Michelin-Sportchef Pascal Couasnon konnte sich einen Seitenhieb nicht verkneifen.
Reifenprüfung auf High-Speed-Kurs
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"Wir müssen dem Fahrer wieder einen Reifen geben, mit dem er 100 Prozent aus dem Auto herausholen kann und nicht nur 70", sagte Couasnon der Bild am Sonntag. Die Formel 1 brauche einen Reifen, der "mindestens ein Drittel eines Rennens halten kann".
Der französische Reifenhersteller erhöht den Druck auf Pirelli - den Exklusivausrüster der Formel 1. Nachdem beim vergangenen Rennen in Spa Nico Rosberg und Sebastian Vettel nach Reifenplatzern bei hohem Tempo nur mit Glück unverletzt blieben, sind die Italiener öffentlich angezählt.
Hülkenberg: Vertrauen angekratzt
"Pirelli muss mit den Teams daran arbeiten und eine Lösung finden, damit wir wieder Vertrauen zum Reifen haben können", forderte etwa Force-India-Pilot Nico Hülkenberg.
Vor dem Rennwochenende in Monza steht Pirelli unter besonderer Beobachtung.
Die große Frage ist: Halten die Reifen dem Highspeed-Kurs in der Lombardei stand?
Monza als Härtetest
Für die Gummis ist die Strecke eine besondere Herausforderung: Bei den hohen Geschwindigkeiten von bis zu 360 km/h und darauf folgenden abrupten Bremsvorgängen wirken besonders große Kräfte auf die Pneus. Die Hitzeentwicklung vor allen an den Reifenschultern ist enorm.
Dazu kommt eine hohe seitliche Belastung durch langgezogene Kurven, allem voran der berüchtigten Parabolica vor der Zielgeraden.
Hohe Anforderungen also, vor allem auf die Hinterachse. Doch im Gegensatz zu den letzten Jahren stellt Pirelli neben den Mediums nicht etwa harte Reifen, sondern wie schon zuletzt in Spa die weiche Mischung.
Untersuchungen zu Vettel abgeschlossen
Was die Taktiktüftler der Teams angesichts der vielfältigeren Boxenstrategien freut, ist nach dem Eklat von Spa auch ein Zeichen an die Pirelli-Kritiker: Der Konzern vertraut auf sein Material, setzt bewusst nicht auf die Vorsichtsvariante.
Vielleicht auch, weil die firmeninternen Untersuchungen von Sebastian Vettels Reifenschäden in Spa bereits abgeschlossen sind. Die Ergebnisse will Pirelli in Monza präsentieren.
Nach dem Rennen in Belgien nahm der Reifenhersteller noch Ferrari wegen einer zu riskanten Boxenstrategie in die Verantwortung. Vettels Ex-Teamkollege Mark Webber wollte diese Argumentation allerdings nicht gelten lassen.
Webber: "Dann hört der Spaß auf"
"Ein Reifenplatzer darf nicht die Strafe dafür sein, dass du mit dem Reifen zu lange fährst", sagte der Australier der Fachzeitschrift auto, motor und sport.
Für Webber war das Pirelli-Desaster von Spa der letzte Warnschuss. "Wir Fahrer können Fehler machen. Damit müssen wir leben. Aber wenn du nur noch Passagier bist aus einem Grund, den du nicht beeinflussen kannst, dann hört der Spaß auf."
Pirelli steht unter Druck. Es geht um die Sicherheit der Piloten, aber auch um wirtschaftliche Interessen: Der Ausrüstervertrag mit der Formel 1 läuft noch bis zum Ende der Saison 2016. Demnächst wird über die Reifenzukunft für 2017 bis 2019 entschieden, und Michelin pokert fleißig mit.