Als Miriam Gössner neben ihren beiden Teamkolleginnen auf dem Siegespodest stand, wurde es feucht in ihren Augen. Gössner gingen nochmal die letzten zweieinhalb Jahre durch den Kopf.
Gössners Wiedergeburt überstrahlt Festtag
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Der schwere Mountainbikeunfall im Mai 2013, die nicht nachlassenden Rückenschmerzen, die Zweifel, ob sie jemals wieder in die Weltcupspitze zurückkehren würde, die Gedanken ans Aufhören.
"Ich habe schon an die letzten Jahre gedacht, deshalb hat mich der dritte Platz heute brutal gefreut", gab sie hinterher auf SPORT1-Nachfrage zu.
An diesem sonnigen Freitag in Hochfilzen wischte Gössner all die negativen Erlebnisse aus der Vergangenheit beiseite und beendete ihre persönliche Leidenszeit. Erstmals seit März 2013 stand die 25-Jährige im Sprint wieder auf einem Weltcup-Podium.
So recht hatte sie selbst daran gar nicht mehr geglaubt. "Erst die letzten Wochen und Monate habe ich mich immer stärker gefühlt", sagte sie auf der Pressekonferenz nach dem Rennen.
Historischer Dreifachsieg
Gössners Rückkehr ins Biathlon-Rampenlicht war für das deutsche Team das i-Tüpfelchen auf einen perfekten Tag.
Franziska Hildebrand, Maren Hammerschmidt und Gössner gelang der erste Dreifachsieg für den DSV seit Februar 2011. Simon Schempp krönte mit dem Sieg im Sprint der Männer den goldenen Freitag.
Wichtigster Erfolg ihrer Karriere
Gössner war zwar "nur" die drittbeste Deutsche an diesem historischen Tag, für sie selbst fühlte es sich nach ihrer langen Leidenszeit dennoch an wie ein Sieg.
Auch wenn sie im Winter 2012/2013 bereits drei Weltcupsiege feierte, den dritten Platz von Hochfilzen stuft sie als größten Erfolg ihrer bisherigen Karriere ein.
"Damals lief alles fast von selbst, jetzt musste ich mir das alles hart erarbeiten", erklärte die Garmischerin.
Viele Rückschläge
Was Gössner sagen will: Mit ihrem dritten Platz in Tirol belohnte sie sich nicht nur für die starke Leistung an diesem einen Tag, es war vielmehr der Lohn für einen zweieinhalb Jahre andauernden Kampf. Ein Kampf, bei dem es viele Rückschläge gab.
Trotz der schweren Folgen ihres Unfalls wollte es Gössner zu Olympia 2014 in Sotschi schaffen, musste aber letztlich kapitulieren.
Im vorigen Winter fehlten ihr dann acht Monate Training, da war ich "brutal unsicher".
Gössner tat sich schwer, wurde ins B-Team zurückgestuft und musste im zweitklassigen IBU-Cup laufen.
Arbeiten an der Dauerschwäche
Doch davon ließ sich die lebensfrohe Blondine nicht entmutigen. Den vergangenen Sommer nutzte sie, um an ihrer Dauerschwäche, dem Schießen zu arbeiten. Mit Erfolg.
"Sie hat jetzt eine ganz andere Herangehensweise an das Schießen und hat jetzt die Bedeutung des Schießens erkannt", lobte Bundestrainer Gerald Hönig seine Athletin auf SPORT1-Nachfrage.
Auch Hönig bezeichnet Gössners Podest-Comeback als langfristigen Prozess: "Sie musste sich zurückarbeiten und konnte nicht mehr nur vom Talent zehren."
Persönlichkeit weiterentwickelt
Der Bundestrainer sieht darin nicht nur eine sportliche, sondern auch eine menschlich starke Leistung: "Durch so eine Leidenszeit entwickelt man sich auch charakterlich und von der Persönlichkeit her weiter."
Gössner ist heute eine andere als im Winter vor drei Jahren, fast als wäre sie neu geboren worden. Natürlich hat sie immer noch diese positive Lebenseinstellung, das gewinnende Lächeln.
Aber sie ist auch geduldiger geworden, nachdenklicher, professioneller, aber auch kämpferischer.
Die Beziehung zu Ski-Star Felix Neureuther gibt ihr darüber hinaus auch eine gewisse Portion Gelassenheit.
Niveau mittlerweile deutlich höher
Vor allem aber hat die Halb-Norwegerin hat erkannt, dass ihr nicht mehr einfach alles von selbst zufliegt.
Vor drei Jahren befand sie sich in einer läuferischen Ausnahmeform, die es ihr ermöglichte, eine oder sogar zwei Strafrunden wieder auf der Strecke wettzumachen. Das sei nun nicht mehr möglich, wie sie selbst betont:
"Das Niveau ist um einiges höher geworden. Damals war es noch ganz einfach eine Strafrunde rauszulaufen. Jetzt ist das nicht mehr so easy, wenn man sieht, wie viele heute mit einer Null rausgegangen sind, da ist es ein Wahnsinn mit einem Schießfehler aufs Podium zu laufen."
Und aufgrund der starken Konkurrenz - auch aus dem eigenen Team - besteht nicht die Gefahr, dass sich Gössner jetzt auf diesem Erfolg ausruht. Am Limit sieht sie sich ohnehin nicht.
Vor allem beim Schießen hat sie weiterhin Luft nach oben. "Das Liegendschießen war noch sehr langsam, da habe ich Zehn Sekunden verloren", analysierte sie und zeigte damit gleich wieder, was die neue Gössner gelernt hat.