Schalke gegen Dortmund, Königsblau gegen Schwarz-Gelb, S04 gegen BVB oder einfach nur: das Revierderby.
Wie aus S04 und BVB Rivalen wurden
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Es ist wohl das brisanteste Spiel der Bundesliga, das den fußballverrückten Ruhrpott zweimal im Jahr zum Kochen bringt. Das Duell der Erzrivalen aus dem Ruhrgebiet hat bereits unzählige Geschichten geschrieben und zahlreiche Helden hervorgebracht.
SPORT1 blickt auf die historische Rivalität und erklärt den Mythos "Revierderby".
Arbeitervereine geprägt von den Tugenden des Ruhrpotts
Im April 2019 trafen der FC Schalke 04 und Borussia Dortmund zum 179. Mal seit 1925 aufeinander. Schalke gewann am 31. Bundesliga-Spieltag überraschend mit 4:2 in Dortmund und feierte den 71. Derby-Sieg. Dem stehen 47 Unentschieden und 61 Siege für den BVB gegenüber. Das Torverhältnis aus allen bisherigen Derbys spricht mit 340:273 für Schalke.
Die Städte Gelsenkirchen und Dortmund trennen gerade einmal rund 30 Kilometer, so dass Spannungen also alleine wegen der räumlichen Nähe vorprogrammiert sind.
Doch trotz aller Rivalität: Die Geschichten der Vereine lesen sich in den Anfangsjahren relativ ähnlich. Der FC Schalke und der BVB zählen als Arbeitervereine und stehen für die Tugenden des Ruhrpotts. Dies zeigt sich schon in den beiden Slogans der Vereine: "FC Schalke 04. Wir leben dich". vs. "Echte Liebe" auf Seiten des BVB.
Schalker tragen sich ins Goldene Buch der Stadt Dortmund ein
In den ersten Duellen in den 1920er und 1930er Jahren, als der BVB noch in den Trikotfarben Weiß und Blau auflief, dominierte der FC Schalke. Da die Knappen lange Zeit die klare Nummer eins im "Pott" waren, kam auch eine wirkliche Rivalität lange Zeit nicht zu Stande.
Das Goldene Buch der Stadt Dortmund versammelt die Helden ihrer Zeit. Kaiser Wilhelm II. hat sich 1899 nach der Hafeneröffnung als Erster mit edler Feder in das kristallbesetzte Schmuckstück eingetragen.
35 Jahre später dann ist der wohl ungewöhnlichste Eintrag mit Tinte auf Büttenpapier geschrieben: Es sind die Unterschriften der Schalker Meister von 1934. Tatsächlich.
Heute wären die damaligen Szenen undenkbar. Die Schalker im Zug, nach einem Triumph schon 35 Kilometer vor Dortmund gestoppt, fast aus den Wagen gezerrt, heißt es, um sich im Land der Schwarz-Gelben feiern zu lassen.
"Es herrschte eine tiefe Sympathie", sagt Gerd Kolbe, der die Derby-Geschichte als langjähriger BVB-Archivar bestens kennt.
Der Beginn einer Rivalität
Schalke war lange Zeit das fußballerische Aushängeschild des Ruhrgebiets, gehörte mit sechs deutschen Meisterschaften zur Elite des deutschen Fußballs. 1940 gelang Schalke der bisher höchsten Sieg über den BVB (10:0).
Drei Jahre später gewann Dortmund das erste Mal gegen Schalke. Doch erst nach dem Ende des Krieges wurde der BVB zu einem ernstzunehmenden Konkurrenten für Schalke.
Historiker sehen das Duell um die Westfalen-Meisterschaft 1947 als Ursprung der Rivalität. Ein spätes Tor von Herbert Sandmann (84.) entschied das Endspiel zu Gunsten der Schwarz-Gelben. Der Stachel saß nach der 2:3-Niederlage tief bei den Knappen.
Das Revierderby war endgültig geboren. Insgesamt 92 Bundesliga-Duelle lieferten sich "Herne West" (Schalke) und "Lüdenscheid Nord" (Dortmund), wie sich die beiden Rivalen mit beißender Ironie nennen.
Schon in den Anfangsjahren der Bundesliga gab es zahlreiche Anekdoten und Kuriositäten. Sei es das Nebelderby 1966 im Stadion Rote Erde oder der Hundebiss 1969 gegen Friedel Rausch nach einem Platzsturm der Schalke-Fans.
Torwart-Tor, Elfmeter-Held und Aufholjagd
1997 war es Jens Lehmann, der ausgerechnet im Derby das erste Bundesliga-Tor eines Torhüters aus dem Spiel heraus erzielte und den Schalkern den 2:2-Ausgleich bescherte. 2002 wurde mit Frank Rost, der beim 1:0-Sieg in Dortmund gleich zwei Elfmeter hielt, erneut ein Schalke-Keeper zum Helden.
Dramatisch wurde es 2007, als der BVB den Knappen am vorletzten Bundesliga-Spieltag beim 2:0-Sieg die mögliche Meisterschaft entriss.
In der Saison 2017/18 schrieb Schalke das nächste Kapitel der spektakulären Derby-Geschichte, als die Knappen eine der spektakulärsten Aufholjagden aller Zeiten hinlegten.
Bis zur 60. Minute führte Dortmund souverän mit 4:0. Dann begann das epische Comeback der Königsblauen, die sich in der Nachspielzeit mit dem Ausgleich zum 4:4 noch einen Punkt sicherten.
Feindschaft auf den Rängen
Doch leider blieb es oft nicht nur bei der Rivalität auf dem Rasen. Nach einem Pyrotechnik-Eklat 2013 drohten gar beide Vereine damit, keine Gäste-Fans mehr zuzulassen.
Die Feindschaft gipfelte 2009, als Teile eines geklauten 60 Meter langen BVB-Banners ("Gelbe Wand Südtribüne Dortmund") in der Gelsenkirchener Nordkurve auftauchten, oder, als ein Jahr später eine BVB-Fahne auf dem Dach der Schalker Arena im Schnee steckte.
Derbyzeit bedeutet also Ausnahmezustand im gesamten Ruhrpott. Ob in der Arbeit, im Alltag oder schließlich dort, wo es im positiven Sinne heiß hergeht - auf dem Spielfeld.
Und auf diesem wurden seit knapp 100 Jahren die Geschichten geschrieben, die das Derby zu dem machten, was es nun ist: Das wohl emotionalste Spiel Deutschlands.