Tony Ross ist ein erfahrener Mann. Dabei kennt der Renningenieur nicht nur den Formel-1-Zirkus bestens, mit seinem Schützling Nico Rosberg verbindet ihn durch über zehn Jahre Zusammenarbeit mittlerweile sogar eine Freundschaft über das Berufliche hinaus.
Funk-Gate bringt FIA in die Klemme
© Getty Images
Bereits seit Beginn der Formel-1-Karriere Rosbergs ist der Brite, mit Außnahme seines ersten halben Jahres bei Mercedes, eng an der Seite des 31-jährigen. Etliche Entscheidungen und Funksprüche fielen in der Zeit, der folgenschwerste sicherlich am Sonntag in Silverstone.
Man mag sich also kaum ausmalen wie sich Ross fühlen müsste, sollten am Ende die abgezogenen drei Punkte durch die Versetzung Rosbergs an die dritte Stelle über den WM-Titel entscheiden.
"Du musst durchschalten"
Die Worte: "A-firm Nico, you need to shift through it" brachten das Fass zum Überlaufen, da sich der Hinweis, den siebten Gang doch zu übergehen, in den Augen der FIA um eine direkte Fahranweisung und nicht nur um eine Information über das Problem handele, was seit einiger Zeit verboten ist.
Stundenlang ließen sich die Rennkommissare Zeit, um zum ersten Mal in der Geschichte der Formel-1 einen Fahrer wegen eines Funkvergehens zu bestrafen. Wohl wissend, dass es am Ende weder im Interesse der Fans, der Fahrer und der FIA selbst sein kann, einen Weltmeister durch eine Entscheidung am grünen Tisch zu küren.
Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff fordert unmissverständlich: "Es muss genau klargestellt werden, was erlaubt und was verboten ist. Sonst kann man einfach den Funk ausstöpseln und ihn aus dem Auto werfen."
Mercedes zieht Berufung zurück
In der Tat gibt es im komplexen Regelwerk der Königsklasse des Motorsports einige widersprüchliche und schwammige Passagen. Mercedes argumentierte unter Berufung auf Punkt zwei der Liste erlaubter Funksprüche, dass man sehr wohl Anweisungen geben dürfe, wenn der Defekt einer Komponente unmittelbar bevorstehe.
Dass dies konkret der Fall war, wollten die Verantwortlichen dem Renngericht ursprünglich per Berufungsantrag darlegen. Am Montagabend aber teilte das Team mit, dass es darauf doch verzichte.
Man akzeptiere die Interpretation der Rennkommissare und die entsprechende Strafe, heißt es in einem offiziellen Statement. Man werde aber in den kommenden Wochen "Gespräche über die empfundene Überregulierung des Sports mit den relevanten Beteiligten fortführen". Pikantes Detail: als einer der vier Rennkommissare entschied Hamilton-Fan und Ex-Weltmeister Nigel Mansell über Rosbergs Strafe.
Selbst die Profiteure der Konkurrenz um Red Bull-Chef Christian Horner springen den Schwaben zur Seite. "Diese Regel ist totaler Mist", polterte der Brite in Richtung FIA.
Whiting: "Honeymoon-Periode vorbei"
Dass es am Silverstone-Wochenende nun zum Eklat kam, überrascht nicht. Bereits in Spielberg musste Force India am Funk schweigen, als bei Pilot Sergio Perez eine Bremsscheibe ihren Dienst versagte, infolgedessen der Mexikaner einen Unfall zu beklagen hatte.
In Baku verzweifelte Lewis Hamilton an der Technik seines Silberpfeils, seine Ingenieure durften ihm aufgrund des Funkverbots keine Anweisungen geben. Weil sie etwa nicht genau wussten, was erlaubt ist und was nicht?
Damals konnte der Brite lediglich nicht die volle Leistung seines Boliden abrufen, doch Wolff gibt zu bedenken: "Es ist gefährlich und nicht sehr sportlich, wenn die Fahrer am Lenkrad verzweifelt irgendwelche Einstellungen suchen müssen, während sie mit 300 km/h ein Rennen fahren."
Bei Rosberg entschied sich Souffleur Ross nun für die Information, die Rosberg zwar ins Ziel brachte, jedoch zu eine Entscheidung über den Ausgang des Rennens und womöglich sogar der WM am grünen Tisch führte.
Damit müssen alle Beteiligten, sollten die aktuellen Regeln auch weiterhin so beibehalten werden, nun leben.