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Stefan Aigner blickt auf 1860 München, Eintracht Frankfurt und seine Profikarriere zurück

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Stefan Aigner blickt auf 1860 München, Eintracht Frankfurt und seine Profikarriere zurück

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Aigner: “Hätte das nicht machen dürfen”

Im Sommer hat Stefan Aigner seine aktive Karriere beendet. Bei SPORT1 blickt er zurück auf 15 Jahre Profifußball und wird dabei auch etwas traurig.
Stefan Aigner spricht über seine Karriere als Profi bei TSV 1860 München und wie seine Zukunft im Sport aussieht.
Reinhard Franke
Reinhard Franke

Wenn man an große Spieler des TSV 1860 München aus der jüngeren Vergangenheit denkt, kommt man an einem Namen nicht vorbei: Stefan Aigner. Der gebürtige Münchner stand immer für 100 Prozent Identifikation mit dem Verein. In diesem Sommer beendete “Aiges”, wie er genannt wird, seine Profi-Karriere.

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Der 33-Jährige spielte zu seiner aktiven Zeit unter anderem auch für Eintracht Frankfurt, Colorado Rapids, den KFC Uerdingen und Wehen Wiesbaden. Ein dunkler Fleck seine Profikarriere: der bittere Abstieg mit seinen Löwen 2017. Bei SPORT1 blickt Aigner ausführlich auf seine Karriere zurück und berichtet sogar von einem “Skandälchen”.

SPORT1: Herr Aigner, wie ist das Leben ohne Fußball?

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Stefan Aigner: Ich genieße es sehr, jetzt Zeit mit der Familie zu haben. Meine Lieben halten mich ganz schön auf Trab. Ich verfolge natürlich den Fußball, habe die EM geschaut oder gucke mir meine Löwen in der 3. Liga an und freue mich auf schon auf den Bundesligastart am Wochenende. Ich bin aber ganz froh, dass ich mal keine Vorbereitung mit einem Trainingslager habe. (DATEN: Die Tabelle der Bundesliga)

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Aigner: “Fußball ist gläserner und hitziger geworden”

SPORT1: Vermissen Sie dennoch etwas?

Aigner: Nein. Noch nicht. Ich habe mir den Zeitpunkt aufzuhören schon genau überlegt. Es wäre auch nicht gut, erst die Karriere zu beenden und vier Wochen später schon etwas vermissen. Ich habe meine 15 Jahre als Profi genossen, es hat großen Spaß gemacht. Es gab viele Höhen und einige Tiefen, wie im echten Leben. (DATEN: Ergebnisse und Spielplan der Bundesliga)

SPORT1: Wenn Sie das heutige Fußballgeschäft mit dem vor 15 Jahren vergleichen, was ist anders?

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Aigner: Es ist alles schneller, hitziger und auch gläserner geworden. Als ich noch ein junger Spieler war, hatte man nichts zu melden, da gab es eine richtige Hierarchie. Du hast als junger Spieler die Bälle aufgepumpt, Tore getragen und hast das gemacht, was die älteren Spieler gesagt haben. Und natürlich sind die Ablösesummen exorbitant in die Höhe geschossen. Und die Verträge werden nicht mehr so eingehalten wie früher. Aber Geld regiert die Welt, und deshalb werden Spieler einfach aus laufenden Verträgen rausgekauft.

SPORT1: Was machen Sie aktuell?

Aigner: Ich wollte erstmal komplett abschalten und habe mir nichts konkret vorgenommen. Wir werden den einen oder anderen Urlaub mehr buchen als die Jahre zuvor, weil es zeitlich einfach nicht geklappt hat. Aber ich will im Fußball bleiben. Zurzeit biete ich bei kleinen Dorfvereinen Trainings an, gehe in die Jugendteams rein und die jeweiligen Trainer können zuschauen. Zusätzlich biete ich für die Jungs noch Techniktraining an. Und nebenbei will ich meine Trainerscheine machen. Ich will auf dem Platz stehen, gerne als Trainer, versuche noch rauszufinden, was mir gefällt. Aber ich verspüre nicht den Drang, jetzt in ein Nachwuchsleistungszentrum reinkommen zu müssen. Ich muss in den nächsten Jahren nicht in den ersten drei Ligen arbeiten.

