Keine Korruption, kein Skandal, keine Neuvergabe: Die offizielle Untersuchung der Bewerbungsprozesse für die Fußball-WM 2018 in Russland und 2022 in Katar ist ins Leere gelaufen.
Blatter reingewaschen - Garcia droht
Die Ethikkommission des Weltverbandes FIFA fand keine Beweise, die eine erneute Ausschreibung und Vergabe der kommenden beiden Endrunden rechtfertigen würden - der deutsche Richter Joachim Eckert, Vorsitzender der rechtsprechenden Kammer, sprach jedoch mehrere "Tadel" aus.
"Die Untersuchungskammer hat weder Vergehen noch Verstöße gegen die maßgebenden Bestimmungen und Regelungen festgestellt", heißt es in der von Eckert unterschriebenen Stellungnahme.
Der Münchner Richter hatte den Untersuchungsbericht von Chefermittler Michael J. Garcia seit Anfang September ausgewertet und regt unter anderem eine Reform des Vergabeprozesses für künftige WM-Turniere an. Die endgültige Entscheidung darüber liegt in den Händen des FIFA-Exekutivkomitees um Präsident Joseph S. Blatter.
Garcia droht Berufung an
Offenbar war die Interpretation des Berichts aber nicht mit Garcia selbst abgesprochen. Wie mehrere Medien berichten, bemängelte der frühere FBI-Direktor in einer Reaktion auf die Veröffentlichung "zahlreiche unvollständige und fehlerhafte Darstellungen der Tatsachen und Schlussfolgerungen" und kündigte eine Berufung an.
Die Äußerungen des Amerikaners deuten nicht nur auf einen drohenden Bruch innerhalb der FIFA-Ethikkommission hin, deren Untersuchungskammer er leitet. Sie werden wohl auch dafür sorgen, dass sich das FIFA-Exekutivkomitee auch weiterhin mit Korruptionsvorwürfen befassen muss.
Kritik an Katar und Russland
Auch die massive Kritik an beiden Turnieren wird kaum abnehmen. Erst am Mittwoch hatte die Menschenrechtsorganisationen Amnesty International dem Wüstenstaat Katar erneut ein vernichtendes Zeugnis ausgestellt - immer wieder schockieren Berichte von unmenschlichen Arbeitsbedingungen am Persischen Golf die Weltöffentlichkeit.
Russland 2018 war zuletzt im Zuge der Ukraine-Krise und des Hardliner-Kurses von Präsident Wladimir Putin auch von deutschen Politikern infrage gestellt worden.
Ermittlungen gegen FIFA-Offizielle?
Die Ethikkommission betonte, sich die Eröffnung von Ermittlungsverfahren gegen einzelne FIFA-Offizielle offen zu halten. Namen wurden in der 42-seitigen Stellungnahme nicht genannt, der komplette "Garcia-Report" dürfte aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht veröffentlicht werden.
Zwar seien "bestimmte Vorfälle" im Zuge der Bewerbungen identifiziert worden, teilte Eckert mit, "die Einflüsse auf die Vergabe als Ganzes sind weit davon entfernt, eine neue Ausschreibung notwendig zu machen".
Tadel für Verlierer
Getadelt wurden unter anderem die unterlegenen Bewerber aus Australien und England - der Austausch von kleineren Geschenken schien durchaus üblich gewesen zu sein.
Die Endrunden in vier und acht Jahren waren am 2. Dezember 2010 erstmals im Doppelpack vergeben worden. Schon damals gab es für dieses Verfahren massive Kritik, weil so Absprachen und Stimmentausch Tür und Tor geöffnet wurden.
Von den 22 stimmberechtigten Mitgliedern des FIFA-Exkos sind noch zwölf im Amt, aus Deutschland votierte Franz Beckenbauer (bis 2011 im Exko).
Lob für Blatter
Blatter, der im kommenden Jahr in seine fünfte Amtszeit gewählt werden will, wurde von der Ethikkommission ausdrücklich gelobt. Der 78-Jährige verdiene "Anerkennung" für die Kooperation der FIFA mit den Ermittlern, schrieb Eckert.
Das katarische Organisationskomitee sprach von "einer fairen und angemessenen Bewertung, die die Integrität und Qualität unserer Bewerbung demonstriert".
Auch aufgrund der wachsenden öffentlichen Kritik beauftragte der Weltverband 2012 den früheren "Mafia-Jäger" Garcia mit der Aufklärung der Korruptionsvorwürfe. Der frühere US-Staatsanwalt, dem exzellente Kontakte zum FBI nachgesagt werden, hatte insgesamt 75 Zeugen befragt und über 200.000 Seiten Material gesichtet.
Sperre gegen Beckenbauer aufgehoben
In Deutschland sorgte vor allem die Sperre für Beckenbauer für Aufsehen. Der "Kaiser" war wegen "mangelnder Kooperation" von der FIFA während der WM in Brasilien provisorisch gesperrt worden. Erst anschließend hatte er die Fragen Garcias beantwortet, die Sperre wurde daraufhin zügig aufgehoben.
Beckenbauer hatte erklärt, die in "Juristen-Englisch" gestellten Fragen nicht richtig verstanden zu haben. Eine Befragung auf Deutsch sei abgelehnt worden.
Am 5. September hatten Garcia und dessen Stellvertreter Cornel Borbely ihren Untersuchungsbericht an Eckert weitergeleitet. Der deutsche Richter betonte zwischenzeitlich, "nur vier Personen" hätten das Ergebnis der Untersuchung gesehen.
Ob und in welchem Umfang mögliche Ermittlungen des FBI, das laut Medienberichten sogar einen Spitzel ins FIFA-Exko eingeschleust hatte, der Ethikkommission zugänglich gemacht wurden, ist offen.
Aufregung vor WM
In den öffentlichen Fokus gerückt war die Untersuchung kurz vor der WM 2014 in Brasilien, als britische Zeitungen seitenweise vermeintliches Beweismaterial veröffentlichten.
Die Schlüsselfigur in den "Katargate"-Berichten war der frühere FIFA-Funktionär Mohamed Bin Hammam (Katar), der bereits 2011 überführt worden war, sich im Präsidenten-Wahlkampf gegen Blatter Stimmen gekauft zu haben.
Die Trennung der Beweise für diese Bestechung und für den vermeintlichen Stimmenkauf für die WM-Vergabe galt als schwerste Aufgabe der Ethikkommission.
Am Ende reichte aber offenbar das belastende Material nicht aus, um eine Neuvergabe der WM-Endrunden in die Wege zu leiten.