Beim FC Bayern galt Mitchell Weiser für viele schon als gescheitertes Talent. Im Juli 2012 mit großen Vorschusslorbeeren vom 1. FC Köln gekommen und in der Rückrunde an den 1. FC Kaiserslautern ausgeliehen, hat er es in den vergangenen zweieinhalb Jahren gerade mal auf 156 Bundesliga-Minuten für die Münchner gebracht.
Es hat Klick gemacht
© Getty Images
In der Vorrunde schien der erhoffte Platz im Profikader für den 20-Jährrigen unerreichbar und sein Abschied vom FCB eigentlich nur noch eine Frage der Zeit zu sein. Doch seine Position im Team von Trainer Pep Guardiola hat sich überraschend schnell geändert.
Im Trainingslager in Doha hat Weiser viel investiert, sich mit aller Macht aufgedrängt - am Ende mit Erfolg. Nicht nur in den normalen Einheiten war der Sohn von Ex-Profi Patrick Weiser bis zum letzten Tag mit vollem Eifer bei der Sache, auch in den Testspielen bewies der gelernte Rechtsaußen auf der ungewohnten Position als Rechtsverteidiger seine Qualitäten.
Veränderte Einstellung
Mit Technik, Tempo und Zug zum Tor machte der gebürtige Troisdorfer gleich mehrfach auf sich aufmerksam. Beim 4:1 der Bayern gegen die Katar Stars traf er sogar doppelt.
"Wir als Klub erkennen seit grob einem halben Jahr eine Wandlung bei ihm. Mitchell trainiert extrem gut und arbeitet an sich. Es hat bei ihm Klick gemacht", erklärte Sportvorstand Matthias Sammer und attestierte ihm "einen gewissen Lernprozess".
Der einst extrem schmächtige 1,76-Meter-Mann hat an seiner Physis gearbeitet und Muskeln aufgebaut, was ihm auf dem Platz nun endlich das nötige Durchsetzungsvermögen gibt. Ebenso wichtig wie die vielen Extraschichten im Kraftraum ist jedoch seine veränderte Einstellung.
"Mitchell ist kein Zweifler"
Nach Monaten des Frusts hat er den Fehler zunächst in seinem eigenen Verhalten gesucht. Weiser hat viel nachgedacht, ist in sich gegangen und hat sich gefragt, ob er auch wirklich "alles mit 100 Prozent gemacht" hat - das Resultat war eindeutig: "Wenn man mich jetzt sieht, ist klar, dass es nicht immer 100 Prozent waren."
Sammers Lob will er darum erstmal nicht überbewerten. "Das hat echt gut getan und spornt mich weiter an. Aber nur, weil ich jetzt ein bisschen gelobt werde, denke ich nicht, dass ich schon irgendetwas erreicht habe", blieb Weiser im Interview auf der Klubhomepage ganz bescheiden.
Sein Vater wertet den auffälligen Sinneswandel derweil als Zeichen von Charakterstärke. Denn die ihm eigene Lockerheit habe er dennoch nie verloren: "Mitchell ist kein Zweifler", sagte Patrick Weiser der "Abendzeitung". "Er hat eine gewisse Unbekümmertheit, einfach Spaß am Spiel. Das steht bei ihm im Vordergrund."
Mit Negativschlagzeilen ins Abseits
Nicht zuletzt aufgrund dieser großen, mitunter an Naivität grenzenden Unbekümmertheit hatte Mitchell Weiser bislang aber ziemlich bescheidene Schlagzeilen geschrieben.
Unter anderem hatte er im Mai 2014 auf die wichtigen Drittliga-Relegationsspiele mit der zweiten Mannschaft der Münchner verzichtet, um mit Freunden zur Formel 1 nach Monaco zu düsen. Halbstarke Facebook-Fotos vor dem Helikopter inklusive.
Nur zwei Monate später verletzte er sich dann - sehr zum Unmut der FCB-Verantwortlichen - wenige Tage vor dem Trainingsauftakt bei einem Freizeitkick und verpasste einen Teil der Vorbereitung.
Comeback nach "schweren Wochen"
Dass er den Verein im Sommer eigentlich schon verlassen sollte, war auch daran abzulesen, dass der Rekordmeister ihm damals gleich zwei Mal innerhalb weniger Wochen eine neue Rückennummer verpasste.
Seine angestammte 23 musste er erst an Reservekeeper Pepe Reina abgeben und gegen die 24 eintauschen. Doch die erhielt wenig später mit Sinan Kurt ein neu verpflichtetes Talent an der Säbener Straße. Weiser wurde nach hinten durchgereicht, bekam die 30 und blieb anschließend über Monate außen vor.
"Es waren schwere Wochen für mich. Aber ich bin zum Glück kein Grübler, ich habe immer nach vorne geblickt. Und es hat sich ausgezahlt", findet Weiser heute.
Happy End in der Rückrunde?
In der Tat, denn nach seinem starken Trainingslager und den Abgängen von Xherdan Shaqiri und Pierre-Emile Hojbjerg ist er im verschlankten Aufgebot wieder zu einer ernsthaften Alternative geworden. Das spiegelt sich auch in seinem Verhältnis zu Coach Guardiola wider: "Er spricht mittlerweile viel mit mir. Das tut gut. Ich merke, dass er mich wahrnimmt", sagt Weiser.
Dass sich der Status des Flügelflitzers auch sonst grundlegend geändert und er inzwischen wieder ein vollwertiger Teil des Vereins ist, zeigt sich schon in Kleinigkeiten wie der Tatsache, dass es für ihn am Samstag wie für die anderen Stars auch auf Fanklub-Tour ging - die Talente wie Kurt und Co. sind dagegen zuhause geblieben.
Weiser ist wieder mittendrin statt nur dabei. Sein Vertrag in München läuft zwar am Saisonende aus, doch eine Verlängerung erscheint mittlerweile zumindest nicht mehr ausgeschlossen.