Von Lars Becker
Wunderglaube statt Psychokrieg
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Nach dem dramatischen Springen von Innsbruck saßen Severin Freund und Peter Freund in ihren knallgrünen Jacken einträchtig nebeneinander und lobten sich gegenseitig.
"Peter ist wie ich auch ein ruhigerer Typ und sehr harter Arbeiter. Er hat in jungen Jahren schon sehr, sehr viel erreicht und hat großes Potenzial", sagte Freund über den Slowenen.
Der vier Jahre jüngere Slowene gab die Blumen umgehend zurück: "Es ist eine Ehre, sich mit so einem großen Springer zu duellieren. Ich habe mich oft gefragt, wie er in der Lage ist, so weit zu springen. Severin strebt nach Perfektion und hat alles unter Kontrolle", und fügte mit einem Grinsen hinzu: "Naja, zumindest versucht er es."
Es war eine kleine, nicht böse gemeinte Anspielung auf den schweren Sturz von Freund im Probedurchgang am Bergisel.
"Werde angreifen"
Deshalb musste sich Freund am Ruhetag vor allem um seinen sturzgeplagten Körper kümmern.
Große Gedanken an den Gesamtsieg bei der 64. Vierschanzentournee verschwendete er am Tag des Umzugs von Innsbruck in den Finalort Bischofshofen nicht, wagte aber dennoch eine Kampfansage.
"Natürlich werde ich angreifen - das macht man in jedem Wettkampf. Aber Peter hat einen komfortablen Vorsprung und wenn er so weiterspringt, braucht es ein Wunder, dass es für mich reicht", sagte Freund mit Blick auf das Finalspringen am Mittwoch (17 Uhr im LIVETICKER)
Negativbeispiel Ottesen
19,7 Punkte oder umgerechnet knapp elf Meter beträgt sein Rückstand auf Überflieger Prevc. Blickt man in die Geschichte des Skisprung-Grand-Slams, braucht es tatsächlich außergewöhnliche Umstände, dass Freund tatsächlich noch den ersten deutschen Gesamtsieg seit 14 Jahren (Sven Hannawald) feiern kann.
1994 verwandelte der Norweger Espen Bredesen einmal Minus von 12,2 Punkten nach Innsbruck noch in einen Vorsprung von acht Punkten auf den deutschen Dreifach-Olympiasieger Jens Weißflog. Damals wartete allerdings Bredensens Landsmann Lasse Ottesen unfair so lange auf den Balken, bis schlechte Windbedingungen für Weißflog herrschten.
Bei der Vierschanzentournee 1971/72 gewann der Japaner Yukio Kasaya die ersten drei Springen des Skisprung-Grand-Slams, war überlegener Gesamtspitzenreiter – und reiste vor dem Finale in Bischofshofen wegen der Vorbereitungen auf die Olympischen Winterspiele in seiner Heimat Sapporo ab.
Gegenseitiger Respekt
Dass Peter Prevc am Mittwoch nicht antritt, ist freilich nicht zu erwarten. Auch wenn ihn eine Erkältung plagt, die er mit Vitaminen und Zitronen bekämpft. "Severin sieht das schon ganz realistisch.
Prevc ist momentan der Meister. Allerdings hat er noch nie etwas Großes gewonnen, diese Barriere muss er noch durchbrechen", kommentierte die österreichische Skisprung-Legende Toni Innauer.
Den Gesamtsieg des Slowenen könnten nur ein grober Fehler, widrige Witterungsbedingungen oder ein Sturz noch verhindern.
Pech wünscht laut Schuster in diesem faszinierenden Duell um den Tournee-Sieg allerdings keiner dem anderen: "Die beiden duellieren sich nun schon seit drei Jahren auf höchstem Niveau und respektieren sich extrem. Da wünscht keiner dem anderen einen Sturz oder Fehler. Diesmal springt Peter fabulös, dafür hat er letzten Winter gelitten."
Damals holte Freund zweimal WM-Gold und - punktgleich mit Prevc - den Gesamtweltcup. Diesmal kann sich der Slowene eigentlich nur noch selbst schlagen: "Das Wichtigste ist, dass ich den Druck, den ich mir selbst mache, besiege. Ich muss in Bischofshofen einfach geduldig bleiben."