Bastian Schweinsteiger hatte von Anfang keine Chance bei Jose Mourinho.
Schweinsteiger hatte nie eine Chance
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Nicht sportliche, sondern persönliche Gründe gaben dafür den Ausschlag, allerdings hatte das wiederum wenig mit Schweinsteiger selbst zu tun.
Der Weltmeister stand wohl deshalb ganz oben auf Mourinhos Abschussliste, weil er der (vermeintliche) Schlüsseltransfer von Louis van Gaal war. Der Bruch mit dem Ex-Münchner sollte aus Sicht des neuen Trainers ein Signal an den Rest des Kaders sein: die LvG-Zeit war mit Joses Ankunft im Juni 2016 offiziell vorbei.
Schweinsteiger nicht das einzige Mourinho-Opfer
Drei von den zwölf Verpflichtungen des Niederländers hat der Portugiese binnen der vergangenen neun Monate kalt abserviert (Schweinsteiger, Memphis Depay, Morgan Schneiderlin); Luke Shaw, Matteo Darmian, Daley Blind und Sergio Romero stehen ebenfalls auf der Kippe.
Von der "systematischen Zerstörung des van Gaal-Kaders", sprach am Dienstag der Independent. "Manchester United kaufte Spieler, die ich nie gekauft hätte und hat Spieler verkauft, die ich nie verkauft hätte", rechtfertigte Mourinho seine extensiven Umbauten, "ich habe hier im Sommer einen sehr traurigen Klub vorgefunden."
Für Schweinsteiger ging mit dem Wechsel zu Chicago Fire am Dienstag eine traurige Reservistenzeit zu Ende. Ganz sechs Einsätze bestritt er bei den Red Devils seit Januar 2016, mehrere Verletzungen und der Bannstrahl von Mourinho minimierten seine Zeit auf dem Rasen.
Unter dem Strich stehen 35 Partien in sechs Wettbewerben, zwei Tore und eine Sieger-Medaille für den FA-Cup 2016, den United im Finale gegen Crystal Palace im Wembley-Stadion (2:1) aber ohne ihn gewann. Das Gesicht der Mannschaft konnte der Ex-Münchner nur im ersten Halbjahr im Old Trafford ansatzweise prägen.
Ob die schnelle, leicht chaotische Premier League im allgemeinen und der aus dem Tritt gekommene Riese ManUnited im speziellen die richtige Wahl für den 32-Jährigen darstellten - gerade was seine körperliche Belastbarkeit anging - wird fraglich bleiben.
Fanliebling ohne Einsatzzeiten
Dafür ist Schweinsteiger das Kunststück gelungen, auch ohne reguläre Einsatzzeiten zum Liebling der Massen zu werden. Sie liebten zum einen, wie aufrichtig stolz der Oberbayer wirkte, nach den Jahren beim FC Bayern das Trikot von United tragen zu dürfen.
Sie spürten: Er war genauso ein Fan wie sie selbst. Darüber hinaus machte sein überaus sachlicher Umgang mit seiner Ausbootung großen Eindruck. Einer der besten Mittelfeld-Spieler seiner Generation ertrug sein Schicksal mit vornehmer Schweigsamkeit und unterstützte weiter die Mannschaft, er stellte (zumindest öffentlich) das Wohl des Klubs über die eigenen Bedürfnisse. So will man es im Mutterland des Fußballs sehen.
Obwohl man sich gerade zu Anfang seiner kurzen United-Karriere intern etwas weniger Reisen ins Ausland an freien Tagen von ihm gewünscht hätte, punktete er mit seiner offenen, kollegialen Art gerade bei jüngeren Spielern und vielen Mitarbeitern auf der Geschäftsstelle.
Wenn es so etwas gibt wie "Schweinsteigers Old-Trafford-Vermächtnis", wie es die offizielle Webseite von United am Dienstag etwas überschwänglich formulierte, dann ist das die Einsicht, dass ein Weltmeister auch auf der Tribüne zum Vorbild taugen kann.
Raphael Honigstein, geboren 1973 in München, zog 1993 nach London. Dort lebt und arbeitet er als Journalist und Autor. Für SPORT1 berichtet er ab sofort in der wöchentlichen Rubrik "London Calling" über alle Themen rund um den englischen Fußball. Honigstein arbeitet unter anderem für die "Süddeutsche Zeitung", das Fußballmagazin "11 Freunde", die englische Tageszeitung "The Guardian", den Sportsender "ESPN" und ist in England und Deutschland als TV-Experte tätig.