SPORT1: Wer war Ihr bester Trainer in Ihrer Karriere?

Aigner: Am meisten zu verdanken habe ich Armin Veh (sein Trainer bei Eintracht Frankfurt, d. Red.). Er und Bruno Hübner (ehemaliger Eintracht-Sportdirektor, d. Red.) gaben mir die Chance, in der Bundesliga Fuß zu fassen. Natürlich musste ich da auch Leistung zeigen. Ich hatte aber viele gute Trainer wie Thomas Schaaf in Frankfurt, Reiner Maurer bei 1860 oder Vitor Pereira, mit dem es bei den Löwen durch den Abstieg in die 3. Liga und den Zwangsabstieg ein schlechtes Ende gab. Mit dem einen oder anderen Trainer versteht man sich besser, aber ich habe von jedem etwas gelernt.

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SPORT1: War die Zeit bei 1860 Ihre schönste Zeit als Profi?

Aigner: Emotional sicher, aber sportlich war die Zeit bei der Eintracht mit der Europa League die erfolgreichste. Die Zeit bei Sechzig, bevor ich zur Eintracht gewechselt bin, war sicher die Schönste. Wir hatten mit Benny Lauth, Daniel Halfar oder Kevin Volland eine super Truppe beisammen, mit der wir fast in die Bundesliga aufgestiegen wären. Da gab es einen tollen Teamspirit. Es hat riesig Spaß gemacht.

SPORT1: Was sagen Sie zur neuen Ruhe bei Ihren Löwen? Das ist seit zwei Jahren ungewöhnlich, oder?

Aigner: Stimmt. (lacht) Aber das liegt schon auch am Trainer (Michael Köllner, d. Red.). Ich finde, dass Köllner das super hinbekommen hat. Unter ihm wird ansehnlicher und erfolgreicher Fußball gespielt. Das begeistert auch die Fans, und ohne Corona wäre das Grünwalder Stadion jedes Mal ausverkauft. Für jede Gastmannschaft ist es undankbar dort zu spielen. In der vergangenen Saison, in der die 3. Liga brutal eng war, haben sie den Aufstieg leider nicht geschafft. Aber ich bin guten Mutes, dass sie in dieser Runde eine gute Rolle spielen werden, was den Aufstieg angeht. Ich hoffe natürlich, dass meine Löwen sobald wie möglich wieder hoch kommen in die 2. Liga.

Aigner schildert Schnaps-Anekdote

SPORT1: Gab es mal einen handfesten Skandal, über den Sie heute schmunzeln können?

Aigner: Es ab ein Skandälchen. (schmunzelt) Ich war 18 und spielte bei Wacker Burghausen mein erstes Profijahr. Wir waren ein verschworener Haufen und hatten das letzte Saisonspiel zuhause gegen Paderborn. Nach den Spielen waren wir schon mal beim Italiener, haben das eine oder andere Bier getrunken oder einen Schnaps. Es ging in der Partie um gar nichts mehr, so dass der Italiener meinte, man könne doch vor dem Spiel mal einen Schnaps trinken. Ich sagte, dass das nicht geht, doch er meinte nur ‘Trink einen Schnaps, dann schießt du ein Tor’. Und das Ende vom Lied war, dass ich einen Schnaps getrunken habe und sogar zwei Tore erzielt habe. Das war das einzig positive Skandälchen. (lacht) Ich war halt noch jung und unbekümmert.

SPORT1: 1860 war und ist bis heute Ihr Herzensverein. Gibt es heute noch Identifikation im Profifußball?

