Es sollte die große Aufholjagd werden. Nicht nur für Manchester City, vor allem für Pep Guardiola.
K.o. kratzt an Guardiolas Ruf
Er, der bis vor zwei Wochen noch unumstritten war, stand nach dem 0:3 gegen Liverpool auf einmal unter Zugzwang. Eine ganze Saison schien auf dem Spiel zu stehen, und die gesamte Öffentlichkeit stand als Tribunal bereit.
Der so gut wie feststehende Premier-League-Titel? Nicht der Rede wert, so hatte man den Eindruck. Es ging ums Ganze: Guardiola sollte endlich beweisen, dass er mit seinem kompromisslosen Fußballstil die Spiele gewinnt, auf die es wirklich ankommt.
Vom Traum zum Trauma
In seinen drei Jahren als Bayern-Coach war ihm das Champions-League-Finale ebenso verwehrt geblieben, wie in seiner ersten Saison bei City. Nun also der ultimative Test: Würde Guardiola endlich seinem Ruf als weltbestem Trainer auch dann gerecht, wenn er liefern muss?
Mit dem Blitztreffer von Gabriel Jesus fing es für Guardiola traumhaft an - am Ende wurde es zu einem Trauma.
Schon vor dem Viertelfinal-Rückspiel hatte er die unerklärliche Gegentorflut in Liverpool und im Derby gegen United (2:3) selbst angemahnt. "Das ist viele Male passiert - vielleicht ist es mein Fehler. Ich muss darüber nachdenken."
Wer tatsächlich die größte Schuld an der 1:2-Niederlage hatte, lässt sich schwer beziffern. In Guardiolas Augen hieß der größte Sündenbock Antonio Mateu Lahoz. Der Schiedsrichter hatte das vermeintliche 2:0 von Leroy Sane nicht gegeben - tasächlich eine falsche Entscheidung.
Machtlos auf der Tribüne
Doch anstatt die Ruhe zu bewahren, ging Guardiola seinen spanischen Landsmann auf dem Weg in die Halbzeitpause an - und flog folgerichtig vom Platz.
"Das ist übertrieben, weil ich kein falsches Wort gesagt habe", sagte Guardiola nach der Partie zwar. Spanische Zeitungen berichteten jedoch, der Katalane habe sich mit einer derben Aufforderung ("Halt deinen Mund") den Sitzplatzwechsel durchaus verdient.
Die Folge: Statt seinem Team, das zu diesem Zeitpunkt durchaus noch Chancen aufs Halbfinale hatte, taktische Anweisungen zu geben, saß der Coach machtlos auf der Tribüne und vergrub immer öfter sein Gesicht in den Händen.
Was er von oben sah, muss ihm seelische Schmerzen bereitet haben. Citys Offensive, die in der ersten Hälfte noch wie eine Dampfwalze über die Reds gedonnert war, verlor völlig den Faden und hatte spätestens nach dem Ausgleich von Mohamed Salah aufgegeben.
Die 90 Minuten dienten dabei als Spiegelbild für Guardiolas Wirken außerhalb Spaniens. Furios losgelegt, den Gegner beherrscht - und dann in Schönheit gestorben. Im Endeffekt blieb der frühere Bayern-Trainer erneut den Beweis schuldig, die wichtigen Spiele gewinnen zu können.
Guardiolas Unbesiegbarkeit ist futsch
Auf ein derartiges Abschmieren des Startrainers schienen die Blätter in Spanien und England nur gewartet zu haben. Die Marca zeigte in einer Bildergalerie genüsslich alle Facetten von Guardiolas Gesicht, das sich während der unheilvollen 90 Minuten immer mehr verfinsterte.
Andere Zeitungen schrieben von einem "schweren Schlag" oder von einer "Höllen-Woche" für den Coach. Das Fazit der Sun, die Citizens hätten die "Aura der Großartigkeit, der Unbesiegbarkeit" verloren, ließe sich bedenkenlos auf ihren Cheftrainer übertragen.
Und so muss Guardiola weiter auf seinen dritten Triumph in der Königsklasse nach 2009 und 2011 warten. Kritiker werfen ihm vor, dass damals alleine der geniale Lionel Messi den Unterschied ausgemacht habe.
So ganz abwegig scheint die These jedenfalls nicht zu sein. Trotz Investitionen von rund 530 Millionen Euro für neue Spieler seit seinem Amtsantritt 2016 ist Guardiola auch im zweiten Jahr als City-Coach mit Pauken und Trompeten gescheitert. Zumindest in der Champions League.