Das Achtelfinalaus der DFB-Elf bei der EM 2021 sorgt auch Tage später noch für Diskussionsstoff.
Kohler stellt Qualitätsfrage
Bis auf den 4:2-Sieg gegen Portugal enttäuschte das Team von Bundestrainer Joachim Löw komplett. Auch der Auftritt beim 0:2 im Achtelfinale gegen England war wenig überzeugend. "Die Enttäuschung ist riesig. Wir hatten uns alle Hoffnungen gemacht. Aber auch die Vorrunde war sehr holprig. Das kann man bei so einem Turnier nicht wettmachen", stellte Jürgen Kohler im EM-Doppelpass auf SPORT1 klar. (Ergebnisse und Spielplan der EM)
Kohler kritisiert Abwehrverhalten der DFB-Elf
Der Welt- und Europameister sieht vor allem in der Defensive Probleme. "Wenn man alle Tore sieht, die wir in dieser Europameisterschaft bekommen haben, hat man immer wieder Spieler komplett alleine stehen sehen", echauffierte sich der ehemalige Verteidiger. Es gebe ein ganz einfaches Mittel dagegen: "Durchzählen. Das kann jedes Kind. Da darf man nicht die Verantwortung weiterschieben, sondern sagen: 'Ich gehe da hin, bekämpfe den. Wenn er den reinschießt, ist es mein Fehler'." Alles Wichtige zur EM 2021)
Nicht nur bei der EM habe die deutsche Nationalmannschaft diese Defensivprobleme gezeigt, sondern auch schon in den vergangenen zwei, drei Jahren. Die Systemfrage will Kohler dabei aber nicht gelten lassen. "Wir reden sehr häufig über die Systeme. Manchmal können die relevant sein, aber sie sind es nicht immer." Am Ende des Tages seien es alle Nationalspieler. "Die müssen eine besondere Qualität und Qualifikation haben. Man merkt schon, dass im Defensivverhalten ein paar Defizite dabei sind", kritisierte er.
Kritik an Ausbildung der Talente
Am fehlenden Willen der Spieler habe es nicht gelegen. "Entscheidend ist: Haben wir diese Qualität auf den einzelnen Positionen?" Wenn man ein Turnier gewinnen wolle, müsse mindestens 80 Prozent der Mannschaft auf einem besonderen Level spielen. "Bei dieser Mannschaft haben vielleicht 20 Prozent auf einem besonderen Level gespielt. In der Endsumme reicht es dann nicht, um einen Titel zu holen oder um einen mitzuspielen", sagte der 105-malige Nationalspieler.
Auch Stefan Effenberg sieht ein Qualitätsproblem. "Es mangelt an Alternativen. Du kannst von der Bank nicht viel bringen, das ein Gamechanger wäre. Dieser Kader hat nicht mehr hergegeben", wurde der SPORT1-Experte deutlich.
Kohler kritisierte in diesem Zusammenhang auch die Ausbildung der Talente. "Wir haben auch nicht mehr diese Defensivgedanken. Das fängt schon in der Grundausbildung unserer Jugendmannschaften an. Der Vierer muss da eigentlich der Zehner sein. Wir haben in der Individualität viele Probleme", sagte er und bemühte einen Vergleich: "Wenn ich mich am Herzen operieren lassen will, gehe ich nicht zum Orthopäden, sondern zum Spezialisten." Sein Fazit: "Ich finde, bis auf Neuer gibt es niemanden mit einer außergewöhnlichen Qualität."