Aigner: Nein. Vereinzelt gibt es noch Spieler, die sich mit dem Klub total identifizieren. Aber ich sehe das zwiegespalten. Ich habe in jungen Jahren das Löwen-Wappen geküsst, weil es einfach mein Heimatklub ist. Meine komplette Familie ist blau, und ich stand früher auch in der Kurve. Für mich war das ein Kindheitstraum, mit dem Löwen auf der Brust zu spielen. Aber später war Fußball mein Beruf. Ich bin mit dem Verein abgestiegen und wäre vom Herzen her am liebsten geblieben. Aber ich hatte da schon eine eigene Familie zu ernähren. Man kann nun mal nur eine gewisse Zeit Fußball spielen. Ich werde immer ein Löwe bleiben. Es gibt bestimmt noch Spieler wie mich, die sich total mit dem Verein identifizieren. Oder die Fans mit dem Spieler. Ich habe nur ein Problem mit Profis, die drei Wochen bei einem Verein sind, ein Tor schießen und das Wappen küssen.

SPORT1-Reporter Reinhard Franke trifft Stefan Aigner zum Interview
SPORT1-Reporter Reinhard Franke trifft Stefan Aigner zum Interview

Aigner: “Ich wollte einfach dem Verein helfen”

SPORT1: Wie blicken Sie auf die Zeit in Frankfurt zurück?

Aigner: Es waren vier wunderbare und erfolgreiche Jahre. Ich durfte in der Europa League spielen und war fast immer Stammspieler, habe zwei sehr wichtige Tore gegen Borussia Dortmund und Darmstadt geschossen. Am Ende fand ein Umbruch statt, so dass ich dann gegangen bin. (NEWS: Alle aktuellen Infos zur Bundesliga)

SPORT1: Das Jahr bei den Löwen verlief dann unglücklich. Warum?

Aigner: Ich fand früh meine Form, doch dann hatte ich eine blöde Verletzung, war fast zehn Wochen raus. Der Verein hat dann etwas Druck gemacht, der Trainer wollte, dass ich wieder spiele, aber ich war noch nicht fit und konnte also keine Leistung bringen. Im Nachhinein hätte ich das nicht machen dürfen. Ich wollte einfach dem Verein helfen. Im Winter kamen ein neuer Trainer und viele neue Spieler und es herrschte eine brutale Unruhe. Das Ende vom Lied war der verdiente Abstieg.

Aigner: “Ich war fix und fertig”

SPORT1: Wie sah es in Ihnen aus? Haben Sie daheim geweint?

Aigner: Ja. Sehr. Ich war fix und fertig, wollte es nicht wahrhaben. Ich brauchte eigentlich nach einer Saison zwei, drei Wochen, bis die Lust auf Fußball wieder da war. Doch nach dem Abstieg hatte ich sechs Wochen keine Lust mehr zu kicken. Es war schrecklich. Auch Anfragen von anderen Klubs haben mich nicht interessiert. Schließlich bin ich in die USA gewechselt. Und dann konnte ich mich damit endlich auseinandersetzen.

SPORT1: War es eine Flucht aus Deutschland?

Aigner: Wenn ich ehrlich bin ja. Ich wollte nur noch weg. Ich konnte mir auch keinen Zweitliga-Fußball mehr anschauen, weil ich das immer mit dem Negativerlebnis verbunden habe. Es war leider eine Flucht. Ich musste auf andere Gedanken kommen. Es hat sehr weh getan. Leider fällt mein Name, wenn heute vom Abstieg gesprochen wird.

MUNICH, GERMANY - JULY 26: Lars Lukas Mai of Bayern Munich (L) in action with Stefan Aigner of Uerdingen during the 3. Liga match between Bayern Muenchen II and KFC Uerdingen at Stadion an der Gruenwalder Strasse on July 26, 2019 in Munich, Germany. (Photo by Daniel Kopatsch/Getty Images for DFB)
MUNICH, GERMANY - JULY 26: Lars Lukas Mai of Bayern Munich (L) in action with Stefan Aigner of Uerdingen during the 3. Liga match between Bayern Muenchen II and KFC Uerdingen at Stadion an der Gruenwalder Strasse on July 26, 2019 in Munich, Germany. (Photo by Daniel Kopatsch/Getty Images for DFB)

Aigner: “Ismaik war da deutlich distanzierter”

SPORT1: Sie hatten bei 1860 und beim KFC Uerdingen die Investoren Hasan Ismaik und Mikhail Ponomarev. Können Sie beide vergleichen?

