Die Stimmungslage schwankte zwischen Tristesse und Trotz: Angelique Kerber saß nach ihrer überraschenden Erstrundenpleite bei den French Open (täglich LIVESCORES) auf dem Podium und musste der Weltpresse den viel zu frühen K.o. einer Grand-Slam-Siegerin bei ihrer ersten großen Bewährungsprobe erklären.
Erstrunden-K.o. - Kerber bügelt Kritik ab
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"Es wird einige Tage brauchen, bis ich das hier vergessen habe. Ich bin sehr enttäuscht, das war einfach nicht meine Sandplatzsaison", sagte die an Position drei gesetzte Australian-Open-Gewinnerin nach dem 2:6, 6:3, 3:6 gegen Kiki Bertens (Niederlande/Nr. 58).
Frühester K.o. in Paris seit 2011
Für Bertens war es der achte Sieg in Folge, während es für die von Schulterproblemen geplagte Kerber der frühste K.o. in Roland Garros seit fünf Jahren ist.
Tränen flossen im Anschluss an ihr Aus nicht. Dafür blitzten Kerbers wasserblaue Augen, als die 28-Jährige die Losung für die nächsten Wochen ausgab: "Ich versuche, stärker zurückzukommen. Diese Niederlage wird mich nicht zurückwerfen. Ich werde meine Schlüsse daraus ziehen und nach vorne schauen", betonte die deutsche Nummer eins, die in Paris den Tennis-Thron von Titelverteidigerin Serena Williams (USA) hätte erobern können.
Bislang stehen von 17 im Hauptfeld gestarteten deutschen Profis nur Annika Beck, Tatjana Maria und Dustin Brown in der zweiten Runde. Sechs sind bereits gescheitert.
Grand-Slam-Sieg lähmt Kerber
Gegen die frischgebackene Nürnberg-Siegerin Bertens agierte Kerber auf dem Court Philippe Chatrier oft zu passiv. Die Bürde, erstmals als Grand-Slam-Champion bei einem Major anzutreten, schien sie 115 Tage nach ihrem Triumph von Melbourne zu lähmen.
"Für mich sind Erstrundenspiele immer besonders schwierig", gab die Linkshänderin zu. Der graue Himmel passte zur Untergangsstimmung.
Kerber jedenfalls hatte auf dem tiefen Sand nicht die notwendige Geduld und wirkte alles andere als spritzig. 28 unerzwungene Fehler bei nur neun direkten Gewinnschlägen belegen die fehlende Form.
"Die Bälle sind auf diesem Untergrund schwerer, man muss den Ball zwei-, dreimal mehr rüber spielen als sonst", sagte Kerber, die auch jüngst in Rom und Madrid Erstrundenpleiten kassiert hatte.
Verletzung keine Entschuldigung
Ihre Schulterverletzung, wegen der sie sich bei einem 0:3-Rückstand im dritten Satz behandeln ließ, wollte Kerber nicht überbewerten. "Das soll keine Entschuldigung sein. Aber ich habe die Schulter im zweiten Satz gespürt - dann wurde es schlimmer und schlimmer", sagte sie.
Ihre bisherige Saison gleicht nach knapp der Hälfte einer Achterbahnfahrt - wenngleich der Triumph bei den Australian Open am 30. Januar alles überstrahlt. Kritik, dass Kerber nach ihrer Sternstunde Down Under zu viele Aktivitäten außerhalb des Courts wahrgenommen habe, wies sie entschieden zurück. "Ich würde alles wieder genau so machen. Ich habe es genossen", beteuerte Kerber.
Druck belastet Kerber
Doch 16.950 Kilometer von Melbourne entfernt bekam Kerber vor Augen geführt, dass der Druck auf sie weiter gestiegen ist. "Ich spüre das natürlich. Jede Gegnerin will dich jetzt erst recht schlagen", sagte sie.
Die sensible Kielerin ist weiter auf der Suche nach der richtigen Balance. Für die Diplom-Psychologin Eva Pfaff kommen die durchwachsenen Ergebnisse nach Kerbers persönlicher Mondlandung nicht überraschend. "Diese Aufgabe, sich nach so einem Erfolg neu zu orientieren, sich neu zu erfinden, braucht Zeit. Mit dem gewohnten Alltag von einst hat das nichts mehr zu tun", sagte die ehemalige Weltranglisten-17. Pfaff.