Die Mannschaften im Bundesliga-Keller sind so schlecht wie nie zuvor, der Abstiegskampf ist ein Abstiegskrampf.
Historisch schlechter Abstiegskampf
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Selbst Schlusslicht 1. FC Nürnberg ist mit seiner unsäglichen Bilanz von 13 Punkten aus 23 Spielen noch nicht abgeschlagen - ja, es besitzt sogar eine realistische Chance, sich direkt auf den 15. Tabellenplatz zu retten. "Kein Schneckenrennen, ein Stillleben", sagte Ex-Weltmeister Thomas Berthold im Kicker so trocken wie treffend.
Aufgeben gilt aber nicht, so hart die Nackenschläge auch sein mögen. So kann sich Hannover-Trainer Thomas Doll sogar vorstellen, dass die schwere Trainingsverletzung von Matthias Ostrzolek (mehrfacher Rippenbruch) zusätzliche Kräfte bei seiner Truppe freisetzt: "Die Mannschaft wird sich für Matthias beim Spiel am Sonntag in Stuttgart für ihn zerreißen."
96-Torhüter Michael Esser hatte den Linksverteidiger am Donnerstag unglücklich mit dem Knie im Rippenbereich getroffen. Ostrzolek steht eine lange Pause bevor, weitere ärztliche Untersuchungen sollten klären, ob möglicherweise auch innere Organe in Mitleidenschaft gezogen wurden.
Das schlechteste Kellerquartett der Bundesliga-Geschichte
Die aktuelle Tabellensituation ist beispiellos. Nach 23 Spieltagen bringen es die letzten Vier, der FC Augsburg (18), der VfB Stuttgart (16), Hannover (14) und Nürnberg (13) gemeinsam gerade mal auf 61 Punkte.
In den 55 Bundesliga-Jahren zuvor war die Zwischenbilanz des Kellerquartetts nach 23 Spieltagen nie so schlecht. Wahrscheinlich wird die historische Tiefstmarke von 27 Punkten, mit denen sich der Hamburger SV 2013/14 in die Relegation rettete, unterboten.
Da werden plötzlich skurril wirkende Ziele für das letzte Saisondrittel aufgerufen. "Wir wollen die Pole-Position in diesem Vierkampf und so unser eigenes Titelrennen gewinnen", sagte VfB-Torjäger Mario Gomez. Es geht im nichts anderes mehr als den rettenden 15. Platz. So sieht es auch Nürnbergs Aufsichtsratschef Thomas Grethlein: "Wenn's gut geht für uns, bleibt es bis zum letzten Spieltag spannend."
Besonders deutlich wird die ungewöhnliche Situation am Beispiel Hannover. Die Niedersachsen haben nur zwei Zähler Rückstand auf den Relegationsplatz, auf dem derzeit der VfB steht, der Gegner von Sonntag (ab 15.30 Uhr im LIVETICKER). Mit einem Sieg und nur 17 Punkten könnte 96 den Abstieg also wieder aus eigener Kraft verhindern. In früheren Jahren hätte man nach 23 Spieltagen mit einer solch schwachen Ausbeute kaum noch eine Chance gehabt.
40 Punkte für den Klassenerhalt?
Wie tief die Kellerkinder im Vergleich zu früheren Jahren gesunken sind, zeigt auch das Beispiel Schalke 04. Der Champions-League-Achtelfinalist hat als 14. nach 23 Spieltagen 23 Zähler auf dem Konto - so wenig wie seit dem Abstiegsjahr 1983 nicht mehr. Dennoch sprechen selbst die größten Pessimisten des Klubs nicht vom Absturz in die 2. Liga, da das Polster mit sieben Punkten auf den Relegationsplatz immer noch recht komfortabel ist.
Augsburg stand selbst in seiner schwächsten Bundesliga-Saison 2012/13 mit ebenfalls 18 Punkten einen Platz schlechter da. Hoffnung macht nach einem Sieg in den vergangenen 14 Spielen trotz wöchentlicher Appelle auch nicht die eigene Leistung. Es bleibt der bange Blick: Patzt die Konkurrenz wieder - wie beinahe immer? Torhüter Gregor Kobel hat in seiner Verzweiflung schon einen "Saufabend" vorgeschlagen.
Seit der Wiedereinführung der Relegation zur Saison 2008/09 schwankt die Punkte-Ausbeute der Kellerkinder. Nimmt man die Punktzahl von Platz 17 plus eins, wurden 2011 und 2015 35 Punkte zum Erreichen von Platz 16 benötigt. Ansonsten reichten deutlich weniger Punkte für die Relegation. 2014 rettete sich der Hamburger SV mit dem Tiefstwert von 27 Punkten erst in die Relegation und dann vor dem Abstieg. Zumindest noch für vier Jahre.
Dementsprechend stammt auch der Minuswert für den direkten Klassenerhalt - also für Platz 15 - aus dem Jahr 2014. Mit 28 Punkten wäre jeder Klub theoretisch gerettet gewesen. Im Schnitt waren seit der Spielzeit 2008/09 nur 33,7 Zähler zur direkten Rettung nötig. Eins wird also auch klar: Die alte Losung vieler Trainer, man brauche die magischen 40 Punkte für den Klassenerhalt, hat längst ausgedient. Hertha BSC war 2014 mit 41 Punkten Elfter und vollkommen sorglos.