Wie mit einer Titanlegierung schien die Abwehr des FC Bayern gefertigt. Unkaputtbar. Nur vier Gegentore in 17 Spielen, diese Bilanz glänzte, überdeckte aber Gefahren.
Hohe Verteidigungslinie wird Knackpunkt
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Gegen Paderborn durfte Idir Ouali allein aufs Bayern-Tor zulaufen, in Mainz hatte Yunus Malli die gleiche Großchance. Keinen interessierte es - dank der Siegesserie des Spitzenreiters. Konteranfälligkeit? Es lief doch - bis zum 1:4 in Wolfsburg.
Dreimal konterten die Niedersachsen den FCB aus, seitdem tobt in München vor dem Spiel gegen Schalke 04 (ab 19.45 Uhr im LIVE-TICKER und bei SPORT1.fm) ein Richtungsstreit.
Die Kernfrage: Muss die Mannschaft von Trainer Pep Guardiola wirklich derart hoch verteidigen? In Guardiolas Planspielen rückt der letzte Abwehrspieler im Extremfall bis zu zehn, zwanzig Meter in die Hälfte des Gegners auf.
Abwehrspieler zweifeln
Wie SPORT1 aus dem Klub-Umfeld erfahren hat, sind die Abwehrspieler mit dieser hohen Verteidigungslinie unglücklich.
Aus ihrer Sicht ist das Risiko auf dem falschen Fuß erwischt zu werden zu hoch. Allein in Laufduelle mit schnellen Gegenspielern wie Wolfsburgs Kevin de Bruyne geht kein Defensivspezialist der Welt gerne, die Innenverteidiger Dante und Jerome Boateng litten so in Wolfsburg.
Beckenbauer krittelt
Vor allem der Brasilianer, der beim dritten und vierten Gegentor keine glückliche Figur abgab, war der Gelackmeierte. Und von Franz Beckenbauer, Ehrenpräsident und erster Sachverständiger des Klubs für Verteidigungsfragen, gab es Saures.
"Am Freitag ist aufgefallen, mit welchem Rucksack Dante gespielt hat", sagte Beckenbauer bei Sky. "Die meisten Tore sind durch die Mitte gefallen. Wenn du nicht hundertprozentig fit bist, bist du da natürlich anfällig."
Elber verteidigt Dante
Giovane Elber hält diese Schelte für überzogen. "Dante war nicht der Einzige, der gegen Wolfsburg nicht gut aussah", sagte der Ex-Bayern-Star der tz. Ein Trauma bei Dante wegen der vergeigten Heim-WM und des 1:7 gegen Deutschland sieht der Brasilianer ganz und gar nicht. "Er ist Profi genug, um dieses Spiel abzuhaken."
Dante absolvierte zudem eine gute Vorbereitung, zog so an Medhi Benatia vorbei, der an Rückenproblemen laborierte. Und Holger Badstuber brauchte nach seiner Verletzungspause noch etwas Zeit.
Wieder mit Dante und Boateng
Gegen Schalke dürfte wieder das Duo Boateng und Dante zum Einsatz kommen. Und unter Beobachtung stehen. Immerhin fehlt aus Münchner Sicht der rotgesperrte Klaas-Jan Huntelaar, dem Spiel der "Knappen" ist so etwas Tempo entzogen.
Das Grundproblem der Bayern bleibt aber: Gehen Bälle in der Vorwärtsbewegung verloren, ist das Team verhältnismäßig leicht auszukontern.
Schwächen bei Alonso und Schweinsteiger
Helfen sich alle Spieler - offensive wie defensive, funktioniert das Konzept. Der Ball wird bei Abspielfehlern rasch zurückerobert. Doch arbeiten im Mittelfeld die Vorarbeiter namens Xabi Alonso und Bastian Schweinsteiger ungenau, wirkt rasch die ganze Startruppe gestresst.
Die schlimmsten Erinnerungen sind die beiden verpatzten Champions-League-Halbfinalspiele gegen Real Madrid im vergangenen Jahr: Bayern lief in Madrid in einen Konter, in München kamen Fehler bei Standards und weitere Patzer bei Konter hinzu.
Pep Guardiola weiß, dass in seinem Team jetzt Zweifel aufkommen an der eigenen Linie.
"Dann sind wir kaputt"
Am Montagmittag sprach er daher so klar und deutlich wie seit langem nicht mehr, sein manchmal schluderiges Deutsch wirkte wie aufpoliert für den Auftritt. Immer wieder nahm er das Wort "falsch" in den Mund, um dann seine Interpretation zu geben.
"Wenn wir den Gegner laufen lassen, wenn wir die Konter nicht kontrollieren, sind wir kaputt. Wir haben in Wolfsburg Jerome Boateng und Dante allein gelassen, das war auch mein Fehler", sagte er.
"Der Ball ist immer schneller als die schnellsten Spieler der Welt."
Guardiola hat in der Vorrunde genau beobachtet, war selbst nach der magischen Nacht, jenem 7:1 in Rom, nicht rundum zufrieden.
Gegen Schalke braucht er jetzt ein Erfolgserlebnis - auch für den Glauben der Spieler ans eigene System.