Innsbruck. Ausgerechnet Innsbruck. An der Stätte seines bisher größten Einzelerfolges kann Karl Geiger einen großen Schritt Richtung Tournee-Sieg und Hannawald-Nachfolge machen.
So tickt der deutsche Tournee-Trumpf
Denn bereits 18 Jahre ist es her, als Sven Hannawald mit seinem legendären Vierfacherfolg den letzten deutschen Gesamtsieg bei der Vierschanzentour holte.
Nun könnte es ihm Geiger, der in der Gesamtwertung aktuell auf Rang zwei nur 6,3 Punkte – umgerechnet knapp dreieinhalb Meter - hinter dem Japaner Ryoyu Kobayashi liegt, gleichtun. (Hier finden Sie die aktuelle Gesamtwertung der Vierschanzentournee 2020)
Diesen Rückstand will der Deutsche am Innsbrucker "Bergisel" wettmachen (Vierschanzentournee: Das 3. Springen in Innsbruck am Samstag ab 14 Uhr im LIVETICKER). Auf jener Schanze gewann er bei der Nordischen Ski-WM 2019 Silber von der Großschanze hinter Teamkollege Markus Eisenbichler.
Geiger hat hart gearbeitet für seinen aktuellen Erfolg. Ein Shooting Star, der wie aus dem Nichts die Skisprungwelt aufmischt, ist der 26-Jährige beileibe nicht.
Geiger springt erstmals mit Alpinskiern
Angefangen hat er sogar in einer anderen Sportart. Doch bei den jährlichen Clubmeisterschaften seines Heimatvereins Skiclub 1906 Oberstdorf e.V. durfte Geiger sich als Mitglied der Alpinabteilung im Skispringen probieren.
"Meinen ersten Sprung habe ich mit fünf Jahren gemacht - mit Alpinskiern. Ich kam sieben Meter weit", sagte Geiger dem BR.
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Die sieben Meter reichten jedoch, um Geiger vom Fluggefühl so zu faszinieren, dass er danach immer öfter auf die Alpinskier verzichtete, ehe er sie ganz in die Ecke stellte.
In Oberstdorf gehörte Geiger zur gleichen Skisprung-Trainingsgruppe wie Johannes Rydzek an - später Olympiasieger und Weltmeister in der Nordischen Kombination
Geiger verpasst lange Durchbruch im Winter
2011 nahm Geiger erstmals am Continental-Cup teil. Nur ein Jahr später folgte bereits das Debüt im Weltcup, nachdem er in der Gesamtwertung des Sommer-Grand-Prix mit dem fünften Platz zu überzeugen wusste.
Doch im Winter war er von ähnlichen Erfolgen im Einzel zunächst noch weit entfernt - und so pendelte Geiger anfangs zwischen Welt- und zweitklassigem Continental Cup hin und her. Erst im Februar 2016 gelang ihm der erste Podestplatz im Einzel in Lahti. Zwei Jahre später feierte er in Engelberg endlich seinen ersten Sieg.
"Ich habe mich langsam durchgeschlängelt", beschreibt Geiger, dem in wichtigen Wettbewerben zuvor oft die Nerven versagten, selbst seinen Werdegang als Skispringer.
Sinnbildlich dafür steht sein Abschneiden bei der Tournee. Rang 59 (2012/13), 48 (2013/14), 58 (2014/15), 31 (2015/16), 18 (2016/17), 11 (2017/18 und 2018/19). Auch in der Weltcup-Wertung ging es langsam, aber stetig nach oben. In der vergangenen Saison reichte es zu Platz zehn.
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Der endgültige Knotenlöser für Geiger ist dann der Gewinn zweier Gold- und einer Silbermedaille bei der WM 2019.
Geiger jetzt "Bachelor of Engineering"
Vor Beginn der Tournee hat Geiger nun eine weitere wichtige Hürde gemeistert. An der Hochschule Kempten hat er sein Studium der Energie- und Umwelttechnik abgeschlossen und darf sich nun "Bachelor of Engineering" nennen. Kein Wunder, dass ihn seine Skisprung-Kollegen "Ingenieur" nennen.
Große Emotionen sieht man bei dem Mann, der das Gleitschirmfliegen als Hobby hat, nur selten. Die rausgeschriene Freude nach dem Neujahrsspringen in Garmisch war da schon eine Ausnahme.
Geiger ist eher ein Denker - ruhig und unspektakulär. Auf Fragen antwortet er überlegt, alles rund um das Thema Skispringen analysiert er akribisch. So tüftelte er mit den Trainern zuletzt an seiner Hocke bei der Anfahrt - mit Erfolg.
Wenn Geiger erklären soll, was er jetzt tun muss, sagt er meist, dass er "bei meinen Zeug" bleiben muss. Die langjährigen Skisprung-Fans werden sich erinnern, dass bereits einmal ein deutscher Skispringer immer davon sprang, sein "Zeug zu machen": Sven Hannawald.