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Timo Scheider legt gegen Audi nach: "Dürfen Fans nicht verarschen!"

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Timo Scheider legt gegen Audi nach: "Dürfen Fans nicht verarschen!"

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Scheider: "Fans nicht verarschen!"

Ex-DTM-Meister Timo Scheider im Interview: Wie sich die Teamorder-Affäre zwischen Rast und Müller zusammenbraute und wie man sogar Stellen für Platzwechsel vorgibt.
Ex-Champion und Experte: Timo Scheider nimmt sich kein Blatt vor den Mund
Ex-Champion und Experte: Timo Scheider nimmt sich kein Blatt vor den Mund
© LAT

Schon in seiner Kolumne auf 'ran.de' und bei der TV-Übertragung der DTM aus Brands Hatch ging Ex-DTM-Meister Timo Scheider nach der Teamorder-Kontroverse hart mit Audi ins Gericht. Im Interview mit 'Motorsport-Total.com' erklärt der Ex-Audi-Pilot nun seine Kritik und gibt Einblicke, wie sich das Ungemach zwischen Nico Müller und Rene Rast hinter den Kulissen zusammenbraute und wie sich der Schweizer der Teamorder widersetzt habe.

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Und Scheider fordert die Protagonisten auf, doch endlich Klartext zu sprechen und sich nicht hinter schönen Worten zu verstecken.

Frage: "Timo, wie läuft Teamorder in der DTM ab und was werfen Sie Audi vor? Timo Scheider: "Im Laufe einer Saison kristallisieren sich irgendwann bei jedem Hersteller die drei besten Fahrer im Klassement heraus. Bei Halbzeit guckt man sich das schon mal an, und irgendwann entscheidet man sich als Hersteller dafür, die besten drei zu unterstützen."

"In Form von bestmöglicher Strategie, Unterstützung durch Teamkollegen und Risikomanagement. Das ist auch völlig normal und legitim - und auch ich habe das in meiner aktiven Zeit erfahren und auch davon profitiert."

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Scheider: Push-to-pass-Erklärung fürs Märchenbuch

Frage: "Aber?" Scheider: "Ich finde es beschissen, wenn man etwas anders verkauft als man es auf der Strecke umsetzt. Die Hersteller dürfen gerne im Vorfeld in ihren Meetings festlegen, welcher Pilot Prio 1, 2 und 3 hat. Alles gut! Aber dann kommuniziert das bitte nachher so nach außen!"

"Und sagt nicht: Wir haben Push-to-pass-Probleme gehabt - der eine (Rast; Anm. d. Red.) hat Push-to-pass ganz zufällig am Samstag in den letzten Runden vergessen, in denen er um den Sieg fahren hätte können. Der andere (Müller) hat am Sonntag Push-to-pass nicht gedrückt, weil er gegen den Teamkollegen fuhr und der Motor vielleicht ein bisschen in Mitleidenschaft gezogen worden wäre."

"Das sind Sachen, da muss ich mir an den Kopf fassen, denn das gehört ins Märchenbuch. Und es ärgert mich dann auch, wenn wir den Fan um guten Sport bringen. Denn wir dürfen die Fans da draußen, für die wir den Motorsport machen und ohne die der Motorsport nicht funktionieren würde, nicht verarschen."

Frage: "Weil es der Fan ohnehin früher oder später mitbekommt, was läuft?" Scheider: "Wenn man es offen kommuniziert, geht man vielleicht das Risiko ein, dass der Fan sagt, das brauche ich mir gar nicht anzugucken, weil der Ausgang sowieso klar ist. Aber am Ende wird trotzdem noch renngefahren. Und man kann alles vorab in der Theorie planen, und in der Praxis sieht es dann oft anders aus."

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"So eine Luxussituation mit acht Audis an der Spitze, die es erst drei Mal in der Geschichte gab, wird es nur selten geben, aber sie bietet immer noch die Möglichkeit für interne Spannungen. Aber wissen Sie, was mich am allermeisten ärgert?"

Frage: "Bitte sehr." Scheider: "Dass ein Rene Rast in Brands Hatch auf Platz eins vor einem Nico Müller liegt, der gerade die Chance seines Lebens in der DTM hat, aber die nicht nutzen darf und kann. Und nach den Informationen, die ich aus dem Umfeld des Audi-Lagers habe, aus allen Ebenen - von der Technikseite bis zur Fahrerseite, ohne Namen zu nennen - , sieht man das dort genauso. Ich kriege dafür die Bestätigung."

"Aber von oben herab wird kommuniziert und dirigiert, und dem hat man auch Folge zu leisten."

Scheider: Norisring-Kollision als Auslöser

Frage: "War die Kollision am Norisring der Auslöser dafür, dass Rast und Müller nicht mehr gegeneinander kämpfen dürfen?" Scheider: "Ich weiß aus sicherer Quelle, dass es ab dem Norisring untereinander interne Querelen gab, dass es da unterschiedliche Standpunkte zu unterschiedlichen Dingen gab. Und dass das Thema seitdem intern immer heißer diskutiert wurde. Dadurch sind die Spannungen immer weiter angewachsen."

