Der "giftige Schleicher" schlurfte in seinen halb offenen Basketball-Schuhen als Letzter aus der Kabine, dann schaute er sich ohne jede Regung im Stadion-TV sein Tor an.
Der "Schleicher" schlägt wieder zu
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Alex Meier war vorher zur Frankfurter Kurve gegangen. Er hatte sein Trikot einem Fan geschenkt.
Zuckt sein Mundwinkel, ist das fast schon der Gipfel der Extravaganz. Nun, 50 Minuten später, hätte der "Fußballgott" absolut jedes Recht gehabt, euphorisch von grandiosen Monaten zu schwärmen.
Selbstverständlich tat er das nicht. Denn Alexander Meier, 31 Jahre, 13 Saisontore, das Phänomen der Bundesliga-Hinrunde, ist derart bescheiden, dass es fast wehtut.
"Die Kanone ist nicht so wichtig"
"Tore sind unwichtig, wichtig sind Punkte", flüsterte er nach dem 1:1 (1:0) bei Bayer Leverkusen fast.
Der Routinier ließ sich weder sein Urlaubsziel ("Ich nehme nur Laufschuhe mit.") noch seine Weihnachtspläne entlocken. Nur so viel: "Ich wünsche mir nur, gesund zu bleiben."
Seine Ziele für die Rückrunde? "Ich wäre ein reicher Mann, könnte ich in die Zukunft sehen."
An den Titel des Torschützenkönigs verschwendet Meier dabei keinen Gedanken: "Ich bin mir sicher, dass die Kanone einer von Bayern holt. Aber das ist auch nicht so wichtig. Wichtig ist, dass wir einen Punkt für uns geholt haben. Jetzt können wir alle glücklich das Weihnachtsfest genießen", erklärte er bei "Sky".
Lob von allen Seiten
Der Klubchef und seine Kollegen waren da schon weitaus weniger zurückhaltend als der Stürmer. "Er ist ein giftiger Schleicher mit super Näschen", sagte Heribert Bruchhagen.
Der Vorstandsvorsitzende der Eintracht erzählte eine Anekdote, die sich 2004 in Meiers Geburtsort Buchholz in der Nordheide zugetragen hat: "Damals hat seine Mutter mir gesagt: In Frankfurt sind doch alle Verbrecher."
Dennoch ist Meier dorthin gewechselt. Bereut haben es beide Seiten nicht.
"Seine Tore sind unser schönstes Geschenk", sagte Mittelfeldspieler Marc Stendera. Bastian Oczipka nannte ihn schlicht "phänomenal".
Der Anti-Ibrahimovic vom Main
Wenn man Meier charakterisieren möchte, ist er eine Art Anti-Ibrahimovic.
Dort der extrovertierte, sich an sich selbst berauschende Selbstdarsteller mit Allüren im Hunderter-Pack. Und hier Meier, der niemals die Leistung eines anderen unter seiner einordnen würde - sei es die eines jugendlichen Ersatzspielers, eines Physiotherapeuten oder Rasenpflegers.
Ja, vielleicht hätte man demjenigen, der solcherlei Großtaten prophezeit hätte, zu Saisonbeginn "keine Ahnung" bescheinigt. Das quälte Meier sich heraus. Ansonsten: "Hätte, wäre, wenn. Was soll's."
Das ist Meier. 1,96 Meter, Schuhgröße 45, weder laufstark noch Edeltechniker.
Aber enorm effizient.
18 Tore im Jahr 2014
Vergangene Woche, nach seinen zwei Last-Minute-Toren beim 4:4 gegen Hertha BSC, jubelte er ausnahmsweise mal etwas wilder. Kurz. Skandale wird es mit ihm nicht geben.
Tore dagegen liefert er am Fließband. 13 sind es in seiner überragenden, ja sensationellen Hinrunde gewesen, insgesamt 18 im Kalenderjahr 2014. Beide Statistiken führt er an.
In allen anderen wie Ballkontakten, die ja neuerdings Ballaktionen heißen müssen, oder Laufkilometern liegt er stets hinter der Konkurrenz.
Meier hat in Leverkusen nur 32 Mal den Ball gehabt und ganze zwölf Pässe gespielt, bei Bayers Stefan Kießling waren es immerhin 66 beziehungsweise 32. In den wirklich entscheidenden Kategorien war es hingegen umgekehrt. Torschüsse Kießling: 0. Torschüsse Meier: 3. Tore Kießling: 0, Tore Meier: 1. (Hin und her in Leverkusen - die Highlights auf SPORT1.fm)
Lebensversicherung auf zwei Beinen
So läuft es häufig. Sieben Mal traf Meier in den vergangenen sechs Spielen. Diesmal per Foulelfmeter (37.). Nur der späte Ausgleich von Karim Bellarabi (83.) verhinderte, dass die Eintracht über Weihnachten vom Europapokal träumt.
Sollten die Hessen es in der Rückrunde doch noch in einen internationalen Wettbewerb schaffen, dann wohl vor allem dank Meier.
Der Tormaschine, die alles andere als eine Sprüchemaschine ist.