Als der FC Bayern am 26. August 2017 bei Werder Bremen gastiert, ist die (Fußball-)Welt von Thomas Müller längst aus den Fugen geraten. Beim glanzlosen 2:0-Sieg der Münchner sitzt der Nationalspieler 73 Minuten lang auf der Ersatzbank.
Wie Müller wieder Müller wurde
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Der van Gaal'sche Leitsatz 'Müller spielt immer', hat unter Carlo Ancelotti keine Gültigkeit mehr. Aus dem unumstrittenen Müller ist immer mehr ein Mitläufer geworden. Einer, der sich zwar immer noch aufreibt, das Tor bei seinen seltener werdenden Einsätzen aber nicht mehr trifft.
Immerhin bereitet er in Bremen nach seiner Einwechslung noch den Treffer von Robert Lewandowski zum Endstand vor, gefrustet ist er dennoch. "Ich weiß nicht, welche Qualitäten der Trainer sehen will - meine sind nicht zu 100 Prozent gefragt."
Verlorenes Jahr unter Ancelotti
Ein gutes halbes Jahr später ist Müller zurück in der Zukunft: Bestens gelaunt kommt er aus den Katakomben des Freiburgers Stadion, eben hat er noch einen Doppelpack zu Bayerns 4:0 gegen die Gastgeber beigetragen - auch wenn ein Treffer als Eigentor von SC-Keeper Alexander Schwolow gewertet wurde.
Er flachst über jenes 1:0 in der 25. Minute ("Da muss ich noch einen Anruf (bei der DFL, d.R.) tätigen und schauen, ob da noch was geht"), spricht über die Geburt eines Fohlen ("Mir ist ein Stein vom Herzen gefallen, dass alles gutgegangen ist") und zieht ein positives Fazit des Kantersiegs: "Wir hatten heute alle sehr viel Spaß."
Es ist offensichtlich: Der Müller vom März 2018 hat mit dem Müller vom August 2017 nicht mehr viel zu tun. Das verlorene Jahr unter Ancelotti hat er abgeschüttelt.
Er, der auch unter Jupp Heynckes und Pep Guardiola nahezu unantastbar war, fand sich in der vergangenen Spielzeit öfter auf der Ersatzbank wieder, als ihm lieb war. Das Vertrauen in die Müller'schen Fähigkeiten hatte Ancelotti nicht, er ließ ihn sogar im entscheidenden Champions-League-Viertelfinale gegen Real Madrid draußen.
Heynckes lobt Müller zu alter Stärke
Tempi passati, würde Ancelotti sagen, vergangene Zeiten. Mit der Entlassung des Italieners und des Comebacks von Heynckes endete auch Müllers bleierne Zeit. Wie per Knopfdruck kam der Nationalspieler wieder in seinen gewohnten Tritt.
Hatte er 2017/18 in den sieben Bundesligaspielen unter Ancelotti nur ein einziges Törchen geschossen, so klingelte es in den ersten beiden Heynckes-Spielen gleich drei Mal. Mittlerweile hat die offensive Allzweckwaffe der Münchner zehn Saisontore auf dem Konto, womit er sich früheren Torquoten wieder annähert.
Dass sich der Torjäger in seiner Haut als Stürmer wieder wohler fühlt, dafür sorgte nicht zuletzt der Trainer. "Einen solchen Spielertypen gibt es in ganz Europa nicht", schwärmt Heynckes. "Müller ist ein Stück FC Bayern. Er ist nicht nur ein Führungsspieler, sondern eine Identifikationsfigur auch für die Region. Das ist seine Heimat, der Klub ist sein Klub."
Heynckes lobt seinen unorthodoxen Angreifer, wo es nur geht - und Müller zahlt mit Leistung zurück. Dabei zeichnet es den Freigeist Müller aus, dass er keine feste Position hat - egal, wo er startet.
"Thomas brauchen wir immer"
"Ich bin ja kein klassischer Rechtsaußen", sagte er nach der Gala in Freiburg. "Es gibt ja heutzutage sogenannte Heatmaps. Ich weiß jetzt nicht genau, ob die sich so unterscheiden, ob ich in der Mitte starte oder rechts. Ich glaube, die sind relativ ähnlich."
Und da wäre auch noch die Geschichte mit der WM. Immer wenn die Titelkämpfe nahen, dreht Müller auf. Zusammengenommen zehn Tore erzielte er 2010 (5) und 2014 (5) - so viele, wie kein anderer Stürmer.
Und so wird Müller ab Juni für Deutschland auf Rekordjagd gehen - und möglicherweise Miroslav Klose, mit dem er in Rio de Janeiro Weltmeister wurde, als WM-Rekordtorschützen (16) ablösen.
Wie sagte Mats Hummels nach Müllers Gala in Freiburg in der Bild?: "Thomas brauchen wir immer und gegen jede Mannschaft der Welt! Ich glaube, das ist deutlich genug." Sieht aus, als habe van Gaals Formel wieder Gültigkeit.
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