Die Antwort kam per Fax. Natürlich. Eine Mail nutzt Bernie Ecclestone aus Prinzip nicht, die Nutzung moderner Kommunikationsmittel untersagt sich der Herrscher der Formel 1 konsequent.
Das System Ecclestone
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Das Schreiben begann mit einem "Dear Mr Dietmar". Gemeint war der Empfänger Dietmar Brück, Korrespondent der "Rhein-Zeitung". Das mag schrullig wirken. Doch in der Sache war der 84 Jahre alte, 1,60 Meter große Chef-Promoter der Königsklasse einmal mehr knallhart.
Es sei eine Tatsache, dass die Besucherzahlen in den vergangenen Jahren so gering gewesen seien, dass die Austragung eines Grand-Prix in Deutschland für die Vermarkter "nicht machbar" sei, schrieb Ecclestone.
Gute Gründe für Deutschland
Das Aus für 2015? Weder Nürburg- noch Hockenheimring als Veranstalter? Erstmals eine Formel 1 ohne deutsches Rennen seit 1955, also seit 60 Jahren?
Und das alles trotz des deutschen Weltmeister-Teams Mercedes? Trotz neun deutscher Fahrertitel (fünfmal Michael Schumacher, viermal Sebastian Vettel) im noch jungen Jahrtausend?
"Wir geben unser Bestes"
Mitnichten. Ecclestone macht nur das, was er schon immer am besten gekonnt hat. Er pokert, reizt sein Blatt aus.
Ecclestones Relativierung der eigenen Aussagen ließ nicht lange auf sich warten. "Es sieht nicht gut aus. Man kann sagen, dass es unwahrscheinlich ist, aber wir versuchen, es noch zu retten. Ich will es natürlich nicht verlieren. Wir geben unser Bestes", sagte er der Nachrichtenagentur Reuters zu den Chancen eines deutschen Rennens.
"Wir sind überrascht worden"
Die Veranstalter reagierten bei SPORT1 irritiert und betonten, es sei nach wie vor offen, ob das am 19. Juli geplante Rennen auf dem Nürburgring stattfinden wird.
"Das können wir im Moment nicht sagen. Was ich sagen kann, ist, dass wir vor circa zwei Wochen ein Gespräch mit Herrn Ecclestone geführt haben. In diesem Gespräch haben wir Vertraulichkeit vereinbart und werden uns auch daran halten", erklärte Pietro Nuvoloni von der Betreiberfirma capricorn im Gespräch mit SPORT1.
Die getroffenen Aussagen hätten ihn daher durchaus irritiert: "Wir sind gestern auch ein wenig von der Aussage von Herrn Ecclestone überrascht worden und haben das so zur Kenntnis genommen."
Das System Ecclestone
Wirklich erstaunlich ist das Gebaren des Bosses aber nicht. Es ist das System Ecclestone, die Taktik des ausgebufften Geschäftsmanns: Angst schüren, Druck aufbauen, Hoffnung machen. Und dann wieder von vorne, die nächste Umdrehung. So zieht er die Daumenschrauben an. Mit einem Ziel: dem größtmöglichen Profit.
Gerne kokettiert dieser Charles Bernhard Ecclestone damit, wie geschäftstüchtig er schon als kleiner Junge war. Er habe früh "mit allem gedealt und gehandelt", was ihm in die Finger kam. Zuerst Kaugummi gegen Radiergummi, dann Farbstifte gegen Schulhefte, später Fahrradpumpen gegen Fußbälle.
Er kaufte massenweise Süßigkeiten, um sie in der Pause auf dem Schulhof weiter zu verscherbeln. Mit Aufschlag, natürlich.
Vom Wohnwagenzirkus zur Geldmaschine
Seit nunmehr fast vier Jahrzehnten bestimmt er, wohin die Formel 1 steuert. Er hat sie von einem Wohnwagenzirkus in eine Geldmaschine verwandelt.
An der er selbst prächtig mitverdient. Sein Vermögen wird auf knapp zwei Milliarden Euro geschätzt. Die etwa 75 Millionen Euro, mit der er sich im Vorjahr im Bestechungsprozess aus den Fängen des Münchener Landgerichts freigekauft hat, kann er demnach locker verschmerzen.
Deutsche Kuh gemolken
Den Veranstaltern von Rennen geht es bei weitem nicht so gut. Im Gegenteil. Dass sie immer mehr in die Knie gehen, sich verbiegen müssen und drohen, zu brechen - das ist Ecclestone egal.
Eigentlich ist der Große Preis von Deutschland für den 19. Juli am Nürburgring angesetzt. Aufgrund finanzieller Schwierigkeiten des Eifel-Kurses ist der Hockenheimring als Alternative im Gespräch.
Doch der soll im Vorjahr ein Minus von 2,5 Millionen Euro eingefahren haben. Die Zuschauer wollen die horrenden Ticketpreise nicht mehr zahlen, Ecclestone bezeichnete sie gegenüber der englischen Nachrichtenagentur Press Association als "lausig". Die deutsche Kuh scheint gemolken.
Kernmarkt als Pfund
Ecclestone verkauft die Rennen an den Meistbietenden. In letzter Zeit mit Vorliebe an Asiaten und Araber. Dort ist der Geldfluss noch garantiert, dort sind Märkte und Einnahmequellen noch nicht versiegt.
Und dennoch: Für den Nürburg- oder Hockenheimring ist die Formel 1 trotzdem noch nicht abgefahren. Einen Bruch mit Deutschland mag Ecclestone nur ungern in Kauf nehmen. Nicht aus Nostalgie. Sondern um einen wichtigen Kernmarkt nicht zu verlieren.