Eines seiner größten sportlichen Erlebnisse hatte Stefan Kraft nicht im Winter.
Nur Drama dahoam kann Kraft stoppen
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Es war im April 2013, als er beim 4:0-Sieg des FC Bayern München gegen den FC Barcelona im Halbfinale der Champions League auf der Tribüne der Allianz Arena saß.
Bewundernd bestaunte und bejubelte der damals gerade 19 Jahre alte Bayern-Fan die Aktionen von Arjen Robben und Thomas Müller.
Er selbst war zu dieser Zeit noch ein in Deutschland nahezu unbekannter Skispringer. Sein einziger größerer Erfolg war bis dahin ein dritter Platz in Bischofshofen.
Dort findet am Dienstag (16.15 Uhr im LIVE-TICKER) das Abschlussspringen der Vierschanzentournee statt.
Souveräne Führung
Doch die Vorzeichen sind für Kraft völlig andere als vor zwei Jahren.
Mittlerweile ist er es, dessen Sprünge von den Zuschauern bestaunt werden. Und in Deutschland kennt ihn nun nicht nur Sven Hannawald, dem er in Innsbruck kurzzeitig den Schanzenrekord stiebitzte, ehe ihn Michael Hayböck im zweiten Durchgang noch einmal übertraf.
Als souverän Führender der Gesamtwertung geht Kraft ins letzte Springen.
23 Punkte beträgt sein Vorsprung auf Verfolger, Landsmann und Kumpel Hayböck (DATENCENTER: Die Gesamtwertung der Tournee).
Das bedeutet, Hayböck müsste zwei Traumsprünge in den Schnee zaubern, Kraft zumindest einmal grob patzen. Wenn man den Salzburger in der Luft sieht, ist das kaum vorstellbar.
"Wie in Trance"
"Er springt derzeit wie in Trance", zeigt sich sein Trainer Heinz Kuttin siegessicher.
Auch in der Qualifikation von Bischofshofen gelingt Kraft mit 136,5 Metern die zweitbeste Weite (News), nur Hayböck springt noch einmal einen Meter weiter.
Hoffnung, dass es doch noch mal spannend werden könnte, hegt man nur, wenn man Kraft auf dem Podium einer Pressekonferenz sitzen sieht.
Dann hat man einen nervösen, schüchternen jungen Mann vor sich. Ob so einer dem Druck standhalten kann?
Da scheint sich nicht einmal Kraft selbst so ganz sicher, gibt sogar zu, nervös zu sein - sieht das aber nicht als Nachteil: "Vielleicht braucht's das auch. Es ist förderlich, damit ich richtig ans Limit gehen kann."
Kleine Schwäche in Innsbruck
Beim zweiten Sprung in Innsbruck zeigte er erstmals bei dieser Tournee eine kleine Schwäche .
Den Angriff von Sieger Richard Freitag konnte er nicht abwehren, sein Sprung war fünf Meter kürzer (BERICHT: Traumflug durch die Gewitterwolken).
"Am Bergisel ist es am schwersten, bei sich zu bleiben", erklärt Kraft hinterher: "Bei Michi (Hayböck, Anm. d. Red.) hat die Menge getobt. Da noch cool zu bleiben, ist schwierig."
Allerdings werden die österreichischen Fans auch in Bischofshofen einen Höllenlärm veranstalten und die Situation als Gesamtführender der Tournee ist für Kraft gänzlich ungewohnt.
Wieder volles Risiko
Deshalb will Kraft alles so machen wie bisher. Obwohl er nur fünf Minuten von der Schanze entfernt wohnt, schläft er auch diesmal im Teamhotel - in einem Zimmer mit Hayböck.
Sicherheitssprünge kommen für ihn sowieso nicht in Frage, stellt er klar: "Zurückschrauben werde ich sicher nicht, ich versuche wieder zwei Bomben runterzuhauen."
Ruhig machen, das ist für Kraft ohnehin schwierig (Bild-Copyright: getty).
"Länger als 24 Stunden halte ich es in der Wohnung nicht aus", sagt er über sein Privatleben, dann ziehe es ihn in die Natur zum Skitouren gehen, Wandern oder Klettern.
Wechsel zahlt sich aus
Nach oben geklettert ist er auch in der österreichischen Teamhierarchie, vor allem dank des Trainerwechsels von Alexander Pointner zu Heinz Kuttin.
Neben Zwistigkeiten mit Superstar Gregor Schlierenzauer war auch der sportliche Stillstand der jungen Springer Kraft und Hayböck ein Grund für Pointners Ablösung gewesen.
Umso mehr zeigt sich Verbandspräsident Peter Schröcksnadel nun bei SPORT1 zufrieden mit seiner Personalentscheidung.
Auch als Anfang des Winters die gewohnten österreichischen Siege ausblieben, begann der Funktionär nicht zu zweifeln.
"Bis man sich aneinander gewöhnt hat und bis man ein Team aufbaut, das dauert eben", sagt er rückblickend.
Zwei gleich starke Rivalen
Das Potenzial von Kraft und Hayböck war Schröcksnadel nicht verborgen geblieben: "Die Jungs waren schon im Sommer gut drauf."
Einen Leistungsunterschied zwischen den beiden Rivalen kann er nicht ausmachen.
"Beide sind gleich stark", erklärt Schröcksnadel.
Ihm kann es auch egal sein. Aller Voraussicht nach wird zum siebten Mal in Folge ein Österreicher die Tournee gewinnen.
Und die internationale Konkurrenz sieht staunend zu.