Niklas Kaul hat für DIE Erfolgsgeschichte der Leichtathletik-WM gesorgt! Mit einem sensationellen zweiten Tag, an dem er unter anderem für eine noch nie dagewesene Speerwurfleistung sorgte, gewann der 21-Jährige bei den Titelkämpfen in Katar Gold im Zehnkampf.
So plant Kaul für Olympia 2020
© Getty Images
Nach den stressigen Tagen nach seinem Triumph, an denen er von einem Termin zum nächsten geeilt ist, kehrt nun so langsam etwas Ruhe ein.
Für SPORT1 hat sich Kaul dennoch die Zeit für ein Interview genommen. Dort erklärt der neue König der Leichtathleten, wie er den ersten Hype verarbeitet, ob er einen Manager engagiert und wie er für Olympia 2020 in Tokio plant.
SPORT1: Ganz schön stressig, Weltmeister zu sein, oder?
NiklasKaul: Ja, seit Freitag früh waren es sehr viele Termine - aber es macht natürlich auch Spaß. Das muss man auch ganz ehrlich sagen.
SPORT1: Sie haben sich also noch nicht insgeheim gefragt, was Sie sich da eingebrockt haben?
Kaul: Nein, das nicht. Jetzt so ein bisschen, als ich ein paar Termine gemacht habe bis Ende dieses Jahres. Da habe ich mir schon gedacht: "Oh. Das wird viel." Aber da ist nichts dabei, wo man keine Lust drauf hat, sondern es sind alles schöne Termine, die man wahrnehmen darf und von daher freut mich das auf jeden Fall riesig. Auch wenn ich in dem Moment nach dem 1.500er nicht gedacht hätte, dass es viel nach sich zieht.
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Kaul will Party nachholen
SPORT1: Brauchen Sie demnächst mal einen Manager?
Kaul: Das wird sich noch entscheiden. Ich gucke jetzt erst einmal, dass ich alles ganz ruhig mache und gucke, was macht denn Sinn und bespreche das auch mit meinen Eltern und mit Leuten, mit denen ich tagtäglich zu tun habe, die mich gut kennen und die mir auch ganz klar sagen, ob das jetzt Sinn macht oder nicht. Ich glaube, da jetzt überstürzt zu handeln, macht keinen Sinn.
SPORT1: Sind Sie trotz aller Termine schon zum Reflektieren gekommen über diese zwei unglaublichen Tage?
Kaul: Ja, mittlerweile. Nachdem ich auch die Bilder dazu gesehen habe, dann ein bisschen, aber mit meinen Eltern oder meinem Trainer habe ich noch nicht wirklich gesprochen. Das wird das nächste sein, was ich Ende der Woche machen werde. Dass wir einen Plan machen, wie geht es denn jetzt weiter, was hat gut funktioniert, wo muss man noch ein bisschen nachbessern, um dann perfekt vorbereitet nach Tokio zu kommen.
SPORT1: Wie sah es mit dem Feiern aus oder mussten Sie das aufgrund der Termine sausen lassen?
Kaul: Ein bisschen gefeiert haben wir nach dem Zehnkampf direkt in der Nacht, aber jetzt nicht wirklich. In Katar ist es sowieso schwierig, zu feiern und wir kamen erst um vier ins Hotel, dann haben wir die Nacht eher locker ausklingen lassen. So richtig gefeiert habe ich noch nicht, das werde ich sicher nochmal nachholen können, aber bisher war einfach noch nicht die Zeit.
Uni statt Urlaub
SPORT1: Jetzt geht es erstmal in den wohlverdienten Urlaub, oder?
Kaul: Nein. Es geht nächste Woche wieder in die Uni.
SPORT1: Im Rückblick auf den Wettkampf: Wie viel Geld hätten Sie am ersten Tag gewettet, dass Sie Weltmeister werden?
Kaul: Ich glaube, nicht so richtig viel. Das hängt von der Quote ab, aber mehr als fünf Euro wären es nicht gewesen.
SPORT1: Meinen Sie, dass Sie jemals in Ihrer Karriere wieder so einen zweiten Tag hinlegen können?
