Hallo Handball-Fans,
"Big Point ist noch völlig untertrieben"
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Deutschlands Auftaktsieg bei der WM war für mich wirklich eine Überraschung, denn Polen war der Favorit. Wir haben gegen einen Gegner gewonnen, den wir nicht schlagen müssen.
Und das Wichtigste ist: Die Mannschaft hat mit dem sensationellen Sieg nun das Maximum an Selbstvertrauen zum jetzigen Zeitpunkt. Auch in kritischen Situationen, wie beim 20:20, hat das Team die Nerven behalten. Das zeigt, dass die Mannschaft einen Reifeprozess durchläuft.
Wenn man jetzt von einem Big Point spricht, ist das noch völlig untertrieben. Auch wenn ich wusste, dass die Mannschaft gut sein und mit allen Gegnern mithalten kann: Mit diesem Erfolg hatte ich nicht gerechnet. (DATENCENTER: Ergebnisse und Tabellen)
Ich bin positiv überrascht von dieser Mannschaft. Jeder im Team kennt seine Aufgabe und alle feuern sich an. Das ist ein Zeichen, dass die Mannschaft offenbar ein echtes Team ist und Bundestrainer Dagur Sigurdsson bei der Zusammensetzung nicht viel falsch gemacht hat.
So ein Spiel wie gegen Polen hätten wir vor einem halben Jahr noch verloren. Nun behalten die Jungs selbst in den entscheidenden Phasen die Nerven. (SHOP: Jetzt Handball-Artikel kaufen)
Die Nervenstärke der Mannschaft resultiert aus dem Selbstvertrauen, das sie sich in erster Linie aus ihrer aggressiven Abwehr holt. Dass die Mannschaft dieses Selbstvertrauen hat und es auch zeigt, ist der einzige Unterschied zu den Jahren zuvor.
er kleine Hänger, als die Polen in der zweiten Hälfte aufholten, macht wir keine Sorgen. Wir haben auch da taktisch nie unsere Linie verloren und den Ball schnell laufen lassen. Leider häuften sich zu diesem Zeitpunkt aber die Fehlwürfe.
Wenn wir beim Abschluss in Zukunft noch konsequenter agieren, werden wir solche Hänger nicht mehr haben.
Wir sollten jetzt auch keine Torhüterdiskussion beginnen. Wir haben drei tolle Torhüter und man muss immer unterscheiden, wer welche Würfe bekommen hat.
Bei Silvio Heinevetter stand unsere Abwehr zu Beginn nicht optimal, weshalb er sich nicht auszeichnen konnte. Im weiteren Turnierverlauf werden wir noch alle drei Torhüter brauchen.
Die Spieler werden sagen, dass sie nur als Team stark sind - und das ist auch richtig. Aber Steffen Weinhold hat gegen Polen wirklich überragend gespielt. Im Eins-gegen-Eins ist er ein unfassbar guter Spieler. Wir haben auch gesehen, wie er das Spiel an sich zieht und Würfe nimmt, die sonst keiner kann.
Trotz des tollen Erfolgs gegen Polen wird das Team sicher keine große Party feiern.
Der Fokus liegt jetzt schon wieder auf Russland, das ein unangenehmer Gegner sein wird. Denn erreicht ist noch nichts. Das Achtelfinale ist das große Ziel.
Dafür haben wir mit dem Sieg gegen Polen aber einen ersten großen Schritt getan.
Bis zum nächsten Mal,
Euer Kretzsche
Stefan Kretzschmar, 41, ist seit 2009 als Experte und Co-Kommentator das Handball-Gesicht von SPORT1. Der neben Heiner Brand wohl bekannteste deutsche Handballer hat in 218 Länderspielen 817 Tore für den DHB erzielt, gewann unter anderem Olympia-Silber in Athen 2004. In der Bundesliga war der ehemalige Weltklasse-Linksaußen für den SC Dynamo Berlin, Blau-Weiß Spandau, den VfL Gummersbach und zuletzt den SC Magdeburg aktiv, mit dem er 2002 die Champions League gewann. Bei SPORT1.de analysiert "Kretzsche" wöchentlich in seiner Kolumne das Handball-Geschehen.