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La Liga: Monchi spricht über Corona und die Strategie des FC Sevilla

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La Liga: Monchi spricht über Corona und die Strategie des FC Sevilla

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Monchi: Mit Alves fing alles an

Vor dem Neustart von La Liga am Abend mit dem Derbi Sevillano spricht Transfer-Guru Monchi über den Umgang mit der Corona-Krise und den Weg seines Klubs.
Donnerstag startet La Liga ihr Comeback! Wir haben die"Talents to watch" rausgesucht. Spieler, die Sie für die restliche Saison auf jeden Fall auf dem Schirm haben sollten.
Sebastian Stier
Sebastian Stier
von Sebastian Stier

Ramón Rodríguez Verdejo, genannt "Monchi", ist einer der erfolgreichsten Fußballmanager Europas. Mit einer kurzen Unterbrechung lenkt er seit zwei Jahrzehnten die Geschicke des FC Sevilla. Vor dem Re-Start von La Liga mit dem Stadt-Derby gegen Real Betis (La Liga: FC Sevilla - Real Betis ab 22 Uhr im LIVETICKER) sprach SPORT1 mit ihm.

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SPORT1: Senor Monchi, nach über drei Monaten Pause nimmt La Liga heute Abend wieder den Betrieb auf. Mit welchen Gefühlen sehen Sie dem Start gegen Lokalrivale Betis entgegen?

Monchi: So wie viele Menschen in Sevilla, mit großer Vorfreude. Sevilla ist die fußballverrückteste Stadt Spaniens, knapp hunderttausend Menschen sind Mitglieder beim FC oder Betis - und das bei nur 700.000 Einwohnern. Die Stadt teilt sich bei diesem Spiel, als Spieler pusht dich so ein Derby oder es schüchtert dich ein, weil es um mehr als nur drei Punkte geht.

SPORT1: Das gilt vor allem dieses Mal. Ist das erste Ligaspiel nach der Corona-Pause auch ein Signal an die Menschen, dass bald wieder Normalität einkehrt?

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Monchi: Zweifellos. Was der Fußball bewirkt, ist ein Schritt in Richtung Normalität, aber eben nur ein Schritt. Langsam öffnen ja auch die Bars, die Restaurants, die Strände. Und auch der Fußball kehrt zurück. Das ist für viele Menschen wie ein Sauerstoffballon. Von der Normalität, wie wir sie kannten, sind wir noch weit entfernt. Uns fehlen unsere Fans. Sie sind es, die diese Derby-Leidenschaft leben und verkörpern. Aber genau deswegen, wegen ihrer Abwesenheit, müssen wir nur mehr kämpfen. Sollten wir gewinnen, wäre der Sieg mehr denn je ihnen gewidmet.

SPORT1: Wie haben Sie die letzten drei Monate verbracht? Was hat Ihnen am meisten gefehlt?

Monchi: Während so einer langen Zeit vermisst man vieles. Den Geruch des Rasens, die Arbeit auf unserem Gelände, den Druck des Wettbewerbs, meine Familie, vor allem meine Mutter, sie alle leben hier in der Nähe in San Fernando. In habe in dieser Zeit trotzdem viel gearbeitet, hauptsächlich vom Laptop aus mit Videokonferenzen von früh morgens bis spät abends. Die Aufgaben sind ja trotz allem nicht weniger geworden. Den Wettbewerb wieder zum Laufen zu bringen, war ein hartes Stück Arbeit. Sowohl für den Ligaverband als auch für die Klubs.

SPORT1: Welche Seiten haben Sie während der Pause an sich entdeckt, die Sie vorher noch nicht kannten?

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Monchi: Diese Situation hat uns alle auf eine harte Probe gestellt und uns an unsere Grenzen gebracht. In meinem Fall hat sie mir dazu gedient zu zeigen, dass man auch anders arbeiten und leben kann. Dass es möglich ist, ein besseres Gleichgewicht zwischen dem Beruflichen und dem Privaten hinzubekommen. Das ist mir davor etwas abhanden gekommen. Und ganz offensichtlich hat diese Pandemie gezeigt, wie wackelig alles ist und wie verletzlich wir alle am Ende sind. Das ist etwas Wichtiges. Vor allem in der Welt des Fußballs, wo viele Akteure in einer Blase leben.

SPORT1: So wie die Spielergruppe um den ehemaligen Gladbacher Luuk de Jong, die Ende Mai eine Gartenparty feierte?

Monchi: Das war ein Fehler und die Spieler wissen das. Sie haben um Verzeihung gebeten. Der Vorfall hat dazu gedient, um noch mal allen zu verdeutlichen, wie viel auf dem Spiel steht. Die Spieler sind Vorbilder für viele Menschen, daran müssen sie immer denken. Aus Fehlern lernt man. Ich denke, das ist in diesem Fall passiert.

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SPORT1: Welche Botschaft kann der Fußball an die Gesellschaft senden?

Monchi: Die Rückkehr des Fußballs sendet die klare Botschaft, dass man niemals aufgeben darf, egal wie widrig die Umstände auch sind. Man sollte sich immer ein Ziel setzen. Wenn du hart dafür arbeitest, kannst du es auch erreichen. Vor zwei Monaten haben viele Menschen noch gesagt, es wäre unmöglich, den Spielbetrieb wieder aufzunehmen. Aber wir haben es geschafft, weil wir nie aufgegeben haben. Das sollte für die gesamte Gesellschaft in all ihren Bereichen gelten. Diese Pandemie hat uns alle hart getroffen, aber man muss weitermachen, die Zähne zusammenbeißen und nach vorn schauen.

