Das gab es in der deutschen Davis-Cup-Geschichte noch nie: zwei Brüder, die gemeinsam mit dem Adler auf der Brust im größten Mannschaftswettbewerb der Tenniswelt aufschlagen – und dann womöglich auch noch Seite an Seite im Doppel.
Das Geheimnis des doppelten Zverev-Aufstiegs
© SPORT1-Grafik: Philipp Heinemann/Getty Images
Alexander (19), genannt Sascha, und Mischa Zverev (29) sind dieses historische Brüderpaar, das vor der Erstrundenpartie gegen Belgien am kommenden Wochenende (Fr., ab 14 Uhr LIVE auf DAZN) trotz des nahenden Eintrags in die Geschichtsbücher ganz entspannt ist.
"Natürlich war es schon immer ein Traum gemeinsam für Deutschland zu spielen", erklärt der zehn Jahre jüngere Alexander, der in der Weltrangliste 13 Plätze vor Mischa auf Rang 22 notiert ist. "Aber am Wochenende geht es nicht um Mischa und mich, sondern darum, Belgien zu schlagen und in die nächste Runde einzuziehen."
Bei Problemen beraten sie sich gegenseitig
Im Grunde sei die Situation für die beiden wie vor jedem anderen Turnier auch. "Wenn ich Probleme habe, werde ich ihn natürlich um seinen Rat fragen. Das gleiche gilt aber hoffentlich auch für ihn", fügt das 19-jährige Super-Talent im Gespräch mit SPORT1 lächelnd hinzu.
Eine durchaus umsichtige Einschätzung für einen Teenager. Das findet auch der große Bruder: "Er ist schlau, oder? Sascha ist seinem Alter weit voraus. Er weiß, worum es geht und deswegen mache ich mir auch nicht viele Sorgen, dass er bei der gestiegenen Aufmerksamkeit um ihn den Fokus verlieren könnte."
Der Ältere ist der Shooting-Star
Dabei ist der Shootingstar der Zverev-Brüder, so verrückt das klingen mag, eigentlich der 29-jährige Mischa. Dass Alexanders Weg früher oder später in die absolute Weltspitze führen würde, war im Grunde allen Tennis-Experten klar, so professionell wurde sein Aufstieg von Umfeld und Familie vorbereitet. Allein, dass der 1,98 Meter-Schlaks schon so früh in der Lage ist, Größen wie Rafael Nadal, Roger Federer oder Stanislas Wawrinka nicht nur zu ärgern, sondern auch zu schlagen, vermochte ein wenig zu überraschen.
Die Karriere des großen Bruders, der im Gegensatz zum "Wunderkind" Alexander viel introvertierter und nachdenklicher auftritt, gleicht dagegen eher einer Achterbahnfahrt. Seine ersten Erfolge feierte der Linkshänder schon vor mehr als zehn Jahren, schlug damals selbst als viel umjubelter Teenager Spitzenspieler wie Juan-Carlos Ferrero oder Rainer Schüttler.
Seine vorerst höchste Weltranglistenposition erreichte Mischa 2009 mit Rang 44. Danach folgte der Absturz: Verletzungen an Handgelenk, Rücken und Knien – Zverev verlor nicht nur die Weltspitze weit aus den Augen, sondern auch das Vertrauen in sich selbst.
Der Kopf ist häufig das Problem
Das kam erst wieder zurück, als er quasi den Job des Sparringspartners für den jüngeren Bruder übernahm. "Er sagte mir in unseren Trainingseinheiten immer wieder, dass ich eigentlich bessere Bälle schlage als viele Spieler in den Top 50. Und wenn das ganze Umfeld auf einen einredet: Du bist gut, du kannst das schaffen. Dann fängt man irgendwann wieder an, an sich zu glauben."
Bruder Alexander war also gewissermaßen Mischas Knotenlöser im Kopf: "Ich hatte selbst so viele Dinge im Kopf. Wenn dann jemand etwas sehr Positives, fast schon Naives sagt, dann hilft das einem, sich von seiner eigenen Erfahrung zu lösen. Ich konnte einfach einmal auf den kleinen Bruder hören und träumen."
Und bei den erst am vorigen Wochenende zu Ende gegangenen Australian Open in Melbourne wurde aus Mischas Traum dann ganz schnell Realität. Im Achtelfinale gelang ihm gegen den Weltranglistenführenden Andy Murray die absolute Sensation.
Sensationssieg gegen Murray
In vier Sätzen entzauberte der Achterbahn-Profi den Dominator des Vorjahres und gesteht im SPORT1-Interview: "Es gab ein paar Momente im Match, bei denen ich Gänsehaut bekommen habe, als mir klar wurde, ich kann das schaffen. Das hat mir fast Angst eingejagt, aber zum Glück konnte ich das in wenigen Sekunden abstellen und mich weiter aufs Match konzentrieren." Erst im anschließenden Viertelfinale war der spätere Sieger Roger Federer eine Nummer zu groß.
Dennoch: Das Selbstvertrauen ist wieder zurück bei Mischa Zverev. Beim zehn Jahre jüngeren Alexander war das sowieso noch nie ein Problem. Beste Voraussetzungen also für den historischen deutschen Brother-Act im Davis Cup. Berühmte Vorbilder hätten die Zverevs auf jeden Fall: Erst vor zwei Jahren holten Andy Murray und sein älterer Bruder Jamie, ehemaliger Weltranglistenerster im Doppel, quasi im Alleingang den Davis-Cup-Titel nach Großbritannien.