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Schottischer Autor Douglas Beattie über das Derby von Glasgow

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Schottischer Autor Douglas Beattie über das Derby von Glasgow

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"Celtic hat das Hauen und Stechen vermisst"

SPORT1-Kolumnist Raphael Honigstein spricht mit Buchautor und Celtic-Kenner Douglas Beattie über das Derby in Glasgow, das am Samstag eine Wiedergeburt erlebt.
Rangers v Celtic - William Hill Scottish Cup Semi Final
Rangers v Celtic - William Hill Scottish Cup Semi Final
© Getty Images

Am Samstag kommt es in der schottischen Premier League nach vier Jahren Abstinenz zur Neuauflage des "Old Firm" - dem traditionsreichen Glasgow-Derby zwischen Celtic und den Rangers. (12.55 Uhr LIVE im TV auf SPORT1+ und im LIVETICKER)

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Douglas Beattie gilt als ausgewiesener Experte für den schottischen Fußball. Mit "The Rivals Game: Inside the British Football Derby", "The Pocket Book of Celtic" und "Happy Birthday Dear Celtic" beschäftigte sich der schottische Autor vor allem mit Celtic Glasgow.

SPORT1-Kolumnist Raphael Honigstein sprach mit Douglas Beattie über die Besonderheiten des ältesten Derby der Welt.

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SPORT1: Der Name "Old Firm", die alte Firma, spielt darauf an, dass Celtic und Rangers bei aller Rivalität in Wahrheit unter einer Decke stecken. Wie kam es zu dieser Bezeichnung? 

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Douglas Beattie: Als Celtic 1887 gegründet wurde - 15 Jahre nach den Rangers - war die Beziehung der beiden Vereine untereinander zunächst sehr gut. Das erste Spiel von Celtic war gleich gegen die zweite Mannschaft von Rangers. Celtic gewann. Danach ging man zusammen Abendessen, die Stimmung war sehr fröhlich. In den Jahren danach wurde Celtic sehr schnell ziemlich groß. So gegen 1910, 1915 tauchte "Old Firm" erstmals in den schottischen Medien auf. Der Begriff implizierte, dass beide Vereine unheimlich schnell gewachsen und reich geworden waren, weil sie sich geschickt aneinander abarbeiteten. Die Vereinsbosse waren befreundet, verdienten aber sehr viel Geld mit der Rivalität. In der Bezeichnung "Old Firm" schwang deswegen ursprünglich Spott mit.

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SPORT1: Freut man sich in Schottland, dass die alte Firma nach vier Jahren Zwangspause am Samstag wieder den Betrieb aufnimmt? 

Beattie: Viele Celtic-Fans - aber auch viele Anhänger von kleineren Vereinen - sehen es eher so, dass die "Old Firm" nicht wirklich zurückgekehrt ist. Sie argumentieren, dass die Rangers in der Zwischenzeit finanziell gestorben sind und nach der Zwangsauflösung nicht mehr der gleiche Verein sind. Für sie bringt der Samstag also nicht die Rückkehr des Derbys, sondern höchstens einen Neuanfang. In Wahrheit weiß aber jeder, dass das nicht der Fall ist. Ich denke, Celtic-Fans sind insgeheim froh, dass die Rangers wieder da sind, denn sie hatten das Hauen und Stechen auf dem Platz, das Spektakel, vermisst. Die sektiererischen Lieder, die Beleidigungen - das hatte allerdings niemand vermisst.

SPORT1: Wie wirkt sich das finanzielle Ungleichgewicht auf die Bedeutung des Derbys aus? Celtics Spielerbudget ist mit 27 Millionen Euro mehr als drei Mal so hoch als das der Rangers...

