Paul Drux ist bei der deutschen Handball-Nationalmannschaft vor der EM in Norwegen, Österreich und Schweden (Die Handball-EM ab 9. Januar im LIVETICKER bei SPORT1) ein gefragter Mann – und fühlt sich dennoch "ein bisschen einsam".
Deutschlands Problemposition
Der Grund: Drux ist im Gegensatz zu den vergangenen Turnieren der einzige verbliebene Berliner im Kader von Christian Prokop.
Der künftige Melsunger Silvio Heinevetter musste im Tor neben Andreas Wolff auch Johannes Bitter den Vortritt lassen, Fabian Wiede und Simon Ernst fehlen verletzungsbedingt.
Bleibt Drux, der wegen der Ausfälle im Rückraum – neben dem Berliner Duo sagten unter anderem auch Steffen Weinhold, Franz Semper und Tim Suton ab – mehr denn je als Spielmacher gefragt ist.
"Persönlich ist es schon eine andere Rolle. Man muss versuchen, das Spiel zu steuern, zu lenken. Das mache ich im Verein sicherlich auch schon, aber da tauche ich mehr auf der halblinken Position auf. Das ist schon eine Umstellung", erklärte der 24-Jährige, der 2015 bereits sein erstes großes Turnier spielte, SPORT1.
Er versuche, "das in der Kürze der Zeit möglichst gut umzusetzen."
Drux glänzt gegen Island
Der erste Eindruck auf der "Problemposition" war vielversprechend.
Beim souveränen Testspielsieg des DHB-Teams gegen Island am Samstag ging Drux dynamisch zu Werke und netzte allein in der Anfangsviertelstunde vier Mal.
"Paul hatte eine hervorragende Startphase. Er hat in der Abwehr hervorragend gespielt, die Aufgaben verinnerlicht und im Tempospiel sehr viel Zug zum Tor. Das ist wichtig, weil Paul ein Spieler ist, der Zeichen setzt, woran sich die Mitspieler orientieren", sagte Christian Prokop.
Zwei Tage später gegen Österreich lief es im gesamten Rückraum etwas holpriger, auch Drux biss sich bisweilen die Zähne aus und blieb ohne Treffer.
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Deutschland fehlt der Superstar
Der Bundestrainer weiß: Für die Realisierung des Medaillentraums muss neben den Torhütern und deren Zusammenspiel mit der Abwehr der teilweise aus der Not geborene Rückraum, in dem im Vorfeld eine Säule nach der anderen weggebrochen ist, über sich hinauswachsen. Die ganz große individuelle Qualität fehlt.
"Es ist ganz wichtig, dass wir die Dreier-Konstellation im Rückraum gut hinkriegen. Deshalb wird es ein Wechselspiel sein. Da sind alle Rückraumspieler gefragt", versucht Prokop, der besonders mit Linkshänder Wiede im Zentrum geplant hatte, die Verantwortung zu verteilen.
Auch Drux nannte die Bedeutung und Umsetzung des Wechselspiels als eine der Hauptaufgaben, damit jeder "Vollgas geben" oder das Team "mit der gleichen Power" weiterspielen könne.
Michalczik betreibt Eigenwerbung
In den Vorbereitungsspielen war diese Power über Phasen zu erkennen, allerdings gab es auch Schatten.
Der Mindener Marian Michalczik, wie Drux im Verein hauptsächlich im linken Rückraum zuhause, setzte gegen Österreich laut Prokop "den Matchplan sehr gut um" und steigerte sich in der Defensive, sodass ihn Stefan Kretzschmar, sein künftiger Boss bei den Füchsen Berlin, sogar als "Gewinner des Spiels" betitelte.
Auf den Halbpositionen feuerten Julius Kühn, Fabian Böhm, Philipp Weber, Kai Häfner und David Schmidt zwar einige Male erfolgreich aus dem Rückraum.
Prokop vermisst Klarheit
Allerdings gab es im Zusammenspiel auch unnötige Aussetzer, Häfner leitete gegen Österreich den ein oder anderen Gegenstoß ein; zudem vermisste Prokop hin und wieder die Klarheit, wie er in einer Auszeit bemängelte.
Prompt wurde Kühn im folgenden Spielzug freigespielt und haute einen seiner gefürchteten Gewaltwürfe ins Netz.
"Wir werden niemanden im Rückraum dabei haben, der das Spiel über fünfzig Minuten an sich reißen muss", erklärte Prokop. Aber derjenige solle "über zwanzing, dreißig Minuten seine Topleistung ins Team bringen."
Wenn das nicht gelingt, kann es - wie gegen Österreich - zu einem Bruch im Spiel kommen. In einem Test ist das noch verschmerzbar, in einer Vor- oder Hauptrunde kann das aber eine ganze Partie kosten - oder sogar ein ganzes Turnier.