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Bundesliga, FC Bayern: Als Wolfsburgs Grafite Klinsmann und Co. demütigte

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Bundesliga, FC Bayern: Als Wolfsburgs Grafite Klinsmann und Co. demütigte

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Als Grafite die Bayern demütigte

An den VfL Wolfsburg hat der FC Bayern überwiegend gute Erinnerungen. Eine der wenigen Niederlagen aber hatte fatale Folgen.
In der Saison 2008/09 empfängt der spätere deutsche Meister VfL Wolfsburg den FC Bayern. Grafite setzt zum Solo-Lauf an und vollendet mit der Hacke. Später wird es zum Tor des Jahres gewählt.
Udo Muras
Udo Muras

Vor 14 Jahren war die Bundesliga ähnlich spannend wie diese Saison.

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Vor dem 26. Spieltag 2008/2009 liegen die ersten Vier nur einen Punkt auseinander und Hertha BSC regiert. Die schärfsten Verfolger sind absolut tor- und punktgleich und treffen am 4. April 2009 direkt aufeinander. Der VfL Wolfsburg empfängt Meister Bayern München - als Favorit!

Die Teilnehmer an einer Abstimmung des kicker setzen im Vorfeld mehrheitlich auf einen Sieg des VfL (43,9 Prozent), an Bayern glauben nur 36,5 Prozent. Denn Felix Magaths Wölfe sind die Mannschaft der Rückrunde 2008/09, laufen mit einer Serie von sieben Siegen ein.

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Jürgen Klinsmanns Bayern dagegen haben das ganze Jahr nicht überzeugt, es gibt längst Zweifel am Können des Sommermärchenarchitekten, der seinen ersten Cheftrainerjob gleich bei den großen Bayern bekommen hat. Jeden Spieler jeden Tag ein bisschen besser machen, das ist sein hehres Ziel gewesen, nach neun Monaten warten sie in München vergeblich auf sichtbare Fortschritte.

Es droht ein Jahr ohne Titel und ein solches ist im Bayern-Kosmos ein verlorenes. Der Nachmittag von Wolfsburg wird eine Zäsur in der Zusammenarbeit von Klinsmann und dem Rekordmeister.

Grafite blamiert die Bayern-Abwehr

Entfesselte Wolfsburger schießen aus allen Rohren, auch wenn das Spitzenspiel gemächlich anfängt. Erst in der 44. Minute köpft Christian Gentner das 1:0, aber schon im Gegenzug stochert der Italiener Luca Toni den Ball zum Ausgleich über die Linie.

Das Bayern-Desaster komprimiert sich in einer fatalen 14-minütigen Phase. Wolfsburgs von Magath entdeckte Wunderstürmer Edin Dzeko (63., 66.) und Grafite (74., 77.) nehmen die Bayern-Abwehr schier auseinander. Symbolisch für die Wachablösung, die an diesem Tag im deutschen Fußball stattfindet, ist das 5:1.

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Da fällt ein Tor, von dem noch Jahre später geredet werden wird. Grafite, zu deutsch "die Bleistiftmine", nimmt den Ball 35 Meter vor dem Tor auf halblinks an und gibt ihn nicht mehr her. Er umkurvt noch im Strafraum Andreas Ottl, Breno, Torwart Michael Rensing und Philipp Lahm, bringt sich dabei eigentlich in eine unvorteilhafte Position.

Er löst das Problem aber auf brasilianische Art. Ohne zu schauen, wo das Tor steht, kickt er den Ball mit der Hacke an allen Verteidigern knapp neben dem Pfosten über die Linie. Ottls Rettungsversuch auf der Linie ist ebenso vergeblich wie alle anderen Maßnahmen an diesem Tag, Wolfsburgs Wunderstürmer zu stoppen.

„Das Tor eine Million Mal gesehen“

"Die nächsten Ausgaben von Tor der Woche, Tor des Monats und Tor des Jahres werden langweilig. Der Gewinner wird stets Grafite heißen", schreibt die Münchner Abendzeitung - und wird recht behalten.

Es wird das Tor des Jahres und sein Schütze nicht nur Torschützenkönig, sondern auch Fußballer des Jahres 2009. Die VfL-Fans wählen es 2010 zum schönsten Bundesligator ihres Vereins, es erhält 58,17 Prozent der Stimmen.

„Überall, wo ich hinkomme, werde ich auf dieses Tor angesprochen“, sagt er noch zehn Jahre später, „ich glaube, ich habe das Tor im Fernsehen und im Internet schon eine Million Mal gesehen.“

Es hat nicht nur für ihn Folgen, für Verlierer Bayern ist es die höchste Niederlage der Klinsmann-Amtszeit, die nie eine Ära war. Und sie ist ein Schock.

"Mit diesem Sieg haben wir Bayern Herz und Seele genommen", sagt der Held des Tages viel später. Denn nicht Bayern, sondern Wolfsburg wird Meister werden. Zum bis dato einzigen Mal übrigens.

Magath wechselt sogar den Ersatzkeeper ein

Felix Magath gibt an jenem 4. April 2009, als der VfL, nach der Hinrunde noch Neunter, erstmals die Tabellenführung übernimmt, alle Zurückhaltung auf: "Wer gegen Bayern so gewinnt, wird automatisch Titelfavorit." Zur Feier des Tages wechselt er eine Minute vor Schluss noch den Ersatztorwart André Lenz ein, so als wäre es ein Freundschaftsspiel auf dem Land.

Magath begründet es damit, dass er ihm einen Einsatz "bei passender Gelegenheit" versprochen habe. Er habe den Trainingsfleiß von Lenz belohnen und ihm zu einer Siegprämie verhelfen wollen, sein Grundgehalt sei ja eher niedrig. Magath: "Ich konnte ja nichts dafür, dass die Gelegenheit gerade in diesem Spiel kam."

Die Bayern aber schäumen, Kapitän Mark van Bommel zetert: "Ich finde das respektlos, weil Magath auch mal hier gearbeitet hat. In meinen Augen ist das eine Demütigung, schlimmer geht es fast nicht."

Klinsmanns Zorn trifft Bayern-Spieler

Bayern-Trainer Jürgen Klinsmann ist bedient, sein Zorn richtet sich allerdings gegen die eigene Mannschaft: „Ich habe zehn Monate den Kopf hingehalten, jetzt sind die Spieler dran.“

Noch in der Nacht auf Sonntag schaut er sich das Spiel an und kasteit sich selbst: „Ich habe die Tore jetzt zig Mal gesehen, immer wieder hin und her gespult“, erzählt er am nächsten Morgen und beschließt eine erste Maßnahme.

Auch er tauscht den Torhüter, allerdings auf Sicht: Hans-Jörg Butt löst Rensing als Nummer eins ab, dessen Traum, in die Fußstapfen eines Oliver Kahn zu treten und eine große Karriere zu machen, an diesem Samstag im April jäh erlischt. Grafites Hackentrick symbolisiert auch Rensings Karriereknick, obwohl ihn an dem Tor keine Schuld trifft.

Zu viele Gegentore für den FC Bayern

Insgesamt aber sind es einfach zu viele Tore, die die Bayern 2008/09 bekommen. Auch mit Butt geht es so weiter, wie schon zuvor im Pokal in Leverkusen (2:4) gibt es auch in der Champions League in Barcelona (0:4) vier Gegentreffer.

Sie zerstören sämtliche Titelhoffnungen und so kommt es wie so oft im Fußball: Der Trainer zahlt die Rechnung - vier Wochen nach dem Debakel von Wolfsburg ist Klinsmann wieder zuhause in Huntington Beach/Florida. Als Bundesligatrainer sieht man ihn erst im November 2019 bei seinem kurzen Abstecher in Berlin wieder.

Ähnlich lange dauert es, bis Bayern mal wieder so hoch verlieren wird (1:5 in Frankfurt).