SPORT1: Gab es in den vergangenen drei Monaten eine Phase, in der Sie gedacht haben, 2020 würde nicht mehr gespielt werden?

Monchi: In drei Monaten denkt man vieles, aber für uns war immer klar, dass wir wieder spielen wollen. Für mich bedeutet wollen auch können. Die Liga und Präsident Javier Tebas haben es genauso gesehen und die Wiederaufnahme vorangetrieben.

SPORT1: Die Bundesliga spielt schon seit einem Monat wieder. Wie hat man den Start in Spanien wahrgenommen?

Monchi: Der Start der Bundesliga hat unseren Bemühungen zusätzlich Auftrieb gegeben: Das war wie ein Schubser in die richtige Richtung. Die Bundesliga hat den Weg aufgezeigt, allein vor diesem Hintergrund sollten ihr alle anderen Wettbewerbe dankbar sein.

SPORT1: Wie wichtig ist der Neustart für die spanischen Klubs?

Monchi: Er ist enorm wichtig, weil die wirtschaftlichen Ausfälle bei einem Abbruch noch schlimmer ausgefallen wären als ohnehin schon - und das, obwohl sich fast alle Klubs mit ihren Angestellten auf Gehaltskürzungen verständigen konnten. Aus wirtschaftlicher Sicht gab es eine große Notwendigkeit weiterzuspielen, aber das gilt auch für das Sportliche. Jeder will doch das beenden, was er angefangen hat. 

SPORT1: Sie gehörten zu den großen Befürwortern des Wiederbeginns, dabei hätte ihr Klub als Tabellendritter von einem Abbruch doch auch profitiert.

Monchi: Das ist richtig, wir hätten mit der sicheren Teilnahme an der Champions League zu den Gewinnern gezählt. Aber ich glaube, es gibt nichts Vergleichbares dazu, die Dinge tatsächlich auf dem Feld zu erreichen und nicht auf dem Papier. 

SPORT1: In Deutschland standen einige Klubs durch das Ausbleiben der Fernsehgelder vor dem Ruin. Ist die Situation in Spanien ähnlich?

Monchi: Viele Klubs hat die Situation schwer getroffen, aber ich kann nur für uns sprechen. Wir hatten immer Notfallpläne in der Schublade, die unsere Zahlungsfähigkeit, egal unter welchem Szenario, gewährleistet hätten. Zum Glück sind wir wirtschaftlich sehr gesund, was vor allem mit unserer Arbeit im letzten Jahrzehnt zu tun hat.

SPORT1: Als Sie Ende des vergangenen Jahrtausends als Sportdirektor begannen, spielte der Klub in der zweiten Liga. Was ist seitdem passiert?

Monchi: Vor 20 Jahren waren wir nahe am Bankrott und es bestand die reale Gefahr, dass wir unser Stadion aufgeben müssen. Heute sind wir wirtschaftlich gesund, der Klub ist wahnsinnig gewachsen und gehört inzwischen zu den wichtigsten in Europa. Wir haben neun Titel gewonnen, darunter fünf Mal die Europa League. Auch national waren wir erfolgreich und haben den Pokal geholt. Das alles ist uns nicht zugefallen. Der Anfang war schwer, das ist richtig.

SPORT1: Es heißt oft, ohne Geld wäre Erfolg heute nicht mehr möglich.

Monchi: Man muss erfinderisch sein, neue Wege gehen. Ich nenne immer unser Beispiel, wenn jemand das Gegenteil behauptet. Als ich anfing, hat sich kaum jemand für die Copa América der U20 interessiert. Wir haben dort Dani Alves entdeckt, mit ihm begann alles. Wir haben festgestellt, dass man dort Talente für einen vergleichsweise günstigen Preis bekommen konnte. Das hat sich inzwischen geändert. Aber was früher die Copa América der U-Mannschaften war, sind heute andere Wettbewerbe. Man kann immer noch günstige Spieler gekommen, wenn man nur akribisch genug sucht. Wir haben inzwischen ein flächendeckendes Netz an Scouts auf allen Kontinenten, in diese Abteilung haben wir viel investiert. Genau wie in unsere Jugendarbeit, die zu den besten in Spanien gehört.

SPORT1: Trotzdem können Sie Ihre besten Spieler nicht halten. Alves ging nach Barcelona, Ivan Rakitic später ebenso. Ist das nicht frustrierend?

Monchi: Ich sage immer: verkaufen, um zu wachsen! Das ist unser Motto. Mit dem Geld, das Dani damals gebracht hat, konnten wir in unseren Kader investieren und uns viel breiter aufstellen. Natürlich birgt es ein gewisses Risiko, wenn du deine besten Spieler immer wieder verkaufst. Aber die Ergebnisse sprechen für uns und unsere Strategie.

SPORT1: Denken Sie, die Corona-Pause hat die Welt des Fußballs verändert?

Monchi: Auf kurze Sicht schon, die kommenden Transferperioden werden von den Auswirkungen betroffen sein. Denn wir alle bewegen uns nun vorsichtiger, die Ungewissheit ist ja noch da. Auf lange Sicht wird sich das Meer nach dem Sturm wieder beruhigen.

SPORT1: Es gibt Stimmen, die behaupten, ohne striktere finanzielle Regeln wird sich das Fußballgeschäft nie ändern. Was denken sie?

Monchi: Aus meiner Sicht hat sich durch das Financial Fairplay der UEFA schon viel geändert. Der Wettbewerb ist deutlich fairer geworden. Jeder darf nur noch das ausgeben, was er auch einnimmt. Ohne diese Regeln wären die Auswirkungen der aktuellen Krise noch viel katastrophaler ausgefallen.