Home>Fußball>

Berkant Göktan spricht erstmals über Koks-Affäre, 1860 und Alkohol

Fußball>

Berkant Göktan spricht erstmals über Koks-Affäre, 1860 und Alkohol

{}
{ "placement": "banner", "placementId": "banner" }
{ "placeholderType": "BANNER" }

Die Lebensbeichte des Berkant Göktan

Elf Jahre hat man nichts mehr von Berkant Göktan gehört, nachdem er 2008 wegen Kokainmissbrauchs bei 1860 München rausflog. Jetzt spricht der 38-Jährige bei SPORT1.
Kokain, Alkohol, Skandale: Berkant Göktan hat seine Profi-Karriere aufsehenerregend in den Sand gesetzt. Nach Jahren spricht er nun exklusiv bei SPORT1 über diese Zeit.
Reinhard Franke
Reinhard Franke

Berkant Göktan wirkt nach außen entspannt und locker, als er SPORT1 in der Wohnung seines Bruders Bülent begrüßt. Der heute 38-Jährige ist höflich und dankbar. 

{ "placeholderType": "MREC" }

"Berki", wie Göktan genannt wird, bietet türkischen Kaffee und Kuchen an. Für den Interview-Termin hat er sich extra ein weißes Hemd angezogen. 

Seine Profikarriere hatte 1998 beim FC Bayern begonnen. Franz Beckenbauer bezeichnete ihn einst als "das größte Talent seit Jahren". Doch seine Laufbahn wurde abrupt gestoppt, als er später bei 1860 München auf dem Höhepunkt war. 

Sinan Kurt bei der U23 von Hertha BSC
Sinan Kurt
Sinan Kurt
+69
Die gescheiterten Wunderkinder

Am 21. Oktober 2008 schockte Göktan die Fans der Löwen, als ihm wegen nachgewiesenen Kokainmissbrauchs fristlos gekündigt wurde. Danach flüchtete er nach Thailand und tauchte dort völlig unter. Im Sommer 2009 wurde ihm eine Rückkehr zu Sechzig angeboten, die er jedoch ablehnte. Ein Comeback-Versuch 2013 beim SV Heimstetten ging schief.   

{ "placeholderType": "MREC" }

Im ersten Teil des großen Interviews spricht Göktan bei SPORT1 über die wohl härteste Zeit seines Lebens (Di., ab 23.15 Uhr in den SPORT1 News LIVE im TV auf SPORT1).  

Jetzt aktuelle Fanartikel der Bundesliga bestellen - hier geht's zum Shop! | ANZEIGE

SPORT1: Herr Göktan, wie geht es Ihnen heute?

Berkant Göktan: Mir geht es gut. Ich bin Familienvater und habe zwei Kinder. In den letzten neun Jahren habe ich Abstand vom Fußball genommen. Seit drei Wochen bin ich wieder in München, wohne mit meiner Frau und den beiden Kindern bei meinen Eltern und meinen Brüdern.

{ "placeholderType": "MREC" }

SPORT1: Warum sind Sie zurückgekommen?

Göktan: Der Hauptgrund ist mein Sohn, er ist Autist. Für seine Therapie ist es am besten, in Deutschland zu sein, vor allem weil es hier sehr gute Förderschulen gibt.

SPORT1: Fast elf Jahre hat man nichts mehr von Ihnen gehört. Wie blicken Sie zurück?

Göktan: Nach einem gewissen Abstand empfinde ich sowohl Negatives als auch Positives. Es tut mir immer noch sehr leid, dass ich mich damals bei vielen Menschen nicht entschuldigt habe. Ich habe mich einfach nicht getraut, bin vor den Tatsachen weggelaufen. Ich brauchte Zeit für mich, und deshalb habe ich Deutschland den Rücken gekehrt und bin ins Ausland. Ich bin froh, dass ich jetzt wieder zu meiner Familie zurückgekommen bin. 

SPORT1: Sie sind damals bei 1860 München wegen Kokainmissbrauchs entlassen worden. Welche Erinnerungen haben Sie an diesen Tag?

