Antonio Conte ist, ist Ärger - und Erfolg. Auch Italien hat er nach seinem Bilde geformt. Gegen Deutschland steht er vor seiner größten Aufgabe.
Italien Deutschland EM 2016 Antonio Conte
Italien Deutschland EM 2016 Antonio Conte
© Imago

Antonio Conte stammt aus Lecce, einer prächtigen Stadt am Meer mit vielen hübschen barocken Kirchen am Absatz Italiens. Den Leccesi wird nachgesagt, ironische Melancholiker zu sein, die sich selbst nicht allzu wichtig nehmen. 

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Gemein ist den Leccesi außerdem, die Leute aus dem 140 Kilometer nördlicher gelegenen Bari, der ebenso prächtigen Stadt am Meer mit vielen hübschen romanischen Kirchen, nicht sonderlich zu mögen. 

Die Abneigung der Bewohner der beiden großen Städten Apuliens ist gegenseitig und dauert seit Jahrhunderten an.

Von Antonio Conte, der offenbar schon vor seiner Zeit als Trainer der Squadra Azzurra den Anspruch hatte, das Unmögliche möglich zu machen, heißt es, er sei der der einzige Leccese, den sie in Bari lieben.

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Seit fast 20 Jahren unten durch

In seiner Heimatstadt ist er bei vielen jedoch schon seit fast 20 Jahren unten durch.

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Das eine hat damit zu tun, dass er den AS Bari als Trainer 2009 überraschend in die Serie A führte. Die andere Geschichte sagt noch mehr über den Ehrgeiz Contes aus, der nun im EM-Viertelfinale gegen Deutschland vor seiner bisher größten Aufgabe als Trainer steht.

1997 erzielte Conte für Juventus das entscheidende 2:1 im Ligaspiel gegen US Lecce und jubelte daraufhin, als ob er gerade Weltmeister geworden wäre. Conte begründete den ausgelassenen Jubel gegen seinen Heimatklub später damit, dass er sich einfach gefreut habe, nach einer langen Verletzung endlich wieder auf dem Platz gestanden zu haben. 

In Lecce ist der größte Fußballer, den die Stadt je hervorgebracht hat, seitdem unten durch. 

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Gerade mal 16 war Conte, als er 1986 mit Lecce sein Debüt in der Serie A feierte. Kein Samtfuß, aber ein Juwel mit Pferdelunge und Kämpferherz, gesegnet mit einem strammen Schuss, viel Temperament und noch mehr Willen. 

Dorthin, wo es wehtut

Einer, der auf dem Platz dorthin ging, wo's wehtut, seine Mitspieler antrieb, auch mal fluchte, wenn mal was nicht klappte. Am nächsten Morgen ging er brav zur Schule. 

Sein Abi schloss er mit Prädikat ab, dann wechselte er zu Juve, wurde Nationalspieler, Meister, Champions-League-Sieger, Kapitän und sogar: Publikumsliebling.

Antonio Conte wurde als Spieler fünfmal italienischer Meister und gewann 1997 die Champions League
Antonio Conte wurde als Spieler fünfmal italienischer Meister und gewann 1997 die Champions League

"Wenn ich einen Leader brauchte für meine Mannschaft, war Conte mein erster Ansprechpartner", schrieb Bayerns neuer Trainer Carlo Ancelotti in seiner EM-Kolumne im Telegraph. Zwei Jahre arbeiteten Ancelotti und Conte bei Juve zusammen, "er beobachtete genau, was ich tat, stellte viele Fragen. Ich wusste, dass er einmal Trainer werden würde", so Ancelotti.

Das geschah dann 2004. Nach je einem Jahr Ausbildung und einem als Assistenztrainer in der Serie A bei Siena, ging er nach Arezzo in die Serie B. Vom Juve-Kapitän zum Cheftrainer in zwei Jahren. Dann: Bari, Atalanta, wieder Siena. Und endlich: Juventus. 

Martialische Sprüche und höchstes Niveau

Überall martialische Sprüche, überall Mannschaften auf höchstem taktischen Niveau. Dreierketten, Viererketten, Fünferketten, Pressing, wenige Tore, noch weniger Gegentore. Überall Erfolg, überall Flüche, überall Ärger mit gegnerischen Trainern. 

"Bei bestimmten Dingen geht er keine Kompromisse ein. Er verlangt von seinen Spielern, dass sie ihm bedingungslos folgen, der Mannschaftsgeist steht bei ihm über allem."

Nur Zufall, dass Conte und Atletico Madrids Diego Simeone den gleichen Kleidungsstil haben? Jede Farbe erlaubt, solange sie schwarz ist?

"Er hat keine Probleme damit, seine Meinung zu sagen und anzuecken. In seinem Weltbild bist du entweder auf der Seite der Mannschaft oder gegen sie. Es gibt keinen Mittelweg", so Ancelotti. 

Wer nicht für Conte ist, ist gegen ihn

2014 übernahm der fluchende Sektenführer die Azzurri - und tat einfach weiter so, als ob er noch eine Vereinsmannschaft trainieren würde. "Wir können keinen Erfolg haben, wenn wir wie eine Auswahl aus einzelnen Spielern agieren."

Das bläute er seinen Spielern vom ersten Tag an ein - und nominierte nicht unbedingt die besten Spieler, sondern die, die am besten in sein System passten und ihm am bedingungslosesten folgten. 

Wer nicht für uns ist, ist gegen uns. Euer Hass ist unsere Antrieb. Und plötzlich spielt diese Conte-Mannschaft ein furioses Turnier. Und kann plötzlich wieder Deutschland rauswerfen. 

"Conte ist ein großer, ein großartiger Trainer. Der beste bei dieser EM. Er hat der Mannschaft nicht nur ein System, sondern eine klare Handschrift gegeben", sagt Ancelotti. 

Und Conte selbst? "Das Leben wird nur für die Gewinner weitergehen", sagte er am Freitag. "Vor vier Wochen glaubten doch alle, dass es hier für uns sehr dunkle Tage geben würde, aber wir haben mit harter Arbeit, Organisation und 23 Topspielern gezeigt, dass wir Hindernisse überwinden können. Gegen Spanien haben wir Außerordentliches geleistet. Und am Samstag müssen wir Unglaubliches leisten!"

Und vielleicht lieben ihn dann auch seine Leute in Lecce wieder.