"Der Zweite ist der erste Verlierer" ist eine dieser Phrasen aus der Zitateschatztruhe des Sports.
Freund tilgt den letzten dunklen Fleck
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Doch wie ein Verlierer sah Severin Freund nun wirklich nicht aus, als er vom Siegespodest stieg, mit einem breiten Grinsen im Gesicht und einem Pokal in der Hand auf seine Freundin Caren zuging und sie küsste.
Und er fühlte sich auch nicht wie ein Verlierer. "Es ist ein sehr sehr schönes Gefühl, hier bei der Tournee auf dem Podium zu stehen", fasste der Niederbayer seine Emotionen in Worte.
"Es ist auch ein großes Stück Genugtuung", fügte er hinzu und sagte mit Blick auf seine vergangenen Auftritte bei der Vierschanzentournee: "Sonst saß ich um diese Uhrzeit schon im Hotel".
Legenden gratulieren
Diesmal dagegen durfte er als Zweiter der Vierschanzentournee das volle Brimborium hautnah miterleben. Erst die Siegerehrung für den zweiten Platz in der Tageswertung, dann die Siegerehrung für Platz zwei in der Gesamtwertung.
Das Feuerwerk, das im Anschluss los ging, die Gratulationen der Ex-Springer Martin Schmitt und Dieter Thoma, von Teamkollege Michael Neumayer, der als letzter Deutscher vor acht Jahren auf dem Tournee-Podest gestanden hatte. Freund genoss all das in vollen Zügen.
Dürftige Platzierungen in den vergangenen Jahren
Denn Freund und die Vierschanzentournee, das hatte bislang nie gepasst. Die Ränge 8, 16 und 13 standen in den vergangenen Jahren für den 27-Jährigen zu Buche. Kein Ruhmesblatt, erst recht nicht wenn man ständig mit Grand-Slam-Sieger Sven Hannawald verglichen wird.
Nun aber hat Freund den letzten dunklen Fleck seiner Karriere getilgt. Nach Olympia-Gold im Team, Weltmeistertiteln im Skifliegen und Skispringen sowie dem Triumph im Gesamt-Weltcup hat er nun sich und allen anderen bewiesen, dass er auch bei der Vierschanzentournee stark springen kann.
Besser als Thoma 1990
In jedem der vier Springen landete der Mann aus Rastbüchl auf dem Podest. "In anderen Jahren hätte das zum Sieg bei der Tournee gereicht", ordnete Bundestrainer Werner Schuster die Leistung Freunds ein.
Thoma zum Beispiel gewann 1990 die Tournee mit den Einzelplatzierungen 1, 5, 6 und 2.
Damals gab es eben keinen absoluten Überflieger wie den Slowenen Peter Prevc, der diesmal drei von vier Springen gewann und sich so letztlich trotz Freunds großen Kampfgeists unangefochten mit 26,5 Punkten Vorsprung den Tourneesieg sicherte.
Freunds Leistung überrascht Bundestrainer
Freunds Kampfgeist der vergangenen Tage wertet den zweiten Platz noch mehr auf. Gerade am Montag war an Skispringen überhaut nicht zu denken. Nach seinem Sturz im Probedurchgang von Innsbruck quälten Freund schmerzhafte Prellungen.
Nur mithilfe der deutschen Ärzte und Physiotherapeuten wurde er fit für das Springen in Bischofshofen. Schuster war überrascht, dass Freund die Leiden gleich so gut wegsteckt: "Dass er so gut springt, hätte ich nicht gedacht."
Prevc hat immer eine Antwort
Auf 141 Meter segelte der zurückhaltende Bayer im Zweiten Durchgang hinunter, nur zwei Meter unter dem Schanzenrekord. Für den Bundestrainer war das Freunds bester Sprung bei dieser Tournee. Gleichwohl hatte Prevc auch darauf eine Antwort und konterte mit einem Traumsprung auf 142,5 Meter.
Prevc war letztlich wie ein überirdischer Sieger, der den irdischen Sieger Freund hinter sich ließ.