Lewis Hamilton blieb die Ruhe in Person. Neben und auf der Strecke.
Hamilton herrscht über das Chaos
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Zunächst musste sich der Weltmeister beim Rennwochenende in Kanada der ewig wiederkehrenden Fragen nach dem Boxen-Fiasko von Monaco erwehren. Doch Hamilton ließ kein böses Wort über die Lippen kommen, sprach gebetsmühlenartig vom "Blick nach vorn".
Den bewies er dann auch im Rennen von Montreal. 70 Runden lang hing Nico Rosberg dem Briten im Heck. Ein Ausritt und die Führung wäre futsch gewesen.
Rosberg beißt sich die Zähne aus
Doch Hamilton ließ sich nicht beeindrucken, spulte seine Runden fast fehlerfrei ab und hielt Rosberg über die gesamte Renndistanz mit Augenmaß außerhalb des DRS-Fensters (SERVICE: Die Fahrerwertung 2015).
"Ich habe nicht zu viel Druck gespürt", spielte Hamilton die Angriffsversuche seines Teamkollegen herunter: "Nico war schnell, aber ich hatte die Kontrolle und konnte immer anziehen, wenn es nötig war. Das Rennen war toll. Keine Ahnung, wie es für die Zuschauer war, aber ich empfand es als intensiv und hatte Spaß."
Alles im Griff also. Dabei liefen die Tage vor dem Rennen alles andere als gut für den Briten und sein Team.
Wolff: "Das war schwierig zu verdauen"
Der Boxen-Fauxpas von Monaco ging nicht spurlos an Mercedes vorbei. "Nach Monaco haben die Leute geglaubt, wir wären ein Haufen voller Idioten. Das war schwierig zu verdauen", gab Motorsportchef Toto Wolff Einblicke in die Gedankenwelt des Teams.
Nach einer Krisensitzung wurden die Befehlsketten austariert. Zum großen Ernstfall kam es in Montreal aber nicht.
Hamilton selbst belastete der verschenkte Sieg in Monaco ohnehin kaum. "Ich denke nicht, dass ich eine Erleichterung brauchte. Ich war auch am vergangenen Rennwochenende der Schnellste. Wir hatten das Problem, durch das Nico das Rennen gewinnen konnte. Aber insgesamt hatte ich in den vergangenen beiden Rennen eine gute Pace, also ist es keine Erleichterung", bilanzierte der WM-Führende nüchtern.
Hamilton zeigt Größe
Schwerer traf den Briten und sein Team dagegen ein Schicksalsschlag unter der Woche, als der Vater von Renningenieur Peter Bonnington verstarb.
"Ich spreche auch für das Team, wenn ich den Sieg dem Vater meines Renningenieurs 'Bonno' widmen möchte", bewies Hamilton auf dem Siegerpodest von Montreal Größe.
Dabei sprach auch beim Weltmeister selbst zu Beginn des Rennwochenendes wenig für ein Happy End: Beim 2. Training setzte er seinen Mercedes im kanadischen Regen in einen Reifenstapel, im Abschlusstraining gelang ihm keine einzige schnelle Runde. Wertvolle Zeit zur Erstellung des perfekten Renn-Setups ging verloren.
Denkbar schlechte Voraussetzungen, um die Serie von zwei Rosberg-Siegen in Folge zu beenden.
Hamilton im Fahrwasser der Kardashians
Und dann war da noch der Wirbel um Hamiltons Frauengeschichten. Nach der Trennung von Nicole Scherzinger ist Abwechslung die einzige Konstante an seiner Seite: In Monaco begleitete das US-Model Gigi Hadid den 30-Jährigen.
Mit im Schlepptau: Die 19-Jährige Kendall Jenner, Tochter von Ex-Zehnkämpfer und Jetzt-Frau Caitlyn Jenner (ehemals Bruce Jenner). Die Halbschwester der Kardashians war auch in Kanada zu Besuch in der Mercedes-Box. Manch einer unkte bereits über den endgültigen Abflug des Paradiesvogels Hamilton in das irrwitzige US-Reality-Universum.
Doch all das Chaos, all die Widrigkeiten und Schicksalsschläge waren bei Hamilton im Cockpit seines Mercedes PU106B Hybrid mit dem ersten Tritt ins Gaspedal vergessen. Unbeeindruckt parierte er die Attacken seines Teamkollegen wie schon so oft in den letzen Jahren.
Die Quintessenz seines vierten Saisonsieges fasste Hamilton selbst auf dem Podium mit einem Wort zusammen: "Easy" - trotz aller Nebengeräusche.