Aigner: Wenn ich sie vergleiche, dann muss ich sagen, dass Ponomarev näher am Verein und an der Mannschaft war. Er hatte dadurch einen viel größeren Einfluss. Ismaik hat sich nur ab und zu mal sehen lassen, hatte aber nie den großen Drang gehabt vor der Mannschaft zu sprechen. Wenn er zu uns gesprochen hat, dann ging es um andere Themen als Fußball. Das fand ich immer positiv. Ponomarev hat nach Niederlagen in der Kabine auch mal all seinen Frust raus gelassen. Ismaik war da deutlich distanzierter.

SPORT1: Sie haben bis heute einen guten Freund als Berater. Nur am Ende Ihrer Eintracht-Zeit haben Sie sich von jemand anderem beraten lassen, der Sie zurück zu Sechzig brachte und damals auch Niko Kovac vertreten hat. Danach sind Sie zurück zu Ihrem ursprünglichen Berater. Was würden Sie jungen Spielern heute raten?

Aigner: Ein schwieriges Thema. Heutzutage gibt es große Agenturen und Spielerberater wie Sand am Meer. Mein langjähriger Berater Michi (Michael Koppold, d. Red.) ist ein Einzelkämpfer, der noch zu den Fußballplätzen in der Bayernliga fährt und dort Talente erspäht. So war es auch bei mir, Daniel Bierofka, Thomas Broich oder Stefan Reisinger. Je höher du spielst, umso dünner wird die Luft und umso mehr Berater wollen dich. Dann machen diese Berater auch Versprechungen, die nicht eingehalten werden. Ganz wichtig sind Eltern, die das Ganze gut eingeschätzt werden kann. Man darf sich vom Gerede vieler Berater nicht einlullen lassen. Ein Schritt zurück und zwei nach vorne sind oft besser. Mein Rat an junge Spieler: Nicht gleich das große Geld im Kopf haben. Durch gute Spiele und hartes Training kommt alles von alleine.

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Mit dem Kälteschlauch gegen die Schmerzen

SPORT1: Können Sie eine Anekdote aus Ihrer Zeit bei 1860 erzählen?

Aigner: Oh ja. Benny Lauth muss heute noch darüber lachen. Ich nicht. Es war zu der Zeit von Trainer Reiner Maurer. Ich hatte Adduktoren-Probleme ziemlich nah am Gemächt. Ich habe eine Wärme-Salbe im Schrank vom Physio gesucht, dachte mir, ich mache das selber, weil er gerade in einer Behandlung war. Ich nahm mir einen schönen Batzen in die Hand und habe mich damit eingerieben. Es war fünf vor drei, um drei war Training. Plötzlich wurde es ganz schön heiß und es brannte wie Feuer. Dann habe ich gesehen, dass es eine Finalgon-Salbe war, also das Heftigste, was es gibt. Ich bekam Schweißausbrüche, habe gezittert und konnte kaum noch gehen. Das waren die Schmerzen meines Lebens. Ich habe mir dann im Duschbereich einen Kälteschlauch drüber gehalten. Als ich raus kam, war es halb vier. Aber der Trainer hatte mich noch gar nicht vermisst.

SPORT1: Sascha Mölders würde schmerzlich vermisst werden, wenn er nicht spielen könnte. Ist er der neue Aigner?

Aigner: Von der Identifikation bestimmt. Er lebt und liebt Sechzig, gibt alles und hat eine unfassbare Qualität. Mit 36 noch Torschützenkönig in der 3. Liga zu werden, ist einfach großartig. Es freut mich sehr für ihn. Ich hoffe, dass er die Löwen in dieser Saison in die 2. Liga schießt. Wenn man über Sechzig spricht, dann fällt sein Name. Das ist doch schön.

SPORT1: Gibt es eine Rückkehr zu 1860?

Aigner: Ich bin für alles offen, aber ich werde nicht bei Köllner anrufen und sagen ‘Wie schaut’s denn aus?’ Ich habe meine Karriere beendet, mache meine Trainerscheine und kann den jungen Spielern einiges mitgeben. Was die Zukunft bringt, wird man sehen.