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SPORT1-Kolumne: Raphael Honigstein über Jürgen Klopp und Liverpool

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SPORT1-Kolumne: Raphael Honigstein über Jürgen Klopp und Liverpool

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Kolumne: Klopp die schönste Braut

Jürgen Klopp ist der Hoffnungsträger des FC Liverpool. SPORT1-Kolumnist Raphael Honigstein sieht in ihm den richtigen Coach und erkennt Parallelen zu Borussia Dortmund.
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© SPORT1/Getty

Jürgen Klopps bevorstehende Ankunft an der Anfield Road mache sie "giddy with excitement", schwummerig vor Aufregung, schrieb am späten Dienstagabend Abend die Fernseh- und Radiomoderatorin Kelly Cates auf Twitter.

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Das ist einerseits kaum der Rede wert, da wie Cates seit ein paar Tagen ja alle Anhänger des FC Liverpool in vorfreudiger Erregung mehr oder weniger entrückt durch die Gegend taumeln.

Andererseits aber eben schon. Cates lässt sich in der Regel nicht ganz so schnell von neuen, vermeintlichen Trainingsanzugs-Heilsbringern an der Seitenlinie begeistern, denn sie heißt mit Mädchennamen Dalglish - und ist die Tochter von Kenny Dalglish, dem größten, immer noch beliebtesten Liverpool-Spieler aller Zeiten.  

Dalglish, der Liverpool zum bisher letzten Meistertitel vor 25 Jahren führte, saß 2011 bis 2012 ein zweites Mal auf der Bank.

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Schon damals hatte sich Fenway Sports Group, die amerikanischen Eigentümer des Klubs, übrigens schon um die Dienste von Klopp bemüht. Nun wird der 48-Jährige voraussichtlich am Freitag an der Mersey vorgestellt.

"Unveiling" werden die ersten Pressekonferenzen von Trainern auf der Insel genannt, wörtlich übersetzt Entschleierung. Ein schönes Bild: Die Anstellung eines neuen Managers ist so etwas wie eine Heirat, und Klopp gibt in diesem Fall die schönste Braut. 

Es gibt in Liverpool Leute, die behaupten, der Deal mit dem Schwaben sei schon vor der Entlassung von Brendan Rodgers am Sonntagabend unter Dach und Fach gebracht worden. Die vom Verein bestätigten Verhandlungen mit Klopps Beratern in dieser Woche seien nur orchestriert, um den Anschein des korrekten Prozedere zu wahren.

Dagegen spricht zunächst, dass noch in der vergangenen Woche gut informierte Journalisten berichteten, FSG sei von externen Experten "vor Klopp gewarnt worden". Vielleicht war aber auch das eine gezielt lancierte Falschmeldung, um die Medien auf die falsche Fährte zu locken.

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Fest steht jedenfalls, dass die Reds auch bei Carlo Ancelotti angefragt hatten. Der Italiener sagte jedoch ab. Aus Italien kamen am Sonntagabend dann die ersten Meldungen, wonach Klopp mit Liverpool bereits Einigkeit erzielt habe. Von Seiten des Trainers wurde da noch mitgeteilt, es gäbe bisher keinen Kontakt. 

Wie immer in England, wenn ein namhafter Spieler oder Trainer bei einem großen Klub anheuert, wird nun versucht, aus vergangenen Zeiten auf die Erfolgschancen im neuen Amt zu schließen.

Im Fall von Klopp sind die Parallelen offensichtlich: Das Dortmund aus dem Jahr 2008 war wie Liverpool heute ein Klub, der unter seinen Möglichkeiten spielte und auf den Aufbruch wartete. Oder besser: auf den Ausbruch - aus dem gehobenen Mittelmaß.   

Bereits hektisch diskutierte Fragen nach der zukünftigen taktischen Ausrichtung unter dem Gegenpressing-Großmeister, nach der ultimativen Verantwortung für Transfers in dem mit FSG-Funktionären und Analysten besetzten Vorstand oder Spekulationen über namhafte Zugänge - Marco Reus oder Mats Hummels - sind deswegen erst einmal zweitrangig.

Klopp, der große Baseballcap-Charismatiker, kommt mit dem Auftrag, die Mannschaft buchstäblich wieder in Schwung zu bringen und den ganzen Verein aus jener stummen Verneblung zu befreien, die seit der verpassten Meisterschaft 2014 über dem Anfield-Stadion liegt.

Der Independent bezeichnete nach ausgiebigen Gesprächen mit seinem Umfeld als "Fußballromantiker", der Liverpools Ambitionen instinktiv verstünde und von den "nostalgischen Versprechen der Historie" begeistert sei. 

Liverpool entfaltet diese Wirkung, kann aber Trainer und Spieler damit auch überfordern. Dem Schwaben traut man zu, mit dem roten Wahnsinn zurecht zu kommen, noch mehr: ihn effizient zu verstärken.

Ab Freitag heißt es dann "Kloppocalypse Now". Mit Happy End oder nicht, wird sich zeigen. Aber ein echter Kassenschlager, so oder so.

Raphael Honigstein, geboren 1973 in München, zog 1993 nach London. Dort lebt und arbeitet er als Journalist und Autor. Für SPORT1 berichtet er ab sofort in der wöchentlichen Rubrik "London Calling" über alle Themen rund um den englischen Fußball. Honigstein arbeitet unter anderem für die "Süddeutsche Zeitung", das Fußballmagazin "11 Freunde", die englische Tageszeitung "The Guardian", den Sportsender "ESPN" und ist in England und Deutschland als TV-Experte tätig.