Diese Saison wird Benjamin Patch so schnell nicht vergessen!
Patch: Darum habe ich mich geoutet
Der Diagonalangreifer der Berlin Recycling Volleys erlebte eine turbulente Corona-Spielzeit, führte sein Team am Donnerstagabend im dritten Finalspiel gegen den VfB Friedrichshafen als überragender Akteur zur Deutschen Meisterschaft.
Auch abseits des Feldes hat der 26-Jährige vor sechs Monaten ein Zeichen gesetzt: Er hat sich als queer geoutet ("Ich sage nicht, dass ich schwul bin und ich sage nicht, dass ich hetero bin, denn für mich bedeutet queer sein, offen zu sein"), als erster Sportler in einer deutschen Profiliga (Spielplan und Ergebnisse der Volleyball-Bundesliga der Männer).
Der in Utah geborene US-Amerikaner, der sich unter anderem auch durch Keramik-Kunst verwirklicht, fühlt sich wohl in Stadt und Verein, hat seinen Vertrag bis 2024 verlängert, im Volleyball mit seinen üblicherweise sehr kurzen Vertragslaufzeiten ein bemerkenswertes Bekenntnis.
Im SPORT1-Interview unmittelbar nach dem Titelgewinn sprach Patch - noch in Feier- und Gesangslaune - über sein besonderes Jahr.
Das komplette Interview mit Benjamin Patch in der aktuellen Spezial-Ausgabe des SPORT1-Volleytalk auf SPORT1, Spotify, Apple Podcasts, Deezer – und überall wo es Podcasts gibt!
SPORT1: Vielleicht haben Sie eine Karriere als Sänger vor sich.
Benjamin Patch: Ich bin bereit als Sänger zu starten und mit Volleyball aufzuhören (lacht).
SPORT1: Erstmal müssen Sie darauf aber noch warten weil Sie einen neuen Vertrag unterschrieben haben... Es war eine weitere große Saison für Sie und Berlin. Wie viel bedeutet Ihnen der Titel?
Patch: Dieser Sieg ist alles für mich! Es fühlt sich anders an als in meiner ersten Saison. Dieser Sieg bedeutet durch die Menge der Probleme infolge von Corona sehr viel. Wir haben es geschafft, als Team zusammenzukommen und haben einen Weg gefunden, die Meisterschaft zu gewinnen. Kompliment an Friedrichshafen. Sie haben einen guten Fight geliefert. Ich bin sehr stolz auf unser Team und darauf, die Trophäe zurück nach Berlin zu holen. Berlin hat mir als Stadt und als Gemeinschaft so viel gegeben. Es fühlt sich an wie meine Stadt.
SPORT1: Im vergangenen Jahr war es so etwas wie eine perfekte Saison, die Sie aber nicht mit dem Titel gekrönt haben. War das noch in Ihrem Kopf?
Patch: Nein, das würde ich nicht sagen. Ich bin jemand, der gerne in der Gegenwart lebt. Letztes Jahr war eben so. Aber diese Saison war ganz anders. Wir haben einfach unser bestes versucht und sind erfolgreich gewesen. Jetzt ruhen wir uns aus und die neue Saison wird bald beginnen.
SPORT1: Und wir werden Sie wieder in Deutschland spielen sehen. Sie hatten Angebote aus größeren Ligen. Warum bleiben Sie also in Berlin?
Patch: Wie gesagt: Berlin ist meine Stadt, meine Heimat. Es ist ein spezieller Ort. Der Verein ist eine außergewöhnliche Gemeinschaft. Sie respektieren Menschen wie mich und akzeptieren, dass man als Mensch vielschichtig ist. Ich fühle mich bestärkt, mich mit Mode, Musik und diesen Sachen zu beschäftigen, während ich Profi bin. Viele andere Städte und Vereine verstehen das noch nicht. Ich fühle mich gut, ein Anführer für diese Art von Wandel zu sein. Und es fühlt sich gut an, die Unterstützung meines Klubs zu haben.
SPORT1: Sie sind der Star des Teams. Jeder erwartet von Ihnen Bestleistungen. Wie gehen Sie mit diesem Druck um?
Patch: Ich denke man muss es wegtanzen (lacht). Ich tanze einfach. Druck ist eine erfundene Sache. Die Realität ist, dass ich herumspringe, einen Volleyball schmettere und das mein Beruf ist. Ich bin also sehr glücklich. Da gibt es keinen Platz für Druck in diesem Genuss für das Spiel namens Volleyball.
SPORT1: Sie sind eine Person, die über viele Dinge abseits des Feldes nachdenkt. Sie haben sich als queer geoutet. Wollten Sie immer ein Vorbild sein?
Patch: Ich möchte Menschen ermutigen, sie selbst zu sein. Ich bin keine Ikone. Ich möchte aber eine Veränderung einleiten. Menschen sind so viel stärker, wenn sie sie selbst bleiben dürfen. Das möchte ich über den Sport und über Social Media transportieren. Menschen sollen selbstbewusst sein.