Zweiklassengesellschaft. Ein Wort, eine Deutung, ein Reizthema. Es trifft die Formel 1 in diesen Tagen mit voller Wucht.
FIA machtlos gegen Ecclestone
Die millionenschwere Königsklasse des Motorsports ist für die meisten Teams unbezahlbar geworden, kleine Teams wie Caterham oder Marussia stehen längst vor dem Ende.
Doch auch Traditionsrennställe wie Sauber und Williams sowie Force India führen einen steten Kampf ums finanzielle Überleben. Der Weltverband FIA schlägt nun Alarm - Ergebnis: Die Kostenbremse soll endlich kommen.
Rund 100 Millionen Euro
Das Fehlen von Caterham und Marussia beim Großen Preis der USA in Austin (Training ab 16 Uhr LIVE im TV auf SPORT1) bestätige "die Haltung der FIA, die sich seit langer Zeit für Maßnahmen zur Reduzierung der Kosten einsetzt, um das Überleben der Teilnehmer zu sichern und die Formel 1 für Neuzugänge attraktiv zu machen", teilte der Verband lakonisch mit.
Das Schicksal der Teams "wirft einmal mehr die Frage nach dem wirtschaftlichen Gleichgewicht in der Formel 1 auf", hieß es in der offiziellen Stellungnahme weiter.
Doch dieses Gleichgewicht ist längst aus den Fugen geraten (BERICHT: Markenschwund folgen Unkenrufe). Um ein Formel-1-Team betreiben zu können, braucht man im Moment rund 100 Millionen Euro pro Jahr - aber dann fährt man nur hinterher (DATENCENTER: WM-Stand Teams).
Rennställe wie Ferrari, Red Bull oder Mercedes sollen ein Budget von rund 300 Millionen Euro haben. Doch hinter den meisten Rennställen steht dagegen kein finanzkräftiger Konzern.
Marussia wendet sich an seine Fans:
"Kein fairer Wettbewerb"
"Es ist kein fairer Wettbewerb mehr", sagte der ehemalige FIA-Präsident Max Mosley zuletzt. Es sei abzusehen gewesen, dass Caterham und Marussia "abstürzen. Sie könnten nicht die Letzten gewesen sein."
Doch die FIA will weitere Pleiten unbedingt verhindern. Sie kündigte an, mit der Formula One Management (FOM) um Chefpromoter Bernie Ecclestone und den Teilhabern der Formel 1 daran zu arbeiten, "die Meisterschaft attraktiv zu halten und eine angemessene Teilnahme von Teams in den kommenden Jahren zu ermöglichen".
Welche konkreten Maßnahmen ergriffen werden sollen, blieb jedoch offen.
Wie groß die Verzweiflung mittlerweile ist, zeigt ein jüngst aufgekommener Vorschlag, die reichen Teams könnten in Zukunft doch drei Autos an die Startlinie rollen lassen.
Traditionell verfeindet
Dass sich die untereinander traditionell verfeindeten Teams schnell auf eine Budget-Obergrenze einigen, ist indes mehr als unwahrscheinlich.
Schon seit Jahren wird diskutiert, die ausufernden Ausgaben eindämmen zu wollen, doch bisher konnten sich die Rennställe nie einigen. Besonders die großen und reichen Teams wie Red Bull und Ferrari, bei denen Geld so gut wie keine Rolle spielt, sind nicht daran interessiert, ihren Etat zu deckeln.
Erst im April dieses Jahres war FIA-Präsident Jean Todt mit einem entsprechenden Vorschlag krachend gescheitert.
Wie immer ist die Rolle Ecclestones im Kampf um Macht und Millionen dubios. Den einen Tag will der greise Milliardär den Kleinen zur Hilfe eilen, den anderen sagt er sinngemäß: Nur die Starken überleben.
Ohne Ecclestone läuft nichts
Doch ohne seinen Willen läuft in der Formel 1 nach wie vor nichts. Ecclestone verteilt die Preisgelder, das sogenannte "Bernie Money".
Der genaue Verteilungsschlüssel der über 500 Millionen Euro, die pro Jahr ausgeschüttet werden, ist nicht bekannt. Aber klar ist: Die Großen werden überproportional begünstigt und damit immer stärker.
Eine zumindest im Ansatz solidarische Verteilung der Einnahmen wie etwa in der Fußball-Bundesliga ist der Formel 1 fremd. Und so können sich die meisten Teams das Millionenspektakel auf Dauer nicht mehr leisten.
Vettel bleibt gelassen
Überraschend gelassen reagierten die Fahrer auf das Aus von Caterham und Marussia, die in diesem Jahr wohl gar nicht mehr fahren werden (DATENCENTER: WM-Stand Fahrer).
Es sei zwar "schockierend", dass die beiden Teams in Austin nicht dabei sind, "aber keine Überraschung", sagte Weltmeister Sebastian Vettel von Red Bull.
Und Sauber-Pilot Adrian Sutil meinte, der Gang in die Insolvenz sei der richtige Schritt. "Vielleicht ist dann auch irgendwann der Punkt erreicht, an dem es keinen Sinn mehr macht", sagte der 31-Jährige, "und dann ist es vielleicht auch besser aufzuhören, anstatt es immer weiter zu führen und immer mehr in die Schulden zu geraten."
Caterham und Marussia haben diesen Schnitt vollzogen - vielleicht nicht die letzten Teams.