1,1 Sekunden – diese Zahl dürfte in jedem Ferrari-Fan böse Erinnerungen an die vergangene Saison wecken.
Vettel trotzt massiven Problemen
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Denn genau so viel betrug der Rückstand vom schnellsten Ferrari-Piloten, dem drittplatzierten Kimi Räikkönen, auf Pole-Setter Lewis Hamilton im Qualifying in Baku. Dabei war der schnellste Ferrari in dieser Saison zuvor nie mehr als vier Zehntel hinter der Pole-Zeit geblieben.
Woher kommt also der gewaltige Unterschied von über einer Sekunde? Und hat der auf Rang vier startende WM-Leader Sebastian Vettel im Rennen (ab 15 Uhr im LIVETICKER) überhaupt noch eine Chance?
Das verkorkste Qualifying der Scuderia wirft Fragen auf.
In den Trainings am Freitag sah noch alles gut aus, auch wenn Sebastian Vettel sich stolze sechs Mal verbremste. Die grundsätzliche Speed des Autos ließ Vettel dennoch hoffen, dass er mit Mercedes – und den überraschend starken Red Bull - auf Augenhöhe um die Pole kämpfen würde.
Doch der Samstag begann für Vettel denkbar schlecht - wegen Hydraulikproblemen konnte er im 3. Training nur sieben Runden fahren. Noch schlimmer: Ferrari baute sicherheitshalber einen alten Motor ein, der in Sachen Power mit dem neuesten Modell nicht ganz mithalten kann.
Fehlende Trainingszeit und Power-Nachteil
Für Vettel war allerdings weder die verpasste Trainingszeit noch der Power-Nachteil der Hauptgrund für den großen Rückstand. "Das hat mit Sicherheit nicht geholfen, aber das ist keine Ausrede, wir sind hier viele Runden gefahren. Mehr als Platz drei wäre ohnehin nicht möglich gewesen", sagte Vettel.
Für Vettel lag der gewaltige Unterschied auch an den starken Leistungen von Hamilton und dessen Teamkollege Valtteri Bottas: "Wenn man hier eins mit dem Fahrzeug wird, holt man noch ziemlich viel Zeit raus."
Eins mit dem Fahrzeug ist Vettel in Baku definitiv noch nicht - das sah man einmal mehr an seinem Verbremser auf seiner ersten schnellen Runde in Q3, die ihn vor dem letzten Run unter Druck setzte.
Rote Flagge im falschen Moment
Dazu kam noch Pech, weil Red-Bull-Pilot Daniel Ricciardo ausgerechnet dann für Rote Flaggen sorgte, als Vettel aus der Box fahren wollte.
Vettels Crew musste daher bis ans Ende der Boxengasse sprinten, um seinen Ferrari wieder zurückzuholen und ihn für den letzten Versuch vorzubereiten. Das gelang Ferrari nicht optimal. "Ich denke, wir haben uns ein bisschen verzettelt, was die Strategie mit den Reifen zum Schluss anging", kritisierte Vettel.
Da Ferrari anders als Mercedes lange wartete, um Vettel für den finalen Run auf die Strecke zu schicken, ergab sich laut Vettel ein weiteres Problem: "Ich war ganz alleine, hatte keinen Windschatten. Deshalb war der letzte Sektor nicht so gut wie er hätte sein können."
Ein Blick auf die Sektorenzeit gibt Vettel Recht. Eine halbe Sekunde verlor der viermalige Weltmeister allein im letzten Sektor auf die beiden Mercedes.
Reifenprobleme bei Ferrari
Da Vettel laut eigener Aussage nicht seine beste Runde erwischt hatte, reichte es am Ende nicht einmal für Teamkollege Räikkönen.
Angesichts von über einer Sekunde Rückstand war jedoch auch der Finne unzufrieden und machte Reifenprobleme als Grund für das schwache Abschneiden aus.
"Es war schwierig die Reifen auf Temperatur zu bringen. Wenn man sie richtig hinbekommt, könnte es noch viel schneller gehen. Wir sind nah an Mercedes dran, bei den Reifen müssen wir aber noch etwas finden", haderte Räikkönen.
Vettel fordert Mercedes heraus
Addiert man Ferraris Probleme am Qualifying-Tag, ist der Rückstand von über einer Sekunde auf die Silberpfeile und Vettels Optimismus für das Rennen erklärbar.
"Mercedes wird morgen auch schnell sein, aber ich habe keine Zweifel daran, dass wir sie herausfordern können. Überholen ist möglich, man hat hier eine so lange Gerade", wagt Vettel sogar eine vorsichtige Kampfansage.
Obwohl die Top-Teams wohl alle auf eine Einstoppstrategie setzen werden, warnt Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff in Sachen Taktik: "Bei den Strategien gibt es nicht viele Spielvarianten, aber man hat in Monaco gesehen, dass ein Overcut funktionieren kann."
Damit das tatsächlich klappen und Vettel seine WM-Führung verteidigen kann, darf bei Ferrari allerdings nicht so viel schief gehen wie am Samstag.