Eigentlich, so schien es, hatte Peter Wright seinen Karrierehöhepunkt bereits hinter sich.
Wrights unerwarteter Wiederaufstieg
2014, als er zum bis heute einzigen Mal das WM-Finale erreichte und Michael van Gerwen mit 4:7 unterlag, war er noch ein Newcomer auf dem Weg zum Höhepunkt. (Darts-WM: Finale ab 18.30 Uhr LIVE im TV auf SPORT1, LIVESTREAM und LIVETICKER)
In den Jahren 2016 bis 2018, die er auf den Plätzen 3, 2 und 3 der Weltrangliste beendete, spielte "Snakebite" auf seinem vermeintlichen Toplevel. Einen genauen Zeitpunkt für seinen Höhepunkt kann man aber nicht finden, da sich kein großer Sieg entdecken lässt, der diesen darstellen würde.
Gerade einmal ein Major-Event hat Wright bislang gewonnen, die UK Open 2017. 2019 kam noch der Sieg beim World Cup of Darts gemeinsam mit Gary Anderson hinzu.
Spätestens seit der WM 2018 befand sich Wright wieder auf dem absteigenden Ast. Drei Wochen vor dem Jahreshöhepunkt wurde der Schotte mit Gallensteinen in ein Krankenhaus eingeliefert. Er verschob die fällige Operation, konnte kaum trainieren und spielte mit Schmerztabletten. Prompt setzte es das Aus gegen Nobody Jamie Lewis, ein Jahr später war ebenfalls in der 2. Runde gegen den Spanier Toni Alcinas Schluss.
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30 180er mehr als van Gerwen
Das Jahr 2019 beendete Wright nur auf Weltranglistenposition sieben. Seine gesundheitlichen Probleme hat er zwar überwunden, dafür experimentiert er mit ständig wechselnden Darts und verlor dadurch immer wieder seinen Fokus.
Am ersten Tag des Jahres 2020 kann Wright nun doch noch seinen Karrierehöhepunkt feiern. Zum zweiten Mal in seiner Karriere steht er im WM-Finale, sein Gegner ist Titelverteidiger Michael van Gerwen. Mit einem Sieg würde er wieder als Zweiter der PDC Order of Merit geführt werden.
"Ich bin älter und weiser als vor sechs Jahren. Damals fühlte ich mich nicht bereit dafür, Weltmeister zu sein. Aber jetzt fühle ich mich bereit", betont der Publikumsliebling.
In der Tat kann der Paradiesvogel des Darts eigentlich voller Selbstbewusstsein in das Endspiel gehen. Sein Turnier-Average (98,29) ist minimal besser als der seines Gegners (98,14), bei der Checkout-Quote sind beide mit je 44 Prozent gleichauf. Während van Gerwen insgesamt 27 Mal die 180 warf, gelang Wright dies deutlich öfter: 57 Maxima stehen in seiner Statistik, mit 15 weiteren würde er den WM-Rekord seines schottischen Landsmanns Anderson überbieten.
Wright trifft auf Angstgegner MvG
Dass ein Sieg im Endspiel trotzdem einer Sensation gleichkäme, liegt an seinem Gegner und ihrer gemeinsamen Geschichte. Van Gerwen ist der personifizierte Angstgegner von Wright, in zehn Finals bei TV-Turnieren gewann MvG jedes einzelne. Dabei war Wright längst nicht immer chancenlos. Im Finale der Premier League 2017 vergab der 49-Jährige sechs Matchdarts, im Endspiel der Champions League in diesem Jahr waren es immerhin drei.
Dass Wright weiter auf seinen Karrierehöhepunkt wartet, hat maßgeblich mit "Mighty Mike" zu tun, der ihm den ersehnten großen Triumph regelmäßig vor der Nase wegschnappt. Insgesamt gewann van Gerwen 59 von 78 Duellen, 2019 lautet die Bilanz sechs zu zwei für den Weltmeister.
"Ich denke, er hat mehr Angst vor mir als ich vor ihm", erklärte van Gerwen nach dem Einzug ins Finale: "Meistens, wenn Peter gegen mich spielt, vergeigt er es und verpasst die Doppelfelder. Das ist gut für mich."
Das Finale der Darts-WM 2020 am Mittwoch ab 18.30 Uhr LIVE auf SPORT1 im Free-TV und Livestream
Van Gerwen wackelt - wird Wright Nutznießer?
SPORT1-Experte Robert Marijanovic sieht in genau diesem Selbstbewusstsein aber eine Gefahr für van Gerwen.
"Vielleicht ist die bisherige Bilanz sogar ein kleiner Nachteil für MvG, weil er weiß, dass er Wright sowieso immer besiegt hat. Nachlässig zu werden wäre aber eine grobe Fahrlässigkeit", schrieb der Darts-Profi in seiner SPORT1-Kolumne. Er rät Wright, locker ins Spiel zu gehen und sieht in der Checkout-Quote den Schlüssel zum Sieg.
15 Highfinishes stehen bereits in der WM-Statistik von Wright, sein Gegner hat erst neun Mal über 100 Punkte ausgecheckt. Die sonst erdrückende Dominanz des dreimaligen Weltmeisters ist in diesem Jahr nicht so sichtbar wie sonst, van Gerwen spielt weniger spektakulär als gewohnt.
"Ich habe scheiße gespielt", meint denn auch van Gerwen auf Deutsch im SPORT1-Interview nach seinem 6:3-Halbfinal-Sieg gegen Nathan Aspinall und schob nach: "Ich bin richtig enttäuscht von mir, ich will selbstbewusster spielen. Ich muss das nächste Mal besser spielen."
Misslingt dies, dürfte Wright sich ebenso wenig beeindrucken lassen wie von den Provokationen seines Halbfinalgegners Gerwyn Price - und dann könnte Wright endlich seinen Karrierehöhepunkt erreichen.