"Dass ausgerechnet die beiden jetzt vorne sind und gegeneinander kämpfen, macht die Sache natürlich spannender. Aber wenn der Zweite nicht einmal den Ersten angreifen darf - wir reden hier ja nicht über ein Duell zwischen dem Erstplatzierten und dem Fünftplatzierten in der Meisterschaft -, dann ist das kein freies Fahren mehr. Und das schadet dem Sport extrem."

"Dass sich die beiden nicht die Ellbogen in die Rippen hauen sollten, wie sie es in Nürnberg gemacht haben, ist auch klar. Und es ist auch klar, dass man den beiden danach zwischen die Hörner hauen muss. Sie sind aber glaube ich clever genug, um damit umzugehen - nach dem Donnerwetter, das es am Norisring gab."

Frage: "Wollte Müller am Norisring zeigen, dass er sich Rast nicht unterordnet?" Scheider: "Er hat sich zunächst ja entschuldigt, aber nachdem er die TV-Bilder gesehen hatte, meinte er, dass das Ding doch ein bisschen anders gelaufen ist, als im ersten Moment angenommen. Ich glaube, dass er anhand der Bilder, die er im Nachhinein gesehen hat, korrekterweise gesagt hätte: 'Hättest du nicht so eingelenkt, wäre alles in Ordnung gewesen. Dann hätten wir beide genügend Platz gehabt, um da herumzukommen.'"

"Da aber Rene davon ausgeht, dass er die Priorisierung hat, lenkt er ein und schaut nur nach vorne. Ich kenne das ja aus meinen Meisterjahren. Wenn du den Teamkollegen hinten dran hast, dann guckst du in der Regel gar nicht in den Rückspiegel, weil du weißt, der sollte eigentlich keinen Blödsinn machen, wenn nicht irgendwas schiefgeht. Da ist es aber schiefgegangen."

Scheiders Assen-Theorie: Müller hielt sich nicht an Absprache

Frage: "Sie haben in Ihrer Kolumne geschrieben: 'Die Dinge sind anders gelaufen als intern besprochen'. Meinten Sie damit die Kollision auf dem Norisring?" Scheider: "Ja genau. Das sind solche Dinge, die generell im Vorhinein in Meetings klar besprochen werden. Da gibt es immer wieder Ansagen. Das ist am Norisring aber anders gelaufen als es der Plan war, hätte vielleicht auch in Assen anders laufen sollen, als Rene Rast nicht an Nico Müller vorbeigekommen ist."

Frage: "Hätte Müller Rast in Assen eigentlich vorbeilassen müssen?" Scheider: "Da ich nicht in den Meetings sitze, kenne ich die internen Absprachen nicht, aber die Handbewegung von Rene Rast spricht dafür, dass das anders hätte laufen sollen und dass das anders abgesprochen war."

"Es freut mich aber, den Charakter des Nico Müller wieder ein bisschen besser kennenzulernen, der sagt: 'Weißte was, Junge, küss mir den Hintern! Das ist mein Platz, und du kannst dich hinten anstellen.' Das gefällt mir."

"Daraus resultierte vielleicht, dass die Ansage nach dem Norisring noch einmal wiederholt oder geändert werden musste, was dann vielleicht dazu geführt hat, dass Nico Müller in Brands Hatch wie ein frommes Hündchen hinterherfährt und sagt: 'Ich greife natürlich nicht an, ich stehe voll hinter der Marke.'

Frage: "Rast sagt, dass es keine Teamorder gibt. Das habe Assen gezeigt." Scheider: "Renes Handbewegung in Assen hat klar gezeigt: Er ist davon ausgegangen, dass er vorbeigelassen wird, was dann nicht passiert ist. Und das hat nach dem Norisring für weitere Spannungen und Diskussionen gesorgt. Das war jetzt das dritte Mal in Folge."

"Diesmal in Brands Hatch hat sich Nico ganz sauber an die Regeln gehalten, hat sich voll hinter den Hersteller gestellt, hat gesagt, er habe aus freien Stücken kein Push-to-pass gedrückt, was in meinen Augen völlig unverständlich ist. Aber die Werksfahrer muss man auch verstehen und schützen, denn sie sind in der Zwickmühle."

"Sie müssen das Lied des Herstellers singen. Sie werden am Ende dafür bezahlt. Aber da können einem die Fahrer fast leidtun, denn sie müssen politisch korrekt antworten. Ich weiß ja, wie das läuft, denn ich war 16 Jahre in der DTM."

Scheider: Sogar Stellen für Platztausch sind vorbestimmt

Frage: "Hat sich Nico Müller in Brands Hatch völlig untergeordnet?" Scheider: "Für den Laien war das vielleicht nicht so offensichtlich, aber Nico hat in Brands Hatch nach seinem schlechten Stopp zunächst die Lücke auf drei Zehntel, also bis zur Stoßstange, zugefahren. Dann kamen die entscheidenden Runden, in denen Push-to-pass und DRS frei verfügbar waren."

