Huub Stevens ging in die Offensive. Ob er im Training den Fokus auf die Defensivarbeit gelegt habe, war der neue Coach der TSG 1899 Hoffenheim gefragt worden. Und prompt grantelte er los.
Stevens: Defensivguru wider Willen
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"Du fängst doch mit einer Mannschaft an, von hinten heraus aufzubauen. Wenn du das von vorne machst, ist das super", sagte der Niederländer mit ironischem Unterton. Er hatte keine Lust, sich nach dem 0:0 beim 1. FC Köln für seine Taktik rechtfertigen zu müssen. "Wenn ihr es meint, dann bin ich halt ein Defensivtrainer", sagte er zu den Journalisten.
Erinnerungen an Satz aus Schalke
Diesen Stempel trägt Stevens seit Jahren. Als der 61-Jährige am Dienstag als Nachfolger von Markus Gisdol vorgestellt wurde, kam den Fußballfans automatisch ein alter Stevens-Satz in den Sinn. "Die Null muss stehen", sagte der Coach, als er noch bei Schalke 04 arbeitete.
Dieses Zitat stammt aus einer Zeit, als die Profis auf Nasenpflaster setzten, schwarze Fußballschuhe trugen und ihr Gehalt in D-Mark ausgezahlt bekamen. Stevens bewies bei seinem Debüt als Hoffenheimer Coach, dass sein altes Credo auch im Jahr 2015 noch gültig ist.
Ein dritter Sechser
Der zuletzt verunsicherten Mannschaft verlieh er durch eine Personalrochade mehr Stabilität: Er stellte Eugen Polanski und Pirmin Schwegler mit Sebastian Rudy einen dritten nominellen Sechser zur Seite.
Köln schaffte es trotz der defensiven Hoffenheimer Ausrichtung, eine Vielzahl von Chancen zu kreieren. Doch vor allem Anthony Modeste scheiterte zumeist kläglich. Somit ging der Plan des Niederländers auf.
Stevens wirkte auch emotional wie ein Gegenentwurf zu seinem Vorgänger. Gisdol stand als Trainer am Rand und trieb die Mannschaft mit seiner Gestik nach vorne. Der Niederländer blieb in Köln zumeist auf der Bank sitzen. Er war mehr Beobachter denn Einpeitscher.
Disput mit Schiedsrichter Perl
In der ersten Halbzeit gab es mal einen Disput mit Schiedsrichter Dr. Günter Perl. Doch Stevens hatte sich schnell beruhigt.
Später gab es keinen Anlass mehr, sich über den Unparteiischen zu beschweren. Im Gegenteil. Hoffenheim hatte Glück, weil Perl den Kölnern nach Tobias Strobls Handspiel einen Elfmeter (57.) verweigerte.
Das wiederum brachte Stevens‘ Trainerkollegen auf 180. "Mehr Hand geht nicht. Aus 50 Metern habe ich es gesehen. Hand wird in Köln anders bewertet", sagte FC-Coach Peter Stöger bei Sky. Damit spielte er auf ein Handtor von Hannovers Leon Andreasen in Köln vor zwei Wochen an.
Heintz mäkelt an Spielweise
Nicht nur Stöger fand nach der Partie kritische Worte. Kölns Dominique Heintz mäkelte über die Spielweise des Gegners. "Die wollten heute wirklich zu Null spielen und waren mit dem Ergebnis zufrieden. Ich habe jetzt noch nicht den Effekt durch den Trainerwechsel bei Hoffenheim gesehen", sagte der Abwehrspieler.
Was sich auf jeden Fall bei den Kraichgauer geändert hat, ist der Humor. Auch da unterschied sich Stevens deutlich von Gisdol. Der 61-Jährige erklärte, dass sich seine Familie "sehr, sehr gefreut" habe, als seine Rückkehr ins Trainergeschäft feststand. Stevens‘ Miene verriet die Ironie in seiner Aussage.
Mallorca-Urlaub abgesagt
Denn eigentlich wollte er am Montag mit Frau Toos nach Mallorca reisen. "Mit wem sie jetzt fliegt, das weiß ich nicht", scherzte Stevens.
Er weiß dafür, dass er am kommenden Samstag gegen Eintracht Frankfurt spielen muss. Dann wird ein 0:0 zu wenig sein.