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Beattie: In der nahen Vergangenheit hatten die Rangers jahrelang die Oberhand. Jetzt hat sich das Blatt gedreht. Aber Celtic ist relativ vorsichtig - wenn sie wollten, könnten sie noch viel mehr Geld ausgeben. Für die Rangers bedeutet das, dass sie langsam und bedächtig wachsen müssen. Der Vorsprung der anderen wird nicht schnell einzuholen sein. Das langfristige Ziel der Blauen ist es, den historischen Rekord von zehn Celtic-Meistertiteln in Folge zu verhindern. Im Moment sind es fünf. Sie haben noch zwei, drei Jahre Zeit. Doch dann müssen sie konkurrenzfähig sein.

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SPORT1: Hat die Abwesenheit von Rangers Celtic nicht auch finanziell geschadet? 

Beattie: In den ersten beiden Jahren nach dem Rangers-Zwangsabstieg, war Parkhead nicht ganz so voll. Teilweise mussten Sektionen sogar gesperrt werden, weil nur 30.000 Zuschauer kamen. Allgemein war das Interesse nicht ganz so hoch. Celtic verpasste zudem zwei Mal die Champions League. Das hatte einen Sparkurs zur Folge. Die Vereinsführung wusste, dass man auch ohne große Verstärkungen konkurrenzlos war. Ich denke, was die Einnahmen angeht, ist man sehr froh, dass die Rangers wieder mitmischen. 

SPORT1: Inwieweit haben das Unabhängigkeits-Referendum in Schottland (2014) und Brexit Einfluss auf das Derby? 

Beattie: Das Derby hat schon sehr lange eine politisch-religiöse Komponente. Celtic ist der Verein irischer Einwanderer, von Katholiken. Die Rangers sind einheimische Protestanten, Unionisten. Was Brexit angeht, dürfte die Mehrheit beider Fanlager für den Verbleib in der EU gestimmt haben, deswegen ist das aktuell kein Faktor. Auch die Frage der schottischen Unabhängigkeit spielt momentan kein große Rolle. Zu Auseinandersetzungen könnte es eher in Sachen Nordirland kommen. Celtic versteht sich als pro-irischer Klub, die Rangers als Briten. So lange es dort aber ruhig bleibt, wird es auch in Glasgow ruhig bleiben.

SPORT1: Wie stark ist der religiöse Konflikt heute noch? 

Beattie: Man muss wissen, dass Katholizismus in Schottland verachtet wurde. Die irischen Einwanderer des 19. Jahrhunderts fanden zwar Arbeit, wurden aber sozial geächtet und benachteiligt. Diese offene Diskriminierung gibt es heute nicht mehr. Aber die Songs über den Hass auf Iren oder auf Protestanten sind geblieben. Die Rivalität trägt also noch immer stark religiöse Züge. Es ist zwar nicht mehr so schlimm wie früher, aber die Polizei wird am Samstag sicher viel zu tun haben.

SPORT1: Wird es in Manchester am Samstag ähnlich hoch hergehen? Ist es überhaupt noch ein echtes Derby? Der eine Klub (Manchester United) gehört Amerikanern, der andere (Manchester City) der Herrscherfamilie aus Abu Dhabi.

Beattie: Eine gute Frage. United hat sich bis vor kurzem nicht um City geschert. Es war zwar ein Derby, aber doch sehr einseitig. United hatte wichtigere Spiele. Jetzt gibt es quasi ein Gleichgewicht, und die Grenzen sind verschwommen. Die City-Fans waren früher stolz darauf, ein Arbeiterverein und in Manchester selbst verwurzelt zu sein - United spielt ja vor den Toren der Stadt, in Old Trafford. Man engagierte sich in Abgrenzung an die Nachbarn explizit für soziale Belange, für die Rechte von Homosexuellen zum Beispiel. Man feierte die eigene Andersartigkeit. Aber mittlerweile hat sich die Einsicht durchgesetzt, dass man viel Geld braucht, um erfolgreich zu sein. Citys größter Sieg ist es, heute von United ernst genommen zu werden, ja: sogar gefürchtet. Dass dies nur mit Hilfe von Milliarden aus Abu Dhabi passiert ist, nimmt man bei den Himmelblauen in Kauf. Nach 30, 40 Jahren im Schatten der Red Devils kann man ihnen das auch kaum vorwerfen.