Kaul: Schwierige Frage. Ich glaube, dass gerade bei Hürden, Diskus und Stab – klar, Stand jetzt Bestleistung – das Ende der Fahnenstange nicht erreicht ist und es sein kann, dass ich mich nochmal verbessere. Auch Speer ist noch nicht technisch perfekt. Klar ist trotzdem: Einen zweiten Tag nochmal so hinzukriegen wird sehr schwierig. Ich bin aber auch erst 21 und habe hoffentlich noch ein paar Chancen. Ich glaube, dass es in dem Punktebereich nochmal geht, ob es wirklich nochmal mehr Punkte werden, das bleibt abzuwarten.
Kaul erklärt sein Erfolgsgeheimnis
SPORT1: Wenn man mit Ihren Teamkollegen spricht, sagen die, dass sie total erstaunt sind, dass Sie so fokussiert sind und jede Disziplin so einzeln abarbeiten. Wie schaffen Sie es, sich so zu fokussieren? Liegt es einfach in Ihren Genen oder woher nehmen Sie das?
Kaul: Das weiß ich gar nicht so genau, weil wir nicht speziell mit einem Mental-Coach daran gearbeitet haben. Deswegen kann ich das schwer sagen. Ich glaube, das ist bei mir, gerade am zweiten Tag, eher die Freude auf jede Disziplin. Und wenn die eine Disziplin vorbei ist, freue ich mich direkt auf die nächste. Da kommen ja eigentlich nur gute Disziplinen von mir. Ganz genau beschreiben kann ich nicht, warum es so ist.
SPORT1: Fanden Sie es schade, dass der Wettkampf so spät zu Ende war und bei Ihrer Jubelrunde quasi keiner mehr im Stadion war?
Kaul: So schlimm fand ich es nicht. Klar ist es cool, wenn am Ende das Stadion noch voll ist, aber in dem Moment ist es auch egal. Es geht dann eher darum, was man die letzten zwei Tage geschafft hat und nicht, ob noch 1.000 oder 40.000 Leute im Stadion sind.
SPORT1: Jetzt geht der Blick wahrscheinlich Richtung Tokio, werden Sie dann vermehrt am Sprint arbeiten oder ist das jetzt zu kurzfristig? Kann man jetzt zum Beispiel nicht sagen: In acht Monaten werde ich meine 100-Meter-Zeit nochmal um drei Zehntel verbessern, im Weitsprung nochmal 20 Zentimeter weiter springen? (So stehen die Aussichten für die deutschen Leichtathleten in Tokio)
Kaul: Das wäre auf jeden Fall schön, wenn das klappen würde. Wir werden aber höchstwahrscheinlich gerade in dem Bereich viel arbeiten müssen. Vor allen Dingen ist es auch gerade da so, dass es noch am leichtesten ist, wirklich Punkte rauszuholen. Von daher wird das wahrscheinlich der Weg sein, den wir gehen müssen.
Hitze bei Olympia in Tokio kein Problem
SPORT1: In Tokio wird es etwas wärmer werden, weil da die Klimaanlage fehlt. Wird das für Sie ein Problem sein?
Kaul: Denke ich nicht. Ich hatte schon andere Zehnkämpfe, wo es sehr warm war: Berlin im letzten Jahr mit 36 Grad, das Jahr zuvor in Italien hatten wir auch über 33 Grad. Das geht schon. Ich glaube nicht, dass das ein großartiges Problem wird. Da muss man sich vorher einen genauen Plan machen, was man via Nahrung und Getränken zu sich nimmt, dass man keine Probleme bekommt.
SPORT1: Wahrscheinlich fährt man ein, zwei Wochen vorher hin, um sich zu akklimatisieren, oder?
Kaul: Genau. Ich glaube, zwei Wochen haben wir vorher.
SPORT1: Haben Sie Bammel davor, dass dann alle sagen: Ach, der Kaul, der muss jetzt auch in Tokio eine Medaille holen?
Kaul: Nein, eigentlich nicht. Am Ende mache ich den Sport, auch wenn es an sich jetzt ein bisschen mehr Aufmerksamkeit von außen gibt, immer noch für mich. Ich glaube, ich werde selbst am Besten wissen, in welcher Form ich anreise und dann auch einschätzen können, was möglich ist. Es geht erstmal darum, im Winter ordentlich zu trainieren, gut und ohne Verletzung durch den Winter zu kommen. Anfang nächster Saison merkt man dann relativ schnell, ob man in guter Form ist. Dann kann ich für mich am besten einschätzen, was ein realistisches Ziel für Tokio ist.