Mit 25 Jahren kam Marvin Plattenhardt im Vorjahr zu seinem Debüt in der Nationalmannschaft. Der Linksverteidiger von Hertha BSC entpuppte sich seitdem als stiller, aber zuverlässiger Vertreter von Jonas Hector. Jetzt will er zur WM. SPORT1 traf Plattenhardt im DFB-Trainingslager in Eppan zum Interview.
Plattenhardt: Ich wäre gerne auf der Cola-Dose
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SPORT1: Herr Plattenhardt, sind Sie ein Streichkandidat?
Marvin Plattenhardt: Das sind Begriffe, mit denen ich nichts anfangen kann. Der Trainer hat 27 Spieler nominiert und hier wird auf höchstem Niveau gearbeitet. Die nächsten Tage kann man sich in den kommenden Einheiten noch weiter zeigen und genau das werde ich machen.
SPORT1: Sind Sie in Russland dabei?
Plattenhardt: Es sind ja noch einige Tage. Bis dahin werde ich mich empfehlen und in jeder Trainingseinheit Vollgas geben. Nächste Woche wird der Bundestrainer entscheiden müssen. Ich würde mich natürlich riesig freuen, wenn es klappt. Negative Dinge lasse ich gar nicht an mich ran. Ich bin positiv gestimmt und zuversichtlich, dass ich dabei bin.
SPORT1: Weniger positiv gestimmt waren Sie sicher, als Sie und ihre Mitspieler am Dienstagmorgen um 7 Uhr zur Dopingkontrolle mussten. Wie lief das ab?
Plattenhardt: Um 7.20 Uhr klingelte das Zimmer-Telefon. Ich ging ran, aber keiner sprach mit mir. Dann habe ich wieder aufgelegt und bin wieder ins Bett gegangen. Dann klingelte es wieder, weil mich die Rezeptionistin anrief und mir von der Dopingkontrolle berichtete.
SPORT1: Und dann?
Plattenhardt: Habe ich mir kurz die Zähne geputzt und mich frisch gemacht. Verschlafen wollte ich da nicht antanzen. Das Problem war auch, dass ich schon eine Stunde vor dem Anruf auf Toilette war. Deshalb hat es bei mir dann ein bisschen länger gedauert als bei den anderen. Die konnten sofort. (lacht)
SPORT1: Länger gedauert hat es bei Ihnen auch mit einer Berufung in die Nationalmannschaft. Müssen Sie sich daher umso mehr kneifen, wie positiv Ihre Karriere derzeit verläuft?
Plattenhardt: Wenn ich zurückblicke, wird mir schon bewusst, dass echt viel passiert ist, aber ich habe mich auch Jahr für Jahr weiterentwickelt. In kleinen Schritten vielleicht, aber immer ein bisschen weiter. Ich habe ja auch mehr als 50 Junioren-Länderspiele. Aber jetzt sitze ich hier in Südtirol und bin mit der Nationalmannschaft im WM-Trainingslager. Da ist schon ein Kindheitstraum in Erfüllung gegangen. Bei der WM dabei zu sein, wäre überragend für mich. Die Teilnahme wäre der nächste Traum, der für mich in Erfüllung ginge.
SPORT1: Würden Sie dann nicht Ihre beiden Wellensittiche vermissen?
Plattenhardt: Die nehme ich mit nach Russland. Nein, Spaß. Meine Freundin ist zu Hause und kümmert sich um die. Ab und zu nerven die beiden übrigens. Vor allem, wenn ich einen Mittagsschlaf mache. Dann lassen sie mich nicht einschlafen oder wecken mich, wenn ich gerade weggedöst bin.
SPORT1: Was zeichnet Sie als Linksverteidiger aus?
Plattenhardt: Meine Standards sind auf jeden Fall eine Waffe. Dass die zumeist gefährlich sind, hat sich in der Bundesliga rumgesprochen, da muss ich mich nicht verstecken. Zweikämpfe und das Umschaltspiel sind sicherlich auch Stärken in meinem Spiel. Und egal ob im Training oder im Spiel, ich gehe immer an meine 100 Prozent. Privat bin ich dafür ein eher gelassener und ruhiger Typ.
SPORT1: Man sagt ja, dass Außenverteidiger mittlerweile die heimlichen Spielmacher sind.
Plattenhardt: Das stimmt. Die Anforderungen an die Position des Außenverteidigers haben sich in den vergangenen Jahren weiterentwickelt und ähneln tatsächlich mehr und mehr denen eines Spielmachers. Man muss viel laufen und Wege nach vorne machen. Man muss den Überblick über die Laufwege der anderen Spieler haben und 90 Minuten hoch und runter rennen. Vorne die Flanken reinhauen und hinten zumachen, das ist schon ein sehr anspruchsvoller Job.
SPORT1: Welchen Anspruch hätten Sie im Falle Ihrer WM-Nominierung?
Plattenhardt: Ansprüche hat man gar keine. Mein Ziel ist erst mal, dabei zu sein. Dann möchte ich natürlich auch Einsatzminuten bekommen, das möchte aber jeder Spieler. Ich werde auf jeden Fall keiner sein, der einen Aufstand macht, wenn er nicht spielen sollte. Ich werde dann zurückstecken und für die Mannschaft da sein. Ich meine, das weiß Jogi Löw auch zu schätzen.
SPORT1: Einige Experten sahen Sie nicht im vorläufigen WM-Kader.
Plattenhardt: Keine Ahnung, das nehme ich den Experten jedenfalls nicht übel. Es ist ja klar, dass jeder spekuliert - aber entscheiden wird der Bundestrainer. Obwohl ich schon seit einem Jahr dabei bin, haben mich manche noch nicht so richtig auf dem Schirm. Klar wäre es schön, wenn ich auf der Cola-Dose drauf wäre. Aber das ist nicht entscheidend. Für mich bedeutet das einfach nur, weiter mein Bestes zu geben, um in Russland dabei zu sein. Dann wird bald jeder wissen, wer Marvin Plattenhardt ist. Darauf freue ich mich.
SPORT1: Sie haben Joachim Löw angesprochen. Was für ein Trainertyp ist der Bundestrainer?
Plattenhardt: Er hat definitiv seinen Ruhepuls, so schnell bringt ihn nichts aus der Ruhe. Dabei ist er natürlich hoch kompetent, er kann auch witzig sein und wenn es drauf ankommt, spricht er die Dinge konkret an. Ich kenne wirklich keinen Spieler, der nicht gut mit ihm zurechtkommt.
SPORT1: Schnell noch zum Schluss: Wie verfolgen Sie den Hype um Manuel Neuer?
Plattenhardt: Ich habe Manuel hier das erste Mal so richtig persönlich kennengelernt und kann seine Leistung jetzt aus nächster Nähe beobachten. Er ist ein Weltklasse-Torwart, auch wenn er jetzt fast ein Jahr nicht gespielt hat. Man sieht schon wieder seine guten Ansätze: Er macht das Spiel schnell und ist wieder mit dem Kopf dabei. Manuel ist schon jetzt wieder ein wichtiger Rückhalt für uns.