Göktan: Ich habe sehr viele dunkle Erinnerungen. Mich hat es komplett zerstört, und zusätzlich hat auch das Image des Vereins sehr stark gelitten. Wieder einmal, denn um 1860 gab es bereits davor immer wieder negative Schlagzeilen. Dann habe ich für weiteren Ärger in der Öffentlichkeit gesorgt. Das macht mich im Nachhinein immer noch fertig.

SPORT1: Warum haben Sie sich von den Drogen verführen lassen?

Göktan: Es war Dummheit und Gier. Es war eine Sache, die ich als junger Mensch ausprobiert habe und an der ich dann hängen geblieben bin. Man kann nicht von heute auf morgen aufhören. Es war ein großer Fehler. Der Verein hat damals auch bemerkt, dass ich mich verändert hatte. Persönlich, körperlich, in meinem ganzen Auftreten. Man merkte, dass mit mir irgendetwas nicht stimmte. Die Vermutung mit Drogen lag nahe und war augenscheinlich.

SPORT1: Bereuen Sie das?

Göktan: Es tut mir sehr leid. Ich habe den Erfolg bei Sechzig damals nicht verarbeiten können. Es ging alles zu schnell. Ich hatte kaum Zeit, darüber nachzudenken, wie ich es vielleicht hätte anders machen können. Im Endeffekt kann ich die Zeit leider nicht zurückdrehen. Das Positive an allem ist, dass ich meine Frau in Thailand kennengelernt habe. Und mit ihr habe ich zwei tolle Kinder. Ich habe heute mein Leben wieder im Griff. Aber ich muss hier zugeben, dass ich nicht nur ein Drogenproblem, sondern auch ein Alkoholproblem hatte. Ich habe sehr viel getrunken und war depressiv. Das war auch einer der Gründe, warum ich so lange im Ausland gelebt habe.

SPORT1: Sind Sie mittlerweile clean?

Göktan: Kokain habe ich seit meinem Aus bei 1860 nicht mehr genommen, wegen meines Alkoholkonsums habe ich mich bis zuletzt behandeln lassen. Ich habe sehr lange exzessiv getrunken. Und seit einigen Monaten trinke ich gar nicht mehr. Das war ein schwieriger Abschnitt in meinem Leben. Und es war verdammt hart, alles zu verarbeiten, denn meine Vergangenheit hat mich immer wieder eingeholt. Aber ich musste stark sein für meine Familie.

Klartext! SPORT1-Reporter Reinhard Franke (l.) traf Berkant Göktan bei seinem Bruder in München zum Exklusiv-Interview
SPORT1-Reporter Reinhard Franke (l.) traf Berkant Göktan bei seinem Bruder in München zum Exklusiv-Interview

SPORT1: Stimmt es, dass Sie damals bei 1860 betrunken und auch verletzt von Alkoholexzessen zum Training gekommen sind und der Verein dies gedeckt hat?

Göktan: Ja. Der Verein hat mich geschützt. Auch meine Mannschaftskollegen haben damals mitbekommen, dass ich alkoholisiert beim Training erschienen bin. Ich habe oft nach Alkohol gerochen.

SPORT1: Wie konnten Sie so den Boden unter den Füßen verlieren? Sie waren ein gefeierter Fußballer und zu dieser Zeit auf dem Höhepunkt Ihrer Karriere.  
 
Göktan: Schwer zu sagen. Es gibt viele Gründe. Es war die Gier, es waren falsche Freunde. Wenn man einmal Drogen nimmt, möchte man es nochmal versuchen. Man kann nicht aufhören. Und irgendwann kommt es raus. Als ich es nicht mehr verheimlichen konnte, habe ich es sofort gelassen. Der damalige Sportdirektor Stefan Reuter hatte mir mit einem neuen super Vertrag sehr geholfen, hat damals finanziell das Maximum für mich rausgeholt. Doch nach der Unterschrift ging es weiter bergab für mich. Und einen Monat später kam die ganze Sache ans Licht.  

SPORT1: Vermutlich auch ein harter Schlag für Stefan Reuter und Marco Kurz …

Göktan: Es tut mir so leid, dass ich das Vertrauen von Herrn Reuter missbraucht habe. Auch Marco Kurz habe ich enttäuscht. Er war mein damaliger Coach bei den 1860-Amateuren. Er hat mich fit gemacht und es mir ermöglicht, dass ich bei 1860 spielen konnte. Unter Kurz lief es für mich so gut, dass Walter Schachner (damalige Trainer bei den Profis von 1860, d. Red.) mir eine Chance gab, in der 2. Liga zu spielen. Später wurde dann Kurz der Cheftrainer. Ich bereue wirklich sehr, dass ich mich nicht bei den Verantwortlichen, den Fans und den Spielern persönlich entschuldigt habe. Ich bin einfach abgehauen. Das tut mir sehr leid. Besonders gegenüber Marco Kurz, Stefan Reuter und dem damaligen Präsidenten (Rainer Beeck, d. Red.). Und natürlich den Fans. Ich habe die Liebe der Anhänger in jedem Spiel gespürt. Sie haben mich immer voller Begeisterung unterstützt und dafür möchte ich mich sehr bedanken und auch entschuldigen.

Berkant Göktan gab SPORT1-Reporter Reinhard Franke (r.) nach elf Jahren das erste Interview
Berkant Göktan gab SPORT1-Reporter Reinhard Franke (r.) nach elf Jahren das erste Interview

SPORT1: Wie liefen damals die Abende ab, an denen Sie Drogen konsumiert haben? 

Göktan: Es gab keine Party-Tour durch die Stadt. Es war privat. Ich habe mich einfach zu Hause eingesperrt und die Drogen und den Alkohol allein für mich konsumiert.  
 
SPORT1: War auch der Druck ein Grund für den Absturz? Sie waren damals der Star im Team der Löwen.
 
Göktan: Es lag nicht am Druck. Ich hatte eine Fußverletzung, eine Blutvergiftung und wurde zweimal in Mannheim operiert. Die Operation war sehr heikel. Ich weiß nicht, wie es letztendlich dazu gekommen ist. Ich hatte den Kopf einfach nicht mehr frei. Es hat sich vieles aus der Vergangenheit angestaut. Oft ging es von null auf 100 und wieder zurück. Ich konnte mich einfach nicht stabil halten.  

Jetzt Trikots und Fanartikel aus der 3. Liga bestellen - hier geht's zum Shop! | ANZEIGE

SPORT1: Wie war der weitere Verlauf bei 1860 nach Ihrer Vertragsverlängerung?  
 
Göktan: Kurz danach hatte ich diese Fußverletzung. Eine Glasscherbe musste entfernt werden. Nach der Operation wusste ich noch nicht, dass ein Splitter zurückgeblieben ist. Im Trainingslager bekam ich Schmerzen im Fuß, habe diese aber zunächst ignoriert. Mein Fuß entzündete sich und nach einer weiteren Untersuchung war klar, dass ein verbliebenes Glasstück die Schmerzen verursachte und eine Blutvergiftung hervorgerufen hatte. Ich musste schließlich noch zwei Mal operiert werden. Das war ein Punkt, an dem es mir sehr schlecht ging. Dann kam das Kokain und alles fiel zusammen. Ich konnte es nicht mehr bremsen. Ich bin mittlerweile sehr froh darüber, dass es publik wurde. Für mich war dann Schluss mit Drogen. Nochmal: Dass ich geflohen bin, mich nicht hingestellt und entschuldigt habe, war falsch. Dass ich den Verantwortlichen nicht ins Gesicht geschaut und gesagt habe, dass es mir leidtut, auch. Das beschäftigt mich immer noch.

SPORT1: Beschreiben Sie die Zeit nach Ihrer Entlassung bei 1860 München. 
 
Göktan: Es war sehr schlimm. Vom Verein wurde mir mitgeteilt, dass am nächsten Tag die Medien informiert werden würden. Aber ich wollte mich nicht stellen, wollte nur noch weg. Deshalb bin ich sofort nach Thailand geflogen. Es war sehr spontan. Ich hatte zwei Ziele zur Auswahl und dann fiel meine Wahl auf Thailand. Es war die richtige Entscheidung. 

Im zweiten Teil des Interviews lesen Sie morgen, wie Göktans Bruder ihm die Nase brach, um ihn wieder zur Vernunft zu bringen.