"Zuerst nutzt er das nicht, dann lässt er sich eineinhalb Sekunden zurückfallen und fährt in der letzten Runde wieder ran. Das war eine schöne Ego-Geschichte eines Rennfahrers, um noch einmal nach außen klar zu sagen: 'Schaut mal, liebe Fans! Ich bin nicht nur mitgefahren, sondern ich fahre deutlich schneller, lass mich zurückfallen und fahre nochmal hin.'"

"Dass er das so offensichtlich gemacht hat, gefällt dem Hersteller vielleicht nicht, aber etwas ähnliches hat man auch bei anderen Fahrern gesehen. Sie sind auf der vorletzten Gerade ganz bewusst ganz nach rechts gefahren."

"Da gibt es im Vorfeld eine Absprache, an welchen Stellen man überholen lässt, um eventuell dem Gegner von der Konkurrenz nicht noch die Chance zu geben, die Gelegenheit auszunutzen. Deswegen war das immer an der gleichen Stelle. Die sind ganz bewusst ganz auf die Seite gefahren, um dann Rene oder auch Nico vorbeizulassen, damit es offensichtlich ist. Diese Dinge nehmen sich die Fahrer dann heraus."

Frage: "War das die gleiche Stelle, an der Rast am Samstag Müller überholt hat?" Scheider: "Genau. Die Gegengerade. Das war die prädestinierte Stelle, an der alle Tauschmanöver stattgefunden haben, denn Überholmanöver möchte ich sie gar nicht nennen."

Auf Push-to-pass vergessen: Scheider glaubt Rast nicht

Frage: "In dieser Situation zeigte auch Müller keine große Gegenwehr. War auch das ein Tauschmanöver?" Scheider: "Er ist natürlich auf die vermeintliche Kampflinie gefahren, also weg von der Ideallinie. Er hatte kein DRS - und natürlich hat Rene dann einen Vorteil. Nico war also eher machtlos, weil er keine DRS-Möglichkeit hatte. Also schwierig zu beantworten. An der Stelle, an der Rene völlig problemlos vorbeikam, ist Nico am Sonntag jedenfalls nicht einfach so vorbeigefahren."

Frage: "Dabei hat er auch kein Push-to-pass genutzt, das ja laut Audi nur gegen andere Hersteller eingesetzt werden darf. Kurios ist aber, dass Rast am Samstag im Kampf gegen BMW-Pilot Marco Wittmann laut eigenen Angaben auf Push-to-pass sogar vergessen hat." Scheider: "Dass er es vergessen hat, glaube ich ihm nicht."

"Wenn du in den letzten Runden ein Feuerwerk abbrennen kannst, nachdem du so eine große Lücke zugefahren hast und dann die Chance zum Sieg vor der Nase hast, dann willst du auch gewinnen. Dann will auch ein Rene Rast gewinnen."

"In dem Aspekt hat er sich für mich wieder hinter den Hersteller gestellt, der momentan die Argumentation bringt, dass die Belastung des Motors zu hoch ist, wenn sie Push-to-pass nutzen. Irgendeinen Grund dafür gibt es, denn in beiden Fällen ging es um den Sieg."

"Das ist schon extrem, denn wenn ich Zweiter bin im Rennen oder in der Meisterschaft, dann nutze ich das. Welcher Grund das genau ist, kann ich im Moment nicht beantworten."

Scheiders Vorschlag für faires Duell ohne Crashgefahr

Frage: "Wie könnte Audi agieren, um das Duell zwischen Rast und Müller fairer zu gestalten, ohne dabei eine Kollision zu riskieren?" Scheider: "Wenn es wirklich freies Fahren gäbe, was ja so gesagt wird, dann könnte man den schnelleren vorbeilassen, nachdem der ein paar Runden Druck gemacht hat. Und wenn er sich absetzen kann, dann kann er die Position behalten. Kann er sich nicht absetzen, dann wird wieder zurückgetauscht. Das wäre für Fans und auch für den Fahrer selbst ein sehr fairer Ablauf. Aber nicht mal das macht man! Und das macht mich echt sauer."

Frage: "Fehlt es Ihnen auch an Authentizität in den Interviews?" Scheider: "Da gab es eine geile Aussage, als Nico Müller von Andrea Kaiser gefragt wurde, wer Meister wird, und er mit 'ich' antwortete. Und Rene Rast antwortet: 'Ein Audi'. Da habe ich mir gedacht: Lieber Rene, was soll das denn?"

"Da macht er sich sehr beliebt beim Hersteller, aber das ist völlig unglaubwürdig in der Öffentlichkeit. Warum sagt er nicht 'ich'? 'Ich will der Beste sein, und am Ende werden wir sehen, ob ich es bin'. Das wäre eine klare Aussage, aber hört doch bitte auf mit dieser Schönrederei!"

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