Von Reinhard Franke
Hoffenheims neue Lust auf Defensive
1899 Hoffenheim ist nicht wiederzuerkennen.
Vor dem Spiel bei Borussia Mönchengladbach am Sonntag ist die Stimmung im Kraichgau locker und gelöst.
Kein Wunder, denn sportlich läuft es so gut wie seit der ersten Bundesliga-Saison 2008/2009 nicht mehr. Damals rockte man die Liga und wurde nach der Hinrunde Herbstmeister.
Vergleiche mit einst hört Trainer Markus Gisdol gar nicht gerne.
Warum auch? Er ist mit seinem Team jetzt erfolgreich und überrascht die Experten Woche für Woche aufs Neue. Die Hoffenheimer belegen vor der Reise an den Niederrhein Platz vier. Die Borussen liegen punktgleich auf Rang zwei.
Der Hoffenheimer Höhenflug lässt sich in Zahlen ablesen. Nach neun Spieltagen hat 1899 17 Punkte und ein Torverhältnis von 13:7.
Zum Vergleich: In der Vorsaison waren es nach neun Spielen 21:22 Tore und 10 Punkte. Das Wort Spitzen-Mannschaft möchte in Hoffenheim aber keiner in den Mund nehmen.
Baumann bleibt auf dem Teppich
"Für eine derartige Einschätzung ist es viel zu früh", sagt Torwart Oliver Baumann im Gespräch mit SPORT1.
"Wir stehen aktuell ganz gut da, aber wenn wir uns auch nur einen Tag auf dem Erreichten ausruhen, werden wir ganz schnell eingeholt und überholt."
Mittelfeldspieler Pirmin Schwegler ergänzt bei SPORT1: "Wir sind gut in eine Saison gestartet. Das ist es. Nicht mehr, nicht weniger. Wir haben viel gearbeitet und haben noch einiges an Arbeit vor uns. Da ist es mir noch zu früh, um von Erfolg zu sprechen."
Prunkstück Defensive
Doch erfolgreich ist das, was die Gisdol-Elf in dieser Saison auf dem Rasen zeigt. Und ein Grund ist sicherlich das neue Prunkstück, die Defensive.
"Wir verteidigen als Mannschaft sehr effektiv. Jeder macht mit, jeder ist bereit dem anderen zu helfen und auch den Schritt zu machen, der dann wehtut. Das ist der Schlüssel", erklärt Baumann. Die Bundesliga sei "sehr stark und man kann nur als Kollektiv bestehen."
Vom ersten Tag bestens integriert
Der 24-Jährige kam vor der Saison vom SC Freiburg zur TSG und war vom ersten Tag an bestens integriert. Für Baumann seien die ersten Monate in der neuen Umgebung "sehr gut" gewesen.
"Auf dem Platz und abseits. Ich habe mich in der Mannschaft schnell wohlgefühlt und auch das private Umfeld passt. Heidelberg ist eine sehr schöne Stadt, in der es viel zu entdecken gibt - ich bin immer noch dabei."
Ein weiteres Mosaiksteinchen ist mit Schwegler der andere Neuzugang in Hoffenheims neuformierter Hintermannschaft.
Der 27-Jährige wechselte im Sommer von Eintracht Frankfurt nach Hoffenheim und hat ein entscheidender Faktor am neuen Bollwerk der Gisdol-Elf.
"Wir verteidigen als Mannschaft"
"Es klingt inzwischen im Fußball ja fast schon wie eine Floskel, aber es stimmt einfach. Wir verteidigen als Mannschaft. Das fängt bei den Stürmern an und hört bei Oliver Baumann auf.
Anders kann man in der Bundesliga nicht erfolgreich sein", sagt Schwegler über die neue Defensiv-Kunst seines Teams.
"In der Vorsaison habe ich die Entwicklung ja nur aus der Ferne verfolgt, aber ich denke, auch da war im Lauf der Saison schon eine größere Stabilität zu sehen. Wir haben jetzt einen weiteren Schritt gemacht."
Baumann und Schwegler - zwei Korsettstangen für den neuen Erfolg im Kraichgau. Wie hat es Baumann persönlich geschafft seine Rolle so souverän einzunehmen?
"Die Mannschaft hat mich toll aufgenommen. Die ersten Tage waren sehr einfach, weil die Stimmung in der Kabine einfach stimmt. Wenn man in ein funktionierendes Team mit einer klaren Hierarchie kommt, ist es einfach, den eigenen Platz zu finden. Das ging nicht nur mir, sondern auch den anderen Neuzugängen so."
Noch kein Spiel verloren
Hoffenheim hat als einziges Team neben dem FC Bayern und Borussia Mönchengladbach noch nicht verloren, auch dank der Souveränität in der Abwehr. Doch träumen wollen sie nicht. Es seien "viele Faktoren", meint Baumann.
"Wir haben mit Sicherheit viele gute Fußballer in unseren Reihen, aber wir machen in erster Linie unsere Job als Mannschaft."
Und weiter: "Wir finden derzeit eine gute Balance zwischen Offensive und Defensive. Aber wir sollten das alles nicht überbewerten. Es steht erst der zehnte Spieltag an. Wir entwickeln uns gut, aber wir wissen auch alle, dass wir noch einen weiten Weg vor uns haben."
Schwegler bleibt vorsichtig
Schwegler sieht es ähnlich: "Ich sage: Wir sind Vierter nach dem neunten Spieltag. Mehr ist es nicht. Topmannschaft? Wenn wir uns so nennen, bringt uns das auf dem Platz kein bisschen weiter. Wir machen weiter unsere Arbeit - jeden Tag im Training. Dann sehen wir, was dabei herauskommt."
In Gladbach soll der Erfolgsweg aber erst mal weitergehen. Und es werde "sehr schwer", so Schwegler.
Und er begründet dies: "Gladbach hat in der laufenden Saison noch kein Spiel verloren, obwohl sie in drei Wettbewerben dabei sind. Bayern München hat sich vergangene Woche dort sehr schwer getan. Das sagt glaube ich alles. Wir werden eine absolute Top-Leistung abrufen müssen, um dort bestehen zu können."