Timon Wellenreuther zögerte keine Sekunde, als sich die einmalige Chance bot. Der Schalker Torhüter griff sofort zu. Klar. Denn es war schließlich das i-Tüpfelchen auf einen einmaligen Abend.
Zwei neue Schalker Versprechen
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Dass der 19-Jährige neben dem Trikot von Iker Casillas dann auch noch ein Lob von der Real-Legende höchstpersönlich bekam – es war mehr als ein Trostpflaster nach dem 0:2 gegen die Königlichen im Achtelfinal-Hinspiel der Champions League.
"Er ist eine Legende. Er war mein Idol und ist es immer noch. Das war ein großer Abend, auch wenn ich gerne gewonnen hätte", sagte Wellenreuther.
Der jüngste deutsche Torhüter in der Königsklasse
Fürs Erste dürfte es ihm aber auch reichen, dass er mit 19 Jahren und 77 Tagen der jüngste deutsche Keeper ist, der in der Königsklasse spielte. Denn vor gut zwei Monaten hatte er noch gegen Viktoria Köln in der Regionalliga West das Tor der Schalker U23 gehütet. Vor einigen hundert Zuschauern.
Dann verletzten sich hintereinander Ralf Fährmann und Fabian Giefer – und aus der ursprünglichen Nummer vier wurde ganz plötzlich die Nummer eins, nachdem er die etatmäßige Nummer drei Christian Wetklo bereits im Trainingslager verdrängt hatte.
Ruhe ausstrahlen
Eine Nummer eins, die vor allem Ruhe, Gelassenheit und Abgeklärtheit ausstrahlt. Als ob der Sohn des KSC-Präsidenten Ingo Wellenreuther nie etwas anderes getan hätte, als vor 50.000 Fans im Kasten zu stehen. Und abzuliefern.
Dass er sein überzeugendes Bundesliga-Debüt am 19. Spieltag ausgerechnet beim 1:1 bei den Bayern gab, passt da ins Bild. "Ich will der Mannschaft helfen. Und man hilft der Mannschaft mehr, wenn man Ruhe ausstrahlt, als nervös zu sein und Angst zu haben", sagte er.
Wohl wissend, dass es vor allem in der Defensive zu einer gegenseitigen Wechselwirkung kommen kann: Steht die Abwehr sicher, strahlt der Torhüter oft automatisch mehr Sicherheit aus. Und umgekehrt.
Gegen Real stand die Defensive die meiste Zeit, auch wenn Schalke letztendlich ohne Chance gegen zuvor sportlich angeschlagene und personell gebeutelte Madrilenen war. Am Ende fehlte dann doch die Klasse, auch wenn man sich insgeheim ein wenig mehr erhofft hatte als nur eine ordentliche Leistung.
Unbekümmert gegen die Stars
Wellenreuther selbst stach dabei heraus. Ihm half es auch, dass er nach dem 0:1 durch Cristiano Ronaldo (26.) knapp zehn Minuten später einen der gefürchteten Freistöße des Weltfußballers aus dem Winkel fischte. Just zu dem Zeitpunkt, als zarte Gedanken an das 1:6 aus dem Vorjahr aufkamen. "Man sieht natürlich seine Show, die er abzieht. Man hat auch Respekt, will aber natürlich den Ball halten", sagte er. (DATENCENTER: Champions League)
So einfach ist das also offenbar.
Ebenso einfach schien es auch für Felix Platte gewesen zu sein. Der 19-Jährige rückte in der 33. Minute für den verletzten Klaas-Jan Huntelaar in die Sturmspitze und spielte so unbekümmert, als wäre es ein stinknormales Regionalliga-Spiel.
Beinahe hätte er seinen herzerfrischenden Auftritt beinahe gekrönt, als er in der 74. Minute nur die Latte traf. Da war ihm laut eigener Aussage zum zweiten Mal an diesem Abend das Herz in die Hose gerutscht.
Denn eigentlich geht Platte, der ab der kommenden Saison auf Schalke einen Profivertrag erhält, noch in der U19 auf Torejagd. Doch auch er hatte sich im Trainingslager aufgedrängt. Und zuletzt beim 0:1 in Frankfurt sein Bundesliga-Debüt gegeben. So schnell kann es gehen. Vor allem auf Schalke.
Endloser Fundus an Talenten
Sowohl Platte als auch Wellenreuther wurden in der Knappenschmiede ausgebildet.
In dem Nachwuchszentrum also, dass Heldt in den vergangenen Jahren federführend strukturell und personell veränderte. Auf Vordermann brachte und auf Hochglanz polierte.
Die Investitionen zahlen sich aus: Inzwischen können sich die Trainer, ob nun in der vergangenen Saison Jens Keller oder jetzt auch Di Matteo, aus einem schier endlosen Fundus an Talenten bedienen. In Zeiten, in denen sich Schalkes Krankenstand konstant auf Mannschaftsstärke bewegt, eine kleine Lebensversicherung. Aus der Not wird erfolgreich eine Tugend gemacht.
Bestes Beispiel ist Max Meyer: Der hat inzwischen schon 52 Bundesliga-Spiele absolviert. Mit 19. Auch die Weltmeister Benedikt Höwedes und Julian Draxler sind Eigengewächse aus der Knappenschmiede.
"Jungs, die sich anbieten und die willig sind, schenken wir das Vertrauen. Da spielt das Alter keine Rolle", sagte Heldt.
"Timon hat wieder eine gute Partie geliefert. Felix ist reingekommen, hat keine Angst vor nichts und die Latte getroffen. Wenn sie so weitermachen, können die zwei Jungs eine Zukunft haben bei uns", sagte Di Matteo.
Bescheidene Ansprüche
Die Ansprüche an die kurz- bis mittelfristige Zukunft sind natürlich erst einmal bescheiden, zumindest nach außen hin. Wellenreuther ist sich seiner Situation bewusst, dass er zurück ins zweite Glied muss, wenn Fährmann und Giefer wieder fit sind.
Für Platte könnte es jetzt grundsätzlich erst einmal so weitergehen. "Das wäre natürlich super. Jetzt muss ich aber auch erstmal wieder runterkommen, neue Ziele suchen und wieder angreifen", sagte er. Vielleicht schon am Samstag gegen Werder Bremen, denn Huntelaar wird da sowieso noch gesperrt fehlen.
Als Platte schließlich gefragt wurde, ob er denn im Rückspiel in Madrid drei Tore schießen und Real raushauen werde, musste er dann doch lachen. "Drei Stück sind vielleicht ein wenig unrealistisch", sagte er.
Schob dann aber schnell noch hinterher: "Dabei sein wäre aber geil."