Mit großen Schmerzen und gebrochenem Schlüsselbein lächelte Tony Martin im Maillot jaune gequält vom Siegerpodest, in diesem Moment war die Tour de France für den tragischen Helden aber schon beendet.
Martin muss Tour in Gelb aufgeben
© dpa Picture Alliance
Mit einem schweren Sturz im Finale der sechsten Etappe ist die Frankreich-Rundfahrt für Martin nach zwei Tagen im Radsport-Himmel erneut zu einer bitteren Tour der Leiden geworden - noch am Donnerstagabend flog er nach Hamburg, um in der Nacht operiert zu werden.
"Es ist ein offener Bruch, der es notwendig macht, sehr schnell operiert zu werden, damit sich keine Infektion einstellt", sagte Martin im Teamhotel: "Ich brauche noch ein bisschen Zeit, um das alles zu verarbeiten. Aktuell bin ich einfach nur traurig."
"Es ist eine Schande"
"Das Schlüsselbein ist gebrochen", twitterte Martin rund eine Stunde nach dem verhängnisvollen Crash: "Es ist eine Schande. Glück und Pech liegen bei der Tour so eng beieinander." Wenig später veröffentlichte er ein Foto von der Wunde.
Martin verabschiedete sich nach der Siegerehrung zur finalen Diagnose in ein Krankenhaus im Zielort Le Havre. Eine weitere Stunde später bestätigte sein Teamchef Patrick Lefevere das Tour-Aus von Martin bei Europe 1.
Dass sein Quick-Step-Teamkollege Zdenek Stybar mit einem fulminanten Antritt Etappensieger geworden war, konnte die Stimmung in der belgischen Mannschaft auch nicht retten. "Ich bete, dass wir morgen mit ihm wieder das Gelbe Trikot verteidigen können", sagte Stybar - kurz darauf hatten sich die Hoffnungen zerschlagen.
Verhängnisvoller Strauchler vor dem Ziel
2003 hatte sich Tyler Hamilton, damaliger CSC-Fahrer, auf der ersten Etappe der Tour am Schlüsselbein verletzt, die Frankreich-Rundfahrt auf Platz vier des Gesamtklassements beendet und dabei die 16. Etappe gewonnen.
Anders als bei Martin war es beim Amerikaner allerdings "nur" ein schmerzhafter Haarriss, zudem hatte der wiederholt als Dopingsünder überführte Hamilton wohl weiterreichende Behandlungsmethoden.
800 Meter vor dem Ziel war Martin weit vorne im Feld fahrend ins Straucheln gekommen - ein ebenso schlichter wie verhängnisvoller Fahrfehler. Der dreimalige Zeitfahrweltmeister knallte mit der linken Körperhälfte auf den Asphalt, blieb dort minutenlang sitzen, ehe er langsam ins Ziel rollte.
Gelb dank Sturzregel - Greipel in Grün
"Ich hatte wohl einfach Pech. Ich denke, dass ich das Hinterrad meines Vordermanns berührt habe. Und wenn man fällt, fällt man eben sehr hart", sagte Martin. Erinnerungen an die Tour 2012 wurden wach.
Damals hatte sich Martin bei einem Sturz am zweiten Tag das Kahnbein der linken Hand gebrochen - danach quälte er sich aber noch mehr als eine Woche durch das Rennen, ehe er ausstieg.
Das am Dienstag erkämpfte Gelbe Trikot durfte Martin in Le Havre behalten. Da er innerhalb der letzten drei Kilometer stürzte, wurde er gemeinsam mit der ersten großen Gruppe hinter Stybar und zwei Sekunden Rückstand gewertet. Besonders bitter für Martin: Das Gelbe Trikot hätte er wohl noch bis Dienstag in die Pyrenäen tragen können.
Der mitfavorisierte John Degenkolb (Giant-Alpecin) kam in Le Havre auf Platz vier. Der zweifache Etappensieger Andre Greipel hatte als 43. mit dem Ausgang des Rennens nichts zu tun, verteidigte aber knapp das Grüne Trikot (161 Punkte) vor dem zweitplatzierten Slowaken Peter Sagan (158, Tinkoff-Saxo).
Teklehaimanot schreibt Geschichte
Von Beginn an dominierte ein Ausreißer-Trio um den ersten Eritreer der Tour-Geschichte, Daniel Teklehaimanot das Geschehen.
Zusammen mit dem Franzosen Perrig Quemeneur (Europacar) und Kenneth van Bilsen (Cofidis) aus Belgien fuhr der 26-Jährige einen Vorsprung von bis zu elf Minuten heraus. Das Ziel von Teklehaimanot war das Gepunktete Trikot des besten Bergfahrer. Diese Wertung gewann der Afrikaner bereits bei der hügeligen Dauphine-Rundfahrt, die viele Favoriten als Vorbereitung auf die Tour fahren.
Teklehaimanot, der für das erste afrikanische Team der Tour-Geschichte MTN-Qhubeka antritt, entschied alle Bergwertungen für sich und schlüpfte als erster Fahrer vom schwarzen Kontinent ins Maillot a Pois.
Ein erfreuliche Randnotiz an einem ansonsten traurigen Tag der "Großen Schleife".