Schärfer hätte der Kontrast kaum sein können. Triathlet Jan Frodeno betrat das Podium in glänzenden Lackschuhen, lächelte sein Zahnpasta-Lächeln und nippte an einem Glas Champagner, Kugelstoßerin Christina Schwanitz folgte ihm barfuß und nahm erst einmal einen tiefen Schluck aus ihrem Bierglas.
Deutschlands Beste lässt Dampf ab
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So unterschiedlich "Deutschlands Sportler des Jahres" bei der alljährlichen Gala in Baden-Baden auftraten, so war auch ihr Umgang mit der prestigeträchtigen Ehrung.
Frodeno, der 2015 neben dem EM-Titel in Frankfurt auch den Ironman auf Hawaii gewonnen hatte, sonnte sich im Glanz des Erfolges, Schwanitz nutzte bei aller Freude die Gelegenheit zum Rundumschlag.
"Es ist schade, wenn man das ganze Jahr Weltniveau zeigt, aber nicht davon leben kann", beschwerte sich die kernige Chemnitzerin, die im WM-Jahr ungeschlagen blieb und im August in Peking den ganz großen Wurf landete. Ganz nebenbei holte sie auch noch ihren dritten deutschen Meistertitel in Folge und räumte in der Diamond League ab.
Schwanitz beklagt Stellenwert
Doch der Stellenwert der Leichtathletik sei viel zu gering, um daraus richtig Kapital zu schlagen, so Schwanitz, der Fußball überstrahle alles. Auch der WM-Titel hätte nicht dafür gesorgt, dass Sponsoren ihr nun die Bude einrennen: "Ich fahre immer noch in einem Octavia rum und wohne in einer Mietwohnung." Und überhaupt würde es den Athleten schwer gemacht, sich selbst zu vermarkten, verwies sie auf das Sponsoringverbot während Olympia.
Ein Podiumsplatz in Rio de Janeiro 2016 und die Verteidigung des EM-Titels sind nun die nächsten Ziele der Sportsoldatin, deren Traumjahr so absolut nicht vorauszusehen war. Noch vor ziemlich genau zwölf Monaten stand nach einer Knieoperation in Frage, ob die 29-Jährige ihren Sport überhaupt würde weiter betreiben können.
Lockere Sprüche sorgen für Lacher
Der Sport, den sie liebt, der aber in einer handfesten Krise steckt - nicht nur wegen der Vermarktungsproblematik. Vom skandalgeschüttelten Weltverband IAAF ist jedenfalls derzeit keine entscheidende Weichenstellung zu erwarten, ist sich Schwanitz sicher. "Die haben gerade ganz andere Probleme", sagt sie im Gespräch mit SPORT1 augenrollend.
Doch sie wirkt nicht verbittert, vielmehr froh, ein Publikum zu haben für ihre klare Meinung. Dass sie "eine große Klappe" hat, kommt ihr auf der Bühne im Baden-Badener Kurhaus zugute. Mit Sprüchen wie "Ich bin die einzige Frau, die sich über sieben Zentimeter freut" - in Anlehnung an ihren Vorsprung im WM-Finale - hat sie die Lacher im Publikum auf ihrer Seite.
Gute Laune nicht veloren
Später dröhnt ihr eigenes Gelächter immer wieder durch den Saal. Ihren Humor ("Schicke Schuhe? Gut für eine Momentaufnahme...") hat sie bei aller Systemkritik so wenig verloren wie die Lust aufs Feiern.
Was der Asket Frodeno wohl geantwortet hätte auf die Frage, wie viel Bier denn so drin ist an solch einem Abend? Schwanitz sagt: "Mal sehen, was reingeht."