Von Momir Takac
Vom Pechvogel zur WM-Hoffnung
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Krasnaja Poljana, wir schreiben den 21. Februar 2014. Die deutsche Biathlon-Frauenstaffel schickt sich an, die Olympischen Winterspiele zu einem erfolgreichen Abschluss zu bringen.
Doch schon nach der ersten Läuferin wird klar: Statt Gold, Silber oder Bronze gibt es Blech.
Die Startläuferin heißt Franziska Preuß. Bei ihren ersten Olympischen Spielen stürzt sie am ersten Anstieg, dabei bricht ihr Stock. Sie kommt als letzte zum ersten Schießstand und muss erst einmal ihr Gewehr saubermachen, das noch voll mit Schnee ist.
Beim ersten Wechsel beträgt der Rückstand fast drei Minuten, die Medaillenträume sind dahin.
Am Ende landet das Team auf einem enttäuschenden elften Platz. Dazu kommt das Doping-Geständnis von Evi Sachenbacher-Stehle. Der 21. Februar wird zum bittersten Tag im deutschen Biathlon-Sport.
Ihre ersten Olympischen Spiele hatte sich Franziska Preuß ganz anders vorgestellt.
Hohe Erwartungshaltung
Zu diesem Zeitpunkt ist Preuß 19 Jahre alt und am Ende ihrer ersten Weltcup-Saison.
Zusammen mit Miriam Gössner gilt sie nach dem Rücktritt von Magdalena Neuner als die größte Hoffnung im deutschen Biathlon.
Die Fußstapfen, in die sie treten soll, sind entsprechend groß, genauso die Erwartungshaltung.
Und wie schwer es, ist dem Druck standzuhalten, sieht man bei eben jener Gössner.
Nach einem verpatzten Saisonauftakt mit teils horrenden Quoten am Schießstand wurde die 24-Jährige in den zweitklassigen IBU-Cup verschoben. Nach starken Leistungen kehrt sie vor dem Weltcup in Antholz (Freitag, 14.30 Uhr im LIVE-TICKER) aber wieder zur Elite zurück.
Beispiel Gössner eine Warnung
Doch es zeigt: Bringst du die Leistung nicht, bist du schnell weg vom Fenster.
Das soll Preuß nicht passieren, und deshalb arbeitet sie hart. Auch das Olympia-Desaster nahm sie als Ansporn, sich noch mehr zu verbessern.
"Die Olympischen Spiele in Sotchi waren nicht so, wie ich mir das vorgestellt habe. Doch nach diesen drei Wochen bin ich jetzt wirklich abgehärtet und nun kann schon Einiges kommen", sagte sie im Sommer vor der Vorbereitung auf ihre zweite Saison in einem Interview mit dem Bayerischen Skiverband.
Und sie ließ Taten folgen:
Nach ihrem holprigen Start in Östersund ließ sie in Hochfilzen mit drei Top-Ten-Plätzen ihr Potenzial aufblitzen. In Pokljuka folgte ein Durchhänger, um in Oberhof erneut dreimal unter den besten Zehn zu landen. In Ruhpolding klappte es in einem Einzelrennen dann endlich mit dem ersehnten Podestplatz im nacholympischen Winter.
Zwei große Baustellen
Die Ergebnisse zeigen allerdings auch: Preuß muss besonders in zwei Punkten an sich arbeiten.
Einerseits fehlt es der 20-Jährigen an der Konstanz, andererseits genügen die Leistungen beim Schießen nicht, um ganz vorne mitzulaufen.
Selbst bei ihrem zweiten Platz in Ruhpolding verfehlte Preuß zweimal die Scheibe, fehlerfrei blieb sie in diesem Winter in einem Einzelrennen noch nicht, zwei oder drei Schießfehler waren die Regel.
Dass sie trotz mäßiger Schießleistung nach vorne laufen kann, unterstreicht aber auch ihre Klasse in der Spur.
Bevor sie zum Biathlon kam war sie als Leichtathletin aktiv. Die konditionelle Konstitution und die Lust sich zu quälen, erbte sie vom Vater, der als Bergläufer sehr erfolgreich war.
Preuß eine Spätzünderin
Ohnehin begann Preuß erst spät mit dem Biathlon. Anders als Neuner kommt die gelernte Zollbeamtin gar nicht aus den Bergen. Geboren in Wasserburg am Inn wuchs sie im 15 Kilometer entfernten Albaching auf.
Die größte Erhebung dort ist der Doktorberg, den allenfalls Kinder zum Schlittenfahren nutzen können.
Über ein Schnuppertraining in den Ferien in Ruhpolding kam sie als 15-Jährige schließlich zum Biathlon. Seitdem nahm sie in den Pfingstferien am Stützpunkttraining teil. Nur zwei Jahre später holte sie bei den Olympischen Jugendspielen dreimal Gold und einmal Silber, im Jahr darauf Gold bei der Junioren-WM. In der vergangenen Saison debütierte sie in Östersund im Weltcup.
Ihr erstes hartes Lehrjahr wusste Preuß auch richtig einzuordnen.
Mental gereift
Vor der dieser Saison sagte sie im SPORT1-Interview, ihr Umgang mit den Medien sei besser geworden.
Tatsächlich gelang es ihr, schon bewusste öffentliche Aussagen zu tätigen, was für eine mentale Reife spricht.
So rechnete sie nach dem Mannschafts-Sieg in Hochfilzen etwas mit ihren Kritikern ab und forderte eine andere Position in der Staffel (DATENCENTER: Ergebnisse und Rennkalender).
Auch mit Druck geht sie nun besser um. Negativerlebnisse machten sie inzwischen nur stärker, sagte Preuß vor der Saison im SPORT1-Interview.
Sechs Wochen bleiben Preuß noch, um ihre Defizite zu beseitigen. Anfang März finden im finnischen Kontiolahti die Biathlon-Weltmeisterschaften statt. Und dort will die Spätzünderin ihr erstes Edelmetall bei einer "